Année politique Suisse 1997 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Gerichte
Die Verfassungskommissionen beider Räte befassten sich mit den im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung gemachten Vorschlägen für eine
Justizreform und stimmten den Anträgen des Bundesrates grundsätzlich zu. Das Konzept, das auf eine Entlastung des Bundesgerichts durch
Zugangsbeschränkungen sowie durch die Stärkung der kantonalen und eidgenössischen Vorinstanzen setzt, wurde aber im Detail nicht von beiden Kommissionen identisch formuliert. Während sich die Ständeratskommission weitgehend an die Bundesratsversion hielt, gab sich die Nationalratskommission grosszügiger. Die Ständeratskommission beschloss Zugangsbeschränkungen auf gesetzlichem Weg für alle Fälle, bei denen es nicht um grundlegende Rechtsfragen geht; die Nationalratskommission möchte diese Restriktionen hingegen nur für Fälle zulassen, die von untergeordneter Bedeutung oder offenbar unbegründet sind. Beide Varianten wurden von der SP bekämpft. Sie schlug als Alternative einen personellen Ausbau vor und möchte neben Fachgerichten für Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht auch ein nicht direkt anrufbares siebenköpfiges Richtergremium schaffen, welches Grundsatzentscheide und -auslegungen an sich ziehen und beurteilen kann
[52].
Um die Justizreform zu beschleunigen und auch den Verfassungstext zu konkretisieren, liess Bundesrat Koller von einer Expertenkommission einen
Gesetzesvorentwurf ausarbeiten; dieser ging im Herbst in die Vernehmlassung. Er sieht vor, das ein dreiköpfiges Richtergremium der zuständigen Abteilung eine Vorprüfung durchführt. Nicht zugelassen werden sollen offensichtlich unbegründete Beschwerden, sowie Fälle, bei denen der angefochtene Entscheid mit der unbestrittenen Bundesgerichtspraxis übereinstimmt, und Fälle mit "querulatorischer" Prozessführung. Die Streitwertgrenze für vermögensrechtliche Zivilklagen, welche nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind, soll zudem von 8000 auf 20 000 Fr. erhöht werden
[53].
[52]
BBl, 1998, S. 436 f. und 494;
NZZ und
TA, 28.5.97;
NZZ, 3.7.97;
SGT, 29.11.97. Siehe auch
Lit. Raselli resp. Gabathuler sowie
Plädoyer, 1997, Nr. 3, S. 21 ff. Vgl.
SPJ 1996, S. 38.52
[53] Presse vom 7.10.97. Vgl. auch die Kritik am Entwurf in
NZZ, 4.12.97.53
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