Année politique Suisse 1997 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
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Weltwirtschaft
Das wirtschaftliche Wachstum verstärkte sich 1997. Im OECD-Bereich verzeichneten wie bereits im Vorjahr die USA und Grossbritannien hohe Wachstumsraten, aber auch in den Industriestaaten auf dem europäischen Festland setzte sich die Belebung, welche im Sommer 1996 eingesetzt hatte, fort. In Japan wurde hingegen der Wiederaufschwung im Herbst durch eine durch den Zusammenbruch mehrerer Finanzinstitute ausgelöste Finanzkrise unterbrochen. Die meisten mitteleuropäischen Reformstaaten verzeichneten ebenfalls eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Die Staaten Osteuropas kämpften hingegen weiterhin mit grossen Problemen. In Russland ging immerhin zum ersten Mal seit 1991 die Produktion nicht weiter zurück; in der Ukraine konnte wenigstens die Rückgangsrate abgebremst werden. Die neuen Industriestaaten im südostasiatischen Raum (v.a. Südkorea und Indonesien) erlitten hingegen einen Rückschlag. Strukturelle Ungleichgewichte mit steigenden Defiziten in der Leistungsbilanz und der Anstieg des Dollarkurses, an den die meisten ihre Währung gebunden hatten, stürzten sie in eine Finanzkrise; einige von ihnen sahen sich gezwungen, beim IWF und bei Drittstaaten um Finanzhilfe nachzusuchen. In Lateinamerika verbesserte sich die Situation weiter. Die in Afrika bereits 1996 festgestellte Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung bestätigte sich im Berichtsjahr.
Die Teuerung blieb im OECD-Raum weiterhin niedrig. Namentlich in den USA, in Frankreich, in Italien und in vielen kleineren Industriestaaten bildete sich die Inflationsrate zurück. In den EU-Staaten reduzierte sich die Teuerungsrate von 2,5% auf 2,0%. Trotz verstärktem Wirtschaftswachstum nahm die Arbeitslosigkeit nicht überall ab. In Deutschland wuchs sie sogar weiter an, in Frankreich und Italien verharrte sie auf ihrem hohen Vorjahresstand. Rückläufig war sie hingegen weiterhin in den USA und in Grossbritannien, und erstmals auch wieder in vielen kleinen Industriestaaten Europas. In der EU stagnierte die durchschnittliche Arbeitslosenquote bei 11,1% [5].
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Schweiz
Die schweizerische Konjunkturlage entwickelte sich vom zweiten Quartal an positiv. Nachdem schon im Vorjahr die Entwicklung des realen Bruttoinlandprodukts nicht so negativ ausgefallen war, wie dies erste Berechnungen ergeben hatten (nur -0,2% statt -0,7%), wurde 1997 ein durchschnittliches Wachstum um 0,7% verzeichnet. Für den Aufschwung waren in erster Linie die Exporte verantwortlich, welche von der Konjunkturbelebung im Ausland und von der 1996 eingetretenen Abschwächung des Frankenkurses profitierten. Die Wachstumsrate der Güterexporte vervierfachte sich gegenüber dem Vorjahr von 2% auf 8%. Die verbesserten Wirtschaftsaussichten wirkten sich auch auf die Importe, namentlich von Rohstoffen und Halbfabrikaten sowie Investitionsgütern aus; insgesamt steigerte sich die Wachstumsrate der realen Güterimporte von 2,5% auf 6,7%. Die aufgehellte Stimmung führte auch zu einer Belebung des privaten Konsums (+0,9%) und der Ausgaben für Ausrüstungsinvestitionen (+1,5%). Die Bauinvestitionen bildeten sich hingegen weiter zurück (-4%), wobei in der zweiten Jahreshälfte das staatliche Impulsprogramm (siehe dazu unten) wenigstens im Tiefbau für eine Belebung sorgte. Trotz diesem Impulsprogramm war der staatliche Konsum weiterhin rückläufig. Der Handelsbilanzüberschuss reduzierte sich auf 0,3 Mia Fr. Nicht zuletzt infolge eines Anstiegs des Fremdenverkehrs, aber auch infolge der Kommissionserträge der Banken im weiterhin boomenden Börsengeschäft verbesserte sich der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz um 2,1 Mia Fr. auf 17,7 Mia Fr. Der Ertragsbilanzüberschuss erhöhte sich um 3,9 Mia Fr. auf 30,3 Mia Fr. [6].
Die Arbeitsmarktsituation hat sich 1997 nicht gebessert. Damit bestätigte sich die bereits nach früheren Rezessionsphasen gemachte Erfahrung, dass sich ein Konjunkturaufschwung erst mit einiger Verzögerung auf die Beschäftigung auswirkt. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm im Jahresmittel um 0,2% ab. Im Industriesektor (inkl. Baugewerbe) setze sich der Abbau fort (-4,5%), während die Zahl der Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich um 1,3% zunahm. Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) ergab sich vor allem bei den Beschäftigten mit Anstellungen zwischen 50% und 89% ein Anstieg (5,6%); die Zahl der Vollzeitbeschäftigten bildete sich hingegen um 1,6% zurück. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen nahm bis Februar noch zu (206 291) und bildet sich dann bis Jahresende auf 180 549 zurück (nicht saisonbereinigte Werte). Ein guter Teil dieses Rückgangs war allerdings auf erstmals angebotene staatliche Beschäftigungs- und Weiterbildungsprogramme zurückzuführen; deren Teilnehmer sind während der Programmdauer nicht in der Arbeitslosenstatistik enthalten. Die Arbeitslosenquote stieg im Jahresmittel auf 5,2%, im Dezember betrug sie noch 5,0%. Die Quote lag in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin mit 7,0% immer noch deutlich über derjenigen der Deutschschweiz (4,5%). Der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen erhöhte sich weiter und betrug im Jahresmittel 47%. Die für internationale Vergleiche konzipierte SAKE des Bundesamtes für Statistik wies im 2. Quartal 1997 eine Arbeitslosenquote von 4,1% aus (1996: 3,7%) [7].
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung bildete sich weiter zurück, und zwar von 0,8% im Januar auf 0,4% im Dezember. Im Jahresmittel betrug sie 0,5% und erreichte damit den tiefsten Stand seit 1959. Die Preise für Importgüter und -dienstleistungen stiegen mit 0,7% etwas stärker als für solche aus dem Inland (0,5%). Beim Preisindex der Produzenten- und Importpreise fiel die Zuwachsrate mit 0,8% (Vergleich der Dezemberwerte) etwas höher aus. Verantwortlich dafür waren die auch wegen dem abgeschwächten Frankenkurs zum Teil massiv gestiegenen Importpreise (3,0%), namentlich für Rohstoffe (16%) [8].
 
[5] SNB, Geschäftsbericht, 90/1997, S. 7 ff.5
[6] SNB, Geschäftsbericht, 90/1997, S. 18 ff. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur suisse) sowie Die Volkswirtschaft, 71/1998, Nr. 4, S. 12 ff. Zu den revidierten Erfassungsmethoden vgl. R. Meyer, "Die neue Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung", in Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 7, S. 34 ff. Analytisch zur schweizerischen Wirtschaftsentwicklung siehe Lit. Surchat.6
[7] Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 5, S. 22* und 71/1998, Nr. 3, S. 23*; SNB, Geschäftsbericht, 90/1997, S. 20. Siehe dazu auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).7
[8] Die Volkswirtschaft, 71/1998, Nr. 2, S. 15 f.*; SNB, Geschäftsbericht, 90/1997, S. 22.8