Année politique Suisse 1997 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Wahlen in kantonale Regierungen
Im Wallis
verzichteten gleich drei bisherige CVP-Regierungsräte auf eine Wiederwahl, womit sich insbesondere für die Sozialdemokraten eine Chance eröffnete, der seit 140 Jahren ohne Unterbruch mit absoluter Mehrheit regierenden CVP/CSP einen Sitz streitig zu machen. Ins Rennen ziehen konnten sie dabei mit einer national bekannten Figur, dem Präsidenten der SP Schweiz und Nationalrat Peter Bodenmann. Während die FDP mit dem Bisherigen Serge Sierro antrat, portierten die CVP/CSP neben dem Bisherigen Wilhelm Schnyder (csp) neu Jean-Jacques Rey-Bellet, Jean-René Fournier und Peter Furger (alle cvp). Der CVP-Dissident und ehemalige Nationalratspräsident Paul Schmidhalter, der aufgrund eines Streites um Autobahnvarianten gegen Furger kandidierte, sowie Michel Carron (parteilos), der Opfer der Bankenaffäre Dorsaz
[20] geworden war, traten als Protestkandidaten an. Im
ersten Wahlgang erreichte nur gerade der Oberwalliser Schnyder das absolute Mehr. Die CVP-Kandidaten Fournier und Rey-Bellet belegten die Plätze zwei und drei, während der Bisherige Sierro den vierten Rang erreichte. Bodenmann konnte sich deutlich vor dem vierten Christlichdemokraten Furger auf Rang fünf platzieren, dem Carron und Schmidhalter auf den letzten beiden Plätzen folgten.
Der
zweite Wahlgang war von taktischen Schachzügen geprägt. Um ihren vierten Sitz zu retten, bewegte die CVP Furger dazu, seine Kandidatur zurückzuziehen und stieg stattdessen für den zweiten Wahlgang mit einer Frau, der Visper Gemeindepräsidentin Ruth Kalbermatten, ins Rennen. Diese erhielt damit die Chance, als erste Frau in die Walliser Regierung einzuziehen. Um die Wahl des Freisinnigen Sierro nicht zu gefährden und um gleichzeitig eine Oberwalliser Mehrheit - das deutschsprachige Oberwallis stellt weniger als 30% der Bevölkerung - bestehend aus Schnyder, Kalbermatten und ihm selbst zu vermeiden, verlegte Bodenmann seinen Wohnsitz vom Bezirk Brig in den Bezirk Visp, die Stammlande von Kalbermatten. Da die Walliser Verfassung verbietet, dass zwei Staatsräte aus dem gleichen Bezirk stammen, musste es so zu einem Entscheid zwischen Kalbermatten und Bodenmann kommen. Damit war der FDP-Kandidat so gut wie gewählt, und die FDP sprach sich im Gegenzug offiziell für den Kandidaten der SP aus. Die Rechnung von
Peter Bodenmann ging auf: Er erzielte im zweiten Wahlgang das beste Resultat und zog als
erster Sozialdemokrat in die Walliser Regierung ein. Hinter ihm folgten der Freisinnige Sierro sowie die beiden CVP-Kandidaten Fournier und Rey-Bellet, die damit ebenfalls gewählt wurden. Der erstmalige Griff zum Frauenbonus ging für die CVP nicht auf: Kalbermatten, die aus Krankheitsgründen kaum einen Wahlkampf bestreiten konnte, landete auf dem fünften Platz und verpasste damit den Einzug in die Regierung. Carron belegte den letzten Platz; Schmidhalter war nicht mehr angetreten. Damit wurde die sechzigjährige Regierungsformel (4 CVP, 1 FDP) geknackt. Während die SP vom Vorwurf verschont blieb, sie hätte mit ihrem "Papiertrick" eine Frauenwahl verhindert, musste sich die CVP auch in CVP-Hochburgen Kritik an ihrem langjährigen System der Machterhaltung und Klientelwesen gefallen lassen
[21].
[20] Jean Dorsaz, Leiter einer Walliser Kantonalbankfiliale, spekulierte hemmungslos und bescherte der WKB ein 130-Mio-Loch. Carron reichte 1987 als erster Strafklage ein, diese wurde von der CVP-dominierten Walliser Justiz aber schubladisiert. Der Regierung und insbesondere dem damaligen Finanzminister Hans Wyer (csp) wurde später vorgeworfen, ihre Aufsichtspflicht nur ungenügend wahrgenommen zu haben.20
[21] 1. Wahlgang vom 2.3.97: Presse vom 3.3.97. 2. Wahlgang vom 16.3.97: Presse vom 17.3.97;
TA, 18.3.97. Zur Wahltaktik:
NZZ, 28.2.97;
SoZ, 9.3.97. Die CVP besteht im Wallis aus drei eigenständigen Parteien: der CVP Oberwallis, der CSP Oberwallis (Schnyder) und der CVP im französischsprachigen Kantonsteil, die traditionell getrennt im Mittelwallis (Fournier) und im Unterwallis (Rey-Bellet) Kandidaten nominiert. Die Oberwalliser CVP stellt neu keinen Staatsrat mehr.21
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