Année politique Suisse 1997 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Wahlen in kantonale Parlamente
Für die detaillierten Resultate siehe die Tabellen im Anhang (
anhang_1997.pdf). Zu den Parteien vgl. auch Teil IIIa.
Im Berichtsjahr wählten sechs Kantone (AG, GE, GR, NE, SO und VS) ihr Parlament neu. Hiess die
Wahlsiegerin letztes Jahr noch SVP, so erzielte im Berichtsjahr mit 22 zusätzlichen Sitzen die
SP die höchsten Gewinne. Sie legte dabei in der Deutschschweiz auf Kosten der Grünen, dem LdU und linken Kleinparteien, in der Westschweiz hingegen auf Kosten der bürgerlichen Parteien CVP, FDP und Liberale zu. Die CVP verlor insgesamt neun, die FDP sechs und die LP vier Mandate. Dagegen gewann die SP in allen sechs wählenden Kantonen Sitze dazu. In Genf errang der Linksblock gar erstmals eine - wenn auch knappe - Mehrheit im Parlament. Damit ist
Genf seit dem zweiten Weltkrieg der
erste Kanton, der ein Parlament mit linker Mehrheit erhielt, auch wenn sich diese nur von der Sitzanzahl, nicht aber von den Wähleranteilen her ergab (siehe weiter unten)
[1].
Die zweite Siegerin, die SVP, holte ihre zusätzlichen Sitze bei der Freiheits-Partei. Während die SVP in den Kantonen Aargau und Solothurn 18 Sitze dazugewann, verlor die Freiheits-Partei in diesen beiden Kantonen deren 18 und musste damit wie bereits im letzten Jahr von allen Parteien die grössten Sitzeinbussen verbuchen. Aargauer und vor allem Solothurner SVP lassen sich dem konservativen Flügel der SVP zuzählen. Dagegen verlor in Graubünden die sich dem liberalen Flügel zuordnende SVP einen Sitz.
Die Grünen verloren insgesamt einen Sitz, überraschten aber in Genf, wo man wegen des geltenden Quorums bereits über ein Ausscheiden der Partei aus dem Parlament spekuliert hatte, mit einer klaren Wiedererstarkung und zwei Sitzgewinnen. Bei der PdA/Linksallianz glichen sich zwei Sitzgewinne in Neuenburg mit zwei Sitzverlusten in Genf aus. Der LdU verlor im Kanton Aargau nach internen Querelen drei Sitze und den Fraktionsstatus, während die EVP ihre acht Sitze verteidigen konnte. Eher überraschend legten im Aargau die Schweizer Demokraten um vier Sitze zu, und die religiös-rechte EDU konnte mit einem Sitz neu ins Parlament einziehen. Im Kanton Graubünden verlor die DSP einen Sitz.
Die
Bundesratsparteien SP, CVP, FDP und SVP
legten insgesamt weiter zu (+24 Sitze), auch wenn für diese Erstarkung ausschliesslich SVP und SP verantwortlich sind. Dieser Trend, der die letzten Nationalratswahlen von 1995 geprägt hatte, setzte sich also auf kantonaler Ebene fort
[2].
Die letzten Parlamentswahlen von 1993 hatten unter dem Eindruck der Nichtwahl von Christiane Brunner (sp, GE) zur Bundesrätin gestanden
[3] und hatten insbesondere im linken Lager einen gewaltigen Solidarisierungs-Effekt ausgelöst (
"Brunner-Effekt"). In den fünf in diesem Jahr wählenden Kantonen Aargau, Solothurn, Genf, Neuenburg und Wallis (Graubünden wählte 1994) hatte sich der Frauenanteil massiv erhöht; in Solothurn und Neuenburg verdreifachte resp. verdoppelte sich ihre Vertretung sogar.
