Année politique Suisse 1997 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Strukturpolitik
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KMU
Das Parlament behandelte wie bereits im Vorjahr eine Vielzahl von Vorstössen, welche forderten, durch eine Straffung und Vereinfachung der Verfahrensvorschriften und Bewilligungen die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu verbessern. Der Ständerat überwies mit 16 zu 13 Stimmen eine Motion Forster (fdp, SG), welche verlangt, dass bei Botschaften zu neuen Gesetzesprojekten jeweils auch die Auswirkungen auf die KMU dargestellt werden. Der Bundesrat hatte vergeblich auf den zusätzlichen Aufwand - auch für die KMU - hingewiesen, den diese Vorabklärungen verursachen würden; seiner Ansicht nach wäre es ausreichend, wenn die Wirtschaft weiterhin ihre Interessen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens artikulieren kann. Der Vorstoss verlangt vom Bundesrat zudem, innert Jahresfrist einen Bericht vorzulegen, der auflistet, welche Gesetze und Verordnungen er revidieren will, um die KMU administrativ zu entlasten. Der Nationalrat stimmte dieser Motion in der Wintersession ebenfalls zu [18]. Ähnliches verlangte auch ein überwiesenes Postulat von Nationalrat David (cvp, SG), indem es vom Bundesrat eine Aufzählung aller eidgenössischen Bewilligungsverfahren verlangt; er soll diese dann in Hinsicht auf ihre Nützlichkeit bewerten und Vorschläge zu ihrer Ersetzung durch andere Instrumente (z.B. Lenkungsabgaben) machen. Der Nationalrat hiess auch denjenigen Teil einer Motion Cavadini (fdp, TI) gut, der für Bewilligungsverfahren der Bundesverwaltung zeitlich definierte Fristen einführen will; weitere Vorschläge dieser Motion für eine Beschleunigung der Prozeduren (z.B. Einrichtung von Zentralstellen oder Expressverfahren für bestimmte Fälle von Gesuchen) wurden in Postulatsform umgewandelt. Der Nationalrat überwies ferner eine Motion Widrig (cvp, SG), welche unter anderem Fristen bei der erstinstanzlichen Behandlung von Gesuchen fordert, und eine Motion Loeb (fdp, BE) in Postulatsform, welche verlangt, dass bei der Formulierung von Gesetzen und Verordnungen mehr auf leichte Verständlichkeit und Anwendbarkeit geachtet wird [19]. Im Rahmen der Beratungen über das Massnahmenpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft verlangten die WAK beider Räte mit Motionen eine Beschleunigung der Abwicklung blockierter oder verzögerter Bewilligungsverfahren sowie die dazu notwendige Anpassung der gesetzlichen Vorschriften. Der Ständerat überwies die Motion seiner WAK zum Teil als Motion, zum Teil als Empfehlung. Der Nationalrat akzeptierte auf Antrag seiner WAK die ganze Motion [20].
Vertreter der SVP erkannten in der in der USA gebräuchlichen sogenannten Sunset-Legislation, d. h. in Gesetzen und Verordnungen die, falls sie nicht explizit erneuert werden, nach einer bestimmten Frist ausser Kraft treten, ein nachahmenswertes Beispiel. Sie mussten sich vom Bundesrat allerdings aufklären lassen, dass diese Art Gesetzgebung auch in der Schweiz mit den befristeten Bundesbeschlüssen seit langem praktiziert wird. Ein Postulat der SVP für ein institutionalisiertes Gesprächsforum zwischen den zuständigen Stellen der Bundesverwaltung und Vertretern der KMU wurde vom Nationalrat überwiesen [21]. Der Ständerat wandelte eine im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Tschopp (fdp, GE) für die Vergabe eines bestimmten Teils der Forschungs- und Entwicklungsaufträge des Bundes an KMU aus formalen Gründen in ein Postulat um [22].
Der vom Bundesrat im März vorgelegte Entwurf für eine Reform der Unternehmensbesteuerung hat das Ziel, die Schweiz für Unternehmen attraktiver zu machen. Die in der Botschaft als ersten Schritt deklarierten Massnahmen sollen vor allem die Bedingungen für Holdinggesellschaften, wo ein starker internationaler Steuerwettbewerb besteht, sowie für neugegründete KMU verbessern [23].
