Année politique Suisse 1997 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Geld- und Währungspolitik
Die weiterhin ungünstige Wirtschaftslage veranlasste die Nationalbank, ihre
grosszügige Geldpolitik des Vorjahres auch 1997 fortzusetzen. Insbesondere während des ersten Halbjahres versuchte sie, mit einer reichlichen Geldversorgung die kurzfristigen Zinsen tief zu halten und damit eine für die Exportwirtschaft schädliche Höherbewertung des Frankens zu verhindern. Das Geldmengenwachstum hat sich deshalb im Berichtsjahr beschleunigt, es lag aber nach Angaben der Nationalbank immer noch in einem Bereich, der längerfristig die Preisstabilität nicht gefährdet
[1].
Die Nationalbank kündigte an, dass sie auch
1998 ihren geldpolitischen Kurs nicht straffen werde, da nur eine geringe Inflationsgefahr bestehe. Man wolle auf jeden Fall nicht das Risiko eingehen, mit einer Geldverknappung und den sich daraus ergebenden Zinssteigerungen die sich abzeichnende Konjunkturerholung abzuwürgen. Auf ein näher definiertes Geldmengenziel legte sie sich nicht fest. SNB-Präsident Meyer wies aber darauf hin, dass bei allfälligen Wechselkursturbulenzen, wie sie namentlich in Zusammenhang mit der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung Euro nicht auszuschliessen seien, die Nationalbank kurzfristig auch währungspolitische Ziele verfolgen werde
[2].
Der
Wert des Schweizer Frankens im Vergleich zu wichtigen anderen Währungen
stieg im Verlauf des Berichtsjahres
wieder leicht an, blieb aber im Jahresdurchschnitt deutlich unter den Vorjahreswerten. Der inflationsbereinigte Wechselkurs erhöhte sich im Jahresverlauf gegenüber den meisten kontinentaleuropäischen Währungen leicht aber stetig. Gegenüber dem Yen, dem US$ und dem englischen Pfund sank er zuerst noch weiter ab, um sich dann im vierten Quartal ebenfalls zu verbessern. Der exportgewichtete reale Wechselkurs lag im Jahresdurchschnitt um 6,9% unter dem Vorjahreswert; im Jahresendvergleich ergab sich allerdings ein Anstieg um 1,1%
[3].
Die sich immer deutlicher abzeichnende Einführung einer
Einheitswährung in der EU beschäftigte in der Schweiz weiterhin sowohl Experten als auch die Medien. Nachdem im Vorjahr das Bundesamt für Konjunkturfragen im Auftrag des Bundesrates und der Nationalbank verschiedene Szenarien ausgearbeitet hatte, setzte die Regierung im Berichtsjahr eine interdepartementale Arbeitsgruppe ein. Ihre Aufgabe ist es, die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Einführung des Euro zu beobachten und in bezug auf ihre Auswirkungen auf die Schweiz zu untersuchen
[4].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament drei Bundesbeschlüsse über die Beteiligung der Schweiz an den Institutionen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Es handelte sich um die Fortführung der Beteiligung an den Allgemeinen Kreditvereinbarungen sowie um den Beitritt zu den Neuen Kreditvereinbarungen (NVK) und zum Neuen Treuhandfonds. