Année politique Suisse 1996 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
 
Bevölkerungsentwicklung
Gleich drei neue Publikationen zur Bevölkerungsentwicklung stellte das Bundesamt für Statistik (BFS) im Berichtsjahr vor. Alle drei Untersuchungen bestätigten die bereits früher festgestellten grossen demographischen Trends in der Schweiz. Im Vordergrund stand dabei - gerade auch im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Diskussion um die Zukunft der Sozialwerke - die Fortsetzung der demographischen Alterung. Gemäss BFS erfährt das Bevölkerungswachstum im laufenden Jahrzehnt den stärksten Anstieg der nächsten 40 Jahre. Unter Einbezug der verschiedenen Einflussfaktoren, wie z.B. die Beziehungen zu Europa, die Entwicklungen im Ausländer- und Asylbereich und die allgemeine Wirtschaftsentwicklung, dürfte die Zahl der ständigen Einwohner in 10 bis 15 Jahren mit rund 7,5 Millionen einen Höhepunkt erreichen und anschliessend konstant bleiben oder leicht zurückgehen. Das Bevölkerungswachstum wird fast ausschliesslich in der Altersgruppe über 50, vor allem aber bei den über 65jährigen erfolgen. Erst nach 2035 könnte es zu einer Stabilisierung - allerdings auf hohem Niveau - kommen. Das BFS betonte aber, dass die Schweiz bei all dem kein extrem überaltertes Land ist, sondern im Durchschnitt der übrigen europäischen Länder liegt, was auf die Zuwanderung von jungen Ausländerinnen und Ausländern zurückzuführen ist.
Die beschleunigte demographische Alterung ist eine Folge der weiteren Zunahme der Lebenserwartung und der tiefen Geburtenhäufigkeit, mit der die Zahl der Kinder, der Heranwachsenden und der jungen Erwachsenen sinkt. Gleichzeitig mit diesen beiden Entwicklungen kommt auch noch die Baby-Boom-Generation ins Rentenalter. Auswirkungen dürften sich vor allem bei den Ausgaben für die soziale Sicherung, beim Arbeitsmarkt und bei der Bildung zeigen. Insbesondere die Zukunft der Sozialversicherungen wie AHV, IV oder ALV hängt wegen des Umlageverfahrens ausgeprägt von der demographischen Entwicklung ab. Die entsprechenden politischen Diskussionen erhielten im Berichtsjahr durch die Publikation des IDA-FiSo-Berichtes (siehe unten, Teil I, 7c, Grundsatzfragen) zusätzlichen Zündstoff. Die Arbeiten des BFS bestätigten die diesem Bericht zugrundeliegenden demographischen Annahmen. Das Verhältnis von Personen im erwerbsfähigen Alter zu Personen im Rentenalter von heute 4:1 wird sich in den kommenden 40 Jahren auf gegen 2:1 verändern.
Massgebend für die Finanzierung der AHV ist nicht allein die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, sondern auch die Erwerbsquote, also wie viele Leute tatsächlich und in welchem Umfang einer bezahlten Beschäftigung nachgehen. Dabei wird vor allem das künftige Verhalten der Frauen eine Rolle spielen. Gemäss dem Trend der Vergangenheit wird sich die Erwerbsneigung der Frauen sehr wahrscheinlich weiter leicht erhöhen. Dem stehen aber längere Ausbildungszeiten und die Möglichkeiten der Frühpensionierung gegenüber, weshalb nicht mit einer markanten Veränderung der Erwerbsquote gerechnet wird. Entsprechend ist bis etwa 2005 nicht mit einem demographisch bedingten Rückgang der Arbeitslosigkeit zu rechnen.
Wie bereits in früheren Szenarien dargestellt, sind es in erster Linie die zugewanderten Ausländerinnen und Ausländer, welche die Bevölkerung der Schweiz in Vergangenheit und Gegenwart statistisch relativ jung erhalten haben. Ihr Durchschnittsalter liegt sieben Jahre unter dem der Schweizerinnen und Schweizer. Allerdings wird nicht damit gerechnet, dass die Einwanderung die demographische Alterung weiterhin massgebend abschwächen wird. Das BFS erwartet, dass der Ausländeranteil zwar noch auf 22% zunehmen, anschliessend aber konstant bleiben wird. Dabei dürfte nach Ansicht des BFS das Wachstum der ausländischen Wohnbevölkerung grösstenteils bei den Nicht-EU-Bürgern erfolgen, wie dies schon aufgrund der Volkszählung von 1990 festzustellen war. Insofern spielt im demographischen Bereich auch die Integrationsfrage eine untergeordnete Rolle. Diese Aussage wird gestützt durch die Erfahrungen anderer Staaten, bei denen ein EU-Beitritt den Ausländeranteil kaum verändert hat. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sich die Migrationsströme globalisiert haben  [1].
Für Vorstösse zur Neuausrichtung der eidgenössischen Volkszählungen und zu den Forderungen nach besserer statistischer Erfassung der Bevölkerung oder einzelner Gruppen, siehe oben, Teil I, 1b (Datenschutz und Statistik).
 
[1] Lit. Bundesamt für Statistik und Priester.1