Année politique Suisse 1996 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
Wohnungsbau
Der Schweizer Wohnungsmarkt entspannte sich nochmals markant und wies mit Stichtag 1. Juni 1996 einen
Leerwohnungsbestand von 1,61% (1995: 1,39%) auf. Gemäss dem BFS erhöhte sich der Leerwohnungsbestand in der Schweiz innert Jahresfrist um 17,5% auf 54 483 leerstehende Wohnungen. Dabei nahmen gegenüber 1995 insbesondere die leerstehenden Kleinwohnungen mit 1 und 2 Zimmern zu. In der Deutschschweiz war die Zunahme leerstehender Wohnungen grösser als in der Westschweiz und im Tessin. Die höchsten Leerwohnungsziffern wiesen am Stichtag die Kantone Solothurn (2,94%), Wallis (2,65%) und Waadt (2,6%) auf, deutlich unter 1% lag die Leerwohnungsziffer nur noch in den Kantonen Basel-Land (0,46%) und Basel-Stadt (0,78%). Leicht rückläufig war mit 21% der Anteil der Neuwohnungen am Leerwohnungsbestand. Der Anteil der Einfamilienhäuser am Leerwohnungsbestand sank von fast 10% auf rund 8%
[27].
Der
Wohnungsbau war
massiv
rückläufig. Laut dem BFS wurden 1996 43 700 Wohnungen gebaut, 5800 oder 12% weniger als im Vorjahr. Ende Dezember waren 39 300 Wohnungen im Bau, 8700 oder 18% weniger als vor Jahresfrist. Auch die Zahl der erteilten Baubewilligungen nahm deutlich ab; mit 42 900 waren es 6300 oder 13% weniger als im Vorjahr
[28].
Als Erstrat hatte der Ständerat im März über die 1993 vom Hauseigentümerverband eingereichte Volksinitiative "Wohneigentum für alle" zu entscheiden, die Steuererleichterungen für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und eine massvolle Besteuerung der Eigenmietwerte verlangt. Der Bundesrat hatte die Initiative, die Steuerausfälle in der Grössenordnung von 1,5 bis 2 Mia Fr. für Bund und Kantone zur Folge hätte und vor allem bisherige Hauseigentümer begünstigen würde, 1994 ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Bei einem Stimmenverhältnis von 29 zu 7 Stimmen war die Initiative auch im Ständerat chancenlos. Anders als seine vorberatende Wirtschaftskommission (WAK), die auch einen Gegenvorschlag abgelehnt hatte, folgte der Ständerat mit 25 zu 12 Stimmen aber einem Antrag Bisig (fdp, SZ) und beauftragte die WAK mit der Evaluation eines möglichen Gegenvorschlags, der eine für Bund und Kantone haushaltsneutrale Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums verwirklicht.
Als möglichen Kern eines Gegenvorschlags propagierten die dem Unterstützungskomitee der Hauseigentümer-Initiative angehörenden Ständeräte Küchler (cvp, OW), Loretan (fdp, AG) und Reimann (svp, AG) die Forderung einer Aargauer Standesinitiative, gemäss welcher der Bund bei der direkten Bundessteuer die von den Kantonen festgesetzten Eigenmietwerte übernehmen müsste, soweit sie mindestens den halben Marktwert umfassen. Heute berechnet der Bund in jenen elf Kantonen, die die Wohneigentümer besonders schonen, erhöhte Eigenmietwerte. Die Standesinitiative, die ebenfalls mit Steuereinbussen verbunden wäre und die 1993 die knappe Unterstützung des Nationalrats fand, wurde ebenfalls an die vorberatende Kommission zurückgewiesen.