Die damals erzielten Mandatsgewinne konnten die Frauen 1997 nur zum Teil verteidigen. In den Kantonen Aargau und Solothurn sank ihr Besitzstand um 2,5% resp. um gar 4,8%. In Genf stagnierte er bei 36%, womit die Genfer Frauen gesamtschweizerisch ihren Spitzenplatz aber verteidigen konnten. In Neuenburg und im Graubünden erhöhte sich der Frauenanteil leicht, um eine Vertreterin resp. um zwei Vertreterinnen. Dagegen machten die Walliser Frauen nach 1993 nochmals einen gewaltigen Sprung nach vorne: Sie erhöhten ihre Sitzzahl um einen Drittel, von 10,8% auf 16,2%. Gesamtschweizerisch nahm der Frauenanteil in den kantonalen Parlamenten um zwei Sitze bzw. ein Promille ab und lag damit Ende 1997 bei
23,1% (694 von 2999)
[4].
Bei den Wahlen in den 200köpfigen Aargauer Kantonsrat kam es innerhalb der beiden insgesamt praktisch unverändert starken Blöcke insbesondere bei den Bürgerlichen zu starken Verschiebungen.
Eindeutige Wahlsiegerin war die
SVP, die elf zusätzliche Sitze erobern konnte (47) und damit die FDP als zweitstärkste Partei überholte. Die SVP gewann ihre Sitze
auf Kosten der
Freiheits-Partei, die gleich 15 ihrer 1993 gewonnenen 19 Sitze und damit auch den Fraktionsstatus verlor. Für die FDP zahlte sich die Aufnahme von vier FP-Grossräten im Vorjahr, die sie vorübergehend zur grössten Fraktion machte, nicht aus: Gegenüber 1993 büsste die FDP nur ein Mandat, gegenüber 1996 aber fünf Mandate ein. Überraschend gewannen dafür die Schweizer Demokraten, die das "Ausländerparadies Schweiz" thematisierten, vier Sitze dazu und erlangten damit wieder Fraktionsstärke. Die CVP konnte ihre Sitzzahl (37) halten, nachdem sie die FDP wegen der Aufnahme der FP-Grossräte stark kritisiert hatte und mit den traditionellen Partnern FDP und SVP keine Listenverbindung mehr eingegangen war. Die rechtsreligiöse EDU zog mit einem Sitz neu ins Kantonsparlament ein, während der erstmals angetretenen Katholischen Volkspartei kein Erfolg beschieden war. Im Mitte-Links-Spektrum gewann die
SP vier Sitze dazu (48) und
bleibt damit mit einem Vorsprung von einem Sitz auf die SVP
stärkste Partei im Parlament. Wähleranteilmässig wurde die SP (21,7%) jedoch von der SVP (21,9%) überholt. Stärkste Nichtregierungspartei ist anstelle der Freiheits-Partei neu die EVP mit unverändert acht Sitzen. Der durch interne Querelen geschwächte LdU verlor drei Mandate (2), die Grüne Partei ein Mandat (6). Die Frauen, die 1993 im Zuge des "Brunner-Effekts" zusätzliche 26 Sitze erobert hatten, konnten ihren Besitzstand nicht wahren: ihre Vertretung sank um fünf Sitze resp. 2,5%. Die Stimmbeteiligung erreichte mit 31,7% einen neuen historischen Tiefstwert
[5].
Als erster Kanton in der Nachkriegszeit wählte Genf ein Parlament mit - wenn auch knapper - linker Mehrheit. Der Linksblock bestehend aus SP, Grünen und Linksallianz eroberte sieben zusätzliche Sitze und hält neu 51 von 100 Sitzen. Während die SP mit sieben zusätzlichen Sitzen (22) erwartungsgemäss am kräftigsten zulegte, konnten die Grünen, denen wegen des in Genf geltenden 7%-Quorums bereits die Abwahl aus dem Grossen Rat prophezeit worden war, eher überraschend zwei Sitze zulegen (10). Ihre Mandate gut verteidigt hat auch die Linksallianz, die 1993 aus der PdA, heimatlosen Linken und SP-Abtrünnigen wie Ex-Stadtrat Christian Grobet entstanden war und auf Anhieb 21 Mandate holte. Sie verlor nur zwei Mandate und etablierte sich damit als linker Flügel des Parteienspektrums so stark wie in keinem anderen Kanton. Auf bürgerlicher Seite mussten die Liberalen mit vier Sitzen den grössten Verlust verkraften. Mit 23 Sitzen bleiben sie zwar stärkste Partei, die SP folgt ihnen aber auf dem Fuss. Die FDP verlor einen (14), die CVP zwei (12) Sitze.
