Année politique Suisse 1996 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Sanierungsmassnahmen
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Sanierungsplan 2001
Im September schickte der Bundesrat ein finanzpolitisches Gesamtkonzept zur Sanierung der Staatsfinanzen bis 2001 in die Vernehmlassung, das gewissermassen das gemeinsame Dach der künftigen Sanierungsanstrengungen darstellt. Eines der Kernelemente des Sanierungsplans ist es, das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts in der Verfassung vorzuschreiben. Konkret schlägt der Bundesrat einen befristeten Sanierungsartikel vor, der im Jahr 2001 noch ein Defizit von höchstens 2% der Einnahmen (rund 1 Mia Fr.) zulässt. Als Zwischenziel wird für 1999 noch ein Defizit von 4 Mia Fr. akzeptiert. Bis Ende 1997 gilt ein Aufgabenmoratorium. Von 1997 bis 2001 soll der jährliche Ausgabenanstieg unter 1% gedrückt werden, was real einem Abbau gleichkommt. Bei rezessiver Wirtschaftsentwicklung darf das Parlament die Fristen allerdings erstrecken.
Für den Fall, dass die Defizitvorgaben verfehlt werden, stellte der Bundesrat zwei Notbremse-Varianten zu Diskussion: Der schärfere Korrekturmechanismus sieht vor, die Kompetenz zur Kürzung gesetzlich vorgeschriebener Ausgaben vom Parlament auf den Bundesrat zu übertragen. Der Bundesrat dürfte Finanzhilfen und Abgeltungen um bis zu 30% kürzen und müsste im bundeseigenen Aufgabenbereich vergleichbare Sparmassnahmen beschliessen. Nach der weicheren Variante hätte der Bundesrat bloss den Gesamtbetrag der nötigen Einsparungen festzulegen und die dafür erforderlichen Gesetzesänderungen dem Parlament vorzuschlagen. Dieses dürfte die Anträge zwar abändern, aber den vorgegebenen Spareffekt nicht schmälern. In beiden Fällen müssten die Bundesausgaben so stark gekürzt werden, dass die Defizitvorgaben mit höchstens zweijähriger Verspätung erreicht werden.
Weitere Kernelemente des Sanierungsprogrammes 2001 sind strukturelle Reformen (Verwaltungsreform und Einführung des New Public Management für Teile der Verwaltung, Herabsetzung von Standards und Normen im Hochbau und im Nationalstrassenbau sowie insbesondere der neue Finanzausgleich), die Überprüfung der Bundessubventionen sowie ein verbindliches "Kostendach" für die Sozialversicherungen. Steuererhöhungen sind nur gerade für die AHV (1 MWSt-%) und für die Eisenbahn-Grossprojekte vorgesehen.
Die Vernehmlassung zeigte, dass die bürgerlichen Parteien und die Kantone hinter dem Vorhaben stehen. SP und Gewerkschaften bezeichneten die heutigen Defizite aber als nicht dramatisch und betrachteten eine Sanierung der Bundesfinanzen wegen der Wirtschaftskrise als nicht vorrangig. Die Sanierung müsste ihrer Ansicht nach auch einnahmenseitig erfolgen. Aus staatspolitischen Gründen war ausserdem die Delegation der Kompetenz an den Bundesrat, Notmassnahmen für den Budgetausgleich zu ergreifen, umstritten [37].
Nach dem Abbau der Defizite soll gemäss den Vorschlägen des Bundesrates eine verfassungsmässige Schuldenbremse sicherstellen, dass der Bundeshaushalt im Gleichgewicht bleibt. Eine solche hatte im letzten Jahr auch der damalige Bundesrat Otto Stich vorgeschlagen, wobei er zwei Varianten - die Ausgabenregel, die das zulässige Ausgabenwachstum an der mittelfristigen Wachstumsrate der Wirtschaft ausrichtet und die Saldoregel, bei der das Ergebnis der Finanzrechnung mit dem Wirtschaftswachstum gekoppelt wird - zur Diskussion gestellt hatte.
Die Vernehmlassung zeigte, dass eine Mehrheit der Parteien, Kantone und Verbände die Ausgabenregelung und damit die "weichere" Variante mit eher indikativem Charakter bevorzugt. Der Bundesrat könnte somit erst gegen Ausgabenbeschlüsse des Parlaments einschreiten, wenn dieses ein Budget mit einem Ausgabenwachstum von mehr als 10% gegenüber der zuletzt angenommenen Finanzrechnung verabschiedet. Stark umstritten war auch die Behandlung der Investitionsausgaben. Beide Varianten verzichten auf eine Sonderbehandlung dieser Ausgabenkategorie, eine starke Minderheit der Vernehmlasser sprach sich aber vehement dafür aus, Investitionen von der Schuldenbremse auszunehmen. SP und LdU möchten die Sozialversicherungen ausklammern. Die detaillierte Botschaft zur Schuldenbremse soll dem Parlament erst nach Inkrafttreten des Sanierungsartikels unterbreitet werden [38].
Eine Motion Moser (fp, AG), die forderte, dass neue kostenverursachende Gesetzesvorlagen und Bundesbeschlüsse von der Bundesversammlung nur behandelt werden dürfen, wenn zugleich ein Finanzierungsnachweis erbracht wird, wurde vom Nationalrat mit 36:55 Stimmen abgelehnt [39].
Zu den drei Sparvorlagen aus dem Sanierungsprogramm 1994 - militärische Ausrüstung, Branntwein und Brennapparate sowie Parkplätze bei Bahnhöfen - über die 1996 abgestimmt wurde, siehe die Kapitel Teil I, 3 (Armement), 4c (Production végétale) und 6b (Politique des transports).
 
[37] Botschaft zum Voranschlag 1997, S. 160; Presse vom 17.9. und 23.12.96.37
[38] Presse vom 13.4 und 17.9.96. Vgl. SPJ 1995, S. 150. Eine Motion seiner WAK, die ein an das BIP gebundenes Ausgabenwachstum forderte, überwies der NR als Postulat, um der Diskussion nicht vorzugreifen (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1526 f.).38
[39] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1530 ff.39