Die WAK fand jedoch keine kostenneutrale Alternative zur Wohneigentums-Initiative und sah deshalb von einen Gegenvorschlag ab. Mit leeren Händen wollte sie aber nicht ins Plenum zurückkehren. Sie arbeitete eine Motion aus, die eine Änderung des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG) fordert und den Kantonen mehr Spielraum bei der Festsetzung des Eigenmietwertes übertragen will. So sollen Kantone die
Eigenmietwerte massvoll ansetzen, für alle oder einen Teil der Steuerpflichtigen auf eine Anpassung der Eigenmietwerte während einer gewissen Periode verzichten und den Neuerwerb von Wohneigentum mit speziellen Anreizen fördern können. Mit einer zweiten Motion verlangte die WAK, die 1973 vom Bundesgericht begründete sogenannte "
Dumont-Praxis" abzuschaffen. Gemäss dieser sind Unterhaltsaufwendungen für Liegenschaften in den ersten Jahren nach einem Hauskauf als wertvermehrende und deshalb in der Regel nicht abzugsfähige Ausgaben zu betrachten. Die Abschaffung dieser Praxis würde sich gemäss WAK eigentumsfördernd auswirken. In der Herbstsession verzichtete der Ständerat endgültig auf einen Gegenvorschlag zur Hauseigentümer-Initiative, überwies dafür gegen den Willen des Bundesrates beide Motionen der WAK mit deutlichen Mehrheiten. Der Aargauer Standesinitiative gab er keine Folge
[29].
Auch eine Motion Reimann (svp, AG) wollte mit einer Änderung des StHG bewirken, dass die
Kantone bei der Wohneigentumsförderung mehr Spielraum erhalten. Die Kantone sollen die Eigenmietwerte wesentlich unter dem Marktwert ansetzen können. Anreize schaffen sollen ausserdem zusätzliche Abzugsmöglichkeiten bei Neuerwerbungen, der Verzicht einer Anpassung der Eigenmietwerte während einer bestimmten Periode und Bausparabzüge. Auf Antrag des Bundesrates schwächte Reimann seinen Vorstoss in ein Postulat ab; dieses wurde vom Ständerat oppositionslos überwiesen
[30].
Im Nationalrat zielte eine Motion Baumberger (cvp, ZH) ebenfalls auf eine
Reduzierung des Eigenmietwertes ab und verlangte, das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) und das StHG mit dem Ziel zu revidieren, den Mietwert von Liegenschaften für den Eigengebrauch der Steuerpflichtigen gesondert vom übrigen Einkommen und zu einem angemessen reduzierten Vorsorgetarif zu besteuern. Bundesrat Villiger bezeichnete den Vorstoss als Versuch, den Eigenmietwert faktisch abzuschaffen. Die Motion wurde als Postulat überwiesen
[31].
Um das Wohneigentum zu fördern, verlangte Ständerat Onken (sp, TG) auf dem Motionsweg ein unlimitiertes
Vorkaufsrecht für Wohnungsmieter. Denselben Vorschlag hatte 1993 bereits der Bundesrat gemacht, um die Eigentumsstreuung im vorhandenen Baubestand zu verbessern, er war aber im Vernehmlassungsverfahren deutlich abgelehnt worden. Auch der Ständerat verwarf den Vorstoss mit 25 zu 6 Stimmen klar
[32].
[27]
NZZ, 9.10.96;
Lit. Gurtner.27
[28] Presse vom 8.3.96. Die Zahlen des BFS sind provisorisch.28
[29]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 11 ff. und 689 ff.; Presse vom 6.3., 17.8. und 24.9.96. Vgl.
SPJ 1994, S. 177 und
1995, S. 199. Zur Aargauer Standesinitiative siehe
SPJ 1993, S. 134. Eine weitere Möglichkeit, der Hauseigentümer-Initiative entgegenzukommen, sah die WAK beim Modell des "Logis-Leasing". Die namentlich im Kanton Genf gewährte steuerliche Erleichterung für Miete-Kauf von Wohneigentum wird heute vom Bund nicht zugelassen (Presse vom 17.8.96). Zum "Logis-Leasing" siehe auch
SGT, 10.9.96.29
[30]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 322;
AT, 5.6.96.30
[31]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1540 ff.31
[32]
Amtl. Bull StR, 1996, S. 692 ff. Vgl.
SPJ 1994, S. 171.32
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