Die WAK des Nationalrats reichte eine parlamentarische Initiative zur Förderung von Risikokapitalanlagen ein. Hintergrund dazu bildete ein Bericht des Bundesrates aus dem Jahre 1995, an welchem die WAK bemängelt hatte, dass darin keine konkreten Massnahmen vorgeschlagen werden. Im Verlaufe ihrer Studien kam die WAK zum Schluss, dass öffentlich-rechtliche Fonds oder gemischtwirtschaftliche Investitionsbanken nicht der geeignete Weg seien. Sie beantragte deshalb einen Bundesbeschluss, der Anlagen in Risikokapitalgesellschaften, welche mindestens 60% ihrer Mittel in neue schweizerische Unternehmungen mit innovativen Produkten investieren, steuerlich privilegiert. Eine Steuerprivilegierung dieser Gesellschaften selbst sei nicht sinnvoll, da diese normalerweise in den Startjahren ohnehin kaum Gewinne ausweisen würden. Hingegen sollen Risikokapitalgeber einen Teil ihrer Anlage im ersten Jahr zu einem höheren Satz als üblich abschreiben (juristische Personen) resp. von der Einkommenssteuer abziehen dürfen. Diese Abzüge sind freilich Höchstgrenzen unterworfen und müssen, falls der Anleger später seine Beteiligung mit Gewinn verkauft, zu diesem Zeitpunkt versteuert werden. Daneben formulierte die WAK drei weitere Vorschläge in Form von Motionen. Die erste fordert, dass die Anlagevorschriften für Pensionskassen in dem Sinne gelockert werden, dass diese vermehrt auch in Risikokapitalgesellschaften investieren dürfen. Eine aus SP-Abgeordneten gebildete Kommissionsminderheit möchte noch weiter gehen. Sie schlug vor, die Pensionskassen zu verpflichten, einen bestimmten Minimalanteil ihrer Gelder in Risikokapitalgesellschaften anzulegen. Die zweite Motion verlangt vom Bundesrat, Schritte einzuleiten, die Risikokapitalgesellschaften, neugegründeten Unternehmungen und anderen KMU den Zugang zu den Börsen erleichtern. Die dritte Motion schliesslich betrifft die Bildungspolitik. Hier werden Massnahmen gefordert, um Studierenden an den Eidgenössischen Hochschulen, den Universitäten und den Fachhochschulen die für eine Unternehmensgründung erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln [24].
Der Bundesrat erklärte sich mit den vorgeschlagenen Massnahmen weitgehend einverstanden. Er wies aber auch auf Definitionsprobleme im Bereich der Risikokapitalgesellschaften hin und schlug einige Detailkorrekturen vor [25]. Der Nationalrat stimmte in der Sommersession dem Bundesbeschluss ohne Gegenstimme zu. Im Anschluss daran überwies er die Motion betreffend Lockerung der Anlagevorschriften für Pensionskassen, lehnte jedoch die Verpflichtung, einen Mindestanteil ihres Vermögens in Risikokapitalgesellschaften anzulegen (Motion der linken Kommissionsminderheit) ab. Die Motion seiner WAK für Kurse in Unternehmensgründung an Hochschulen wandelte er in ein Postulat um [26].
 
[18] Amtl. Bull. StR, 1997, S. 413 ff.; Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2813 ff. Vgl. zu den staatlichen Vorschriften aus der Sicht der KMU auch NR Bangerter (fdp, BE) in NZZ, 12.5.97. Siehe auch Ph. Jeanneret, "Die Stellung der KMU in der Schweizer Wirtschaft", in Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 9, S. 42 ff.18
[19] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 543 f. (David), 1476 f. (Cavadini), 2221 f. (Loeb) und 2456 ff. (Widrig). Siehe für ähnliche Vorstösse auch Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2235 f. (Postulat Hasler, svp, AG), 2254 ff. (Interpellation Cavadini, fdp, TI) und 2846 f. (Postulat Speck, svp, AG). Vgl. auch SPJ 1996, S. 109.19
[20] Amtl. Bull. StR, 1997, S. 369 f.; Amtl. Bull. NR, 1997, S. 742 f. Siehe auch die grundsätzlichen Stellungnahmen des BR zum Bewilligungsverfahren in seiner Antwort auf Interpellationen in Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1564 f. und 1576 f. Zu den Klagen der KMU über die Kreditpolitik der Banken siehe unten, Teil I, 4b (Banken).20
[21] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 546 (Postulat Speck, svp, AG), 601 f. (Interpellation Hasler, svp, AG) und 1491 (Postulat, Forum). Zu einer nicht zustande gekommenen Volksinitiative mit ähnlicher Stossrichtung wie das Sunset-Postulat von Speck siehe oben, Teil I, 1c (Einleitung).21
[22] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 412 f. Vgl. SPJ 1996, S. 110.22
[23] BBl, 1997, II, S. 1164 ff. Zu den konkreten Vorschlägen und ihrer Beratung im Parlament siehe unten, Teil I, 5 (Direkte Steuern).23
[24] BBl, 1997, II, S. 1008 ff. Vgl. auch SPJ 1995, S. 110 und 1996, S. 109 f.24
[25] BBl, 1997, II, S. 1031 ff.25
[26] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1195 ff. und 1204 ff. (Motionen); Bund, 17.6.97.26