Fast 7% der Wählerstimmen verloren FDP, CVP und Liberale
an zwei
rechtsbürgerliche Listen, die Schweizer Demokraten (2,5%) und "Respect de la volonté populaire" (4,5%), die das Quorum aber nicht schafften. Damit halten die Linksparteien, die 47,2% der Stimmen auf sich vereinigten, nur in der Anzahl der Sitze, nicht aber in Wähleranteilen, eine Mehrheit. FDP, CVP und Liberale erhielten 45,9% der Stimmen. Die Frauen konnten ihren Sitzanteil von 36% halten, womit sie gesamtschweizerisch weiterhin an der Spitze stehen
[6].
Im Kanton Graubünden, wo der 120köpfige Grosse Rat alle drei Jahre gewählt wird, blieb das
parteipolitische Kräfteverhältnis praktisch unverändert. Mit drei Sitzgewinnen war die SP (10) eigentliche Siegerin. Sie erreichte aber damit nur wieder denselben Sitzstand wie vor einem Jahrzehnt, vor der Abspaltung der - inzwischen zur Bedeutungslosigkeit geschrumpften - Demokratisch-Sozialen Partei (DSP). Nach wie vor liegt die SP weit hinter den anderen Bundesratsparteien zurück. Die SVP konnte ihre Position als stärkste Bündner Partei verteidigen (40), büsste aber einen Sitz ein, während die CVP (38) ihren Besitzstand wahren konnte. Die FDP legte ein Mandat zu (27). Während die CSP ihre drei Sitze verteidigen konnte, stellt die DSP nach dem Verlust eines Sitzes nur noch gerade einen Vertreter im Grossen Rat. Mit der Wahl einer Parteilosen gelang es den kleinen Parteien, die Fraktion der Unabhängigen (CSP, DSP und Parteilose), für die fünf Mitglieder nötig sind, zu erhalten. Die Frauen, die ihre Vertretung bei den letzten Wahlen mehr als verdoppelt hatten, halten mit zwei zusätzlichen Sitzen (20) nun einen Anteil von 16,7%
[7].
Bei den Wahlen in den 115köpfigen Neuenburger Kantonsrat erhielt die
FDP die
Quittung für ihre Verwicklung in verschiedene Affären [8]. Sie verlor gleich fünf Sitze (24) und wurde damit klar von der anderen bürgerlichen Partei, den Liberalen, distanziert, die ihre 38 Sitze halten konnte. Von den fünf FDP-Sitzen gingen zwei an die SP (41), die damit ihre Stellung als grösste Fraktion ausbauen konnte. Ebenfalls zwei Sitze zulegen konnte die PdA/POP (6), während die Gruppierung Solidarités einen Sitz gewann und damit neu in den Grossen Rat einziehen konnte. Die Grünen konnten ihre fünf Mandate halten. Erwartungsgemäss gelang es der erst Wochen vor den Wahlen gegründeten CVP nicht, das nötige Quorum von 10% in einem Wahlkreis zu erreichen. Sie musste sich mit insgesamt 0,6% der Stimmen zufrieden geben. Der Vorsprung der bürgerlichen Seite gegenüber der Linken liegt nun wieder wie 1981 bei 9 Mandaten. Der Frauenanteil erhöhte sich mit einer zusätzlichen Vertreterin (33) nur leicht, auf 28,7%
[9].
In Solothurn blieben bei den Wahlen in den 144köpfigen Kantonsrat die Kräfteverhältnisse stabil: Im links-grünen Lager (44) wogen zwei Sitzgewinne der SP (38) zwei Sitzverluste der Grünen (6) auf. Im bürgerlichen Lager ergab sich eine deutliche
Verschiebung von der CVP zugunsten der SVP, die nach 52 Jahren wieder in den Kantonsrat einzog. Die CVP büsste vier Sitze ein (35) und wurde damit von der SP als zweitstärkste Partei abgelöst. Die dem Zürcher Flügel zuzuordnende SVP gewann sieben Sitze und erreichte damit auf Anhieb Fraktionsstärke. Sie nahm neben der CVP auch der Freiheits-Partei Stimmen ab, die drei Sitze (4) und damit den Fraktionsstatus verlor. Dabei hatte die FP bei den Nationalratswahlen 1995 in Solothurn als einzigem Kanton noch zugelegt. Die FDP bleibt mit unverändert 54 Sitzen klar stärkste Partei. Kurz nach den Wahlen wurde ein SP-Parlamentarier der
Wahlfälschung überführt, was zu einer
Änderung der Parlamentszusammensetzung führte: Die SP musste einen Sitz an die CVP abgeben, womit die SP noch über 37 Mandate und die CVP neu über 36 Sitze verfügt. Die Frauen, die ihre Sitzzahl 1993 mehr als verdoppeln konnten und mit gesamtschweizerisch 34,7% den zweithöchsten Anteil erreichten, konnten ihre Sitzzahl nicht verteidigen: Ihre Vertretung sank auf 29,9%; drei Viertel aller Abgewählten waren Frauen
[10].
Aus den Walliser Grossratswahlen ging die
SP als Siegerin hervor. Sie konnte ihre Fraktion im 130köpfigen Parlament um fünf Sitze auf 21 vergrössern und trat damit endgültig aus ihrer Randposition heraus. Die SP gewann ihre Sitze insbesondere
auf Kosten der CVP, die vier Sitze verlor, mit 71 Sitzen - davon stellt die CSP unverändert 14 - allerdings weiterhin die absolute Mehrheit hält. Die CVP verdankt ihre Mehrheit im Kanton heute aber nur noch ihrer starken Stellung im Oberwallis, wo sie in allen Bezirken die Mehrheit oder zumindest die Hälfte der Grossräte stellt. Im französischen Kantonsteil ist das nur noch in zwei Bezirken der Fall. Die FDP trat an Ort (34), ebenso wie die Liberalen (4). Als einzigem Kanton nahm im Wallis die Frauenvertretung markant zu, nämlich um einen Drittel, von 14 auf 21 Sitze (16,2%)
[11].
[1] In BS spielt die DSP seit 1996 Zünglein an der Waage, sie kann aber nicht zur Linken gezählt werden.1
[2] Vgl. dazu auch "Kleinparteien im Sauerstoffzelt", in
NZZ, 5.3.97.2
[3] Zur Nichtwahl von Brunner und den Auswirkungen auf die kantonalen Wahlen von 1993 siehe
SPJ 1993, S. 32 ff. und 53.3
[4] Die Vergleiche basieren auf den kantonalen Wahlen 1993 bzw. 1994 (GR). Später ins Parlament nachrutschende bzw. zurücktretende Frauen wurden nicht berücksichtigt. Zu Frauenanteilen und Initiativen, die eine Frauenquote fordern, siehe auch unten, Teil I, 7d (Frauen).4
[5] Wahlen vom 2.3.97: Presse vom 3.3.97. Zum Abfall von sechs Aargauer FP-Grossräten sowie einem FP-Nationalrat siehe
SPJ 1996, S. 366.5
[6] Wahlen vom 12.10.97: Presse vom 13. und 14.10.97. Ab 1938 hatte Basel-Stadt für drei Jahre ein Parlament mit linker Mehrheit.6
[7] 1. Wahlgang vom 4.5.97: Presse vom 5.5.97;
BüZ, 6.5.97. 2. Wahlgang vom 25.5.97: Presse vom 26.5.97.7
[8] Siehe dazu weiter unten, Regierungswahlen (NE).8
[9] Wahlen vom 20.4.97: Presse vom 21.4.97.9
[10] Wahlen vom 2.3.97: Presse vom 4.3.97. Fall "Berva" und neue Zusammensetzung:
TA, 10.4.97.10
[11] Wahlen vom 2.3.97: Presse vom 3.3.97.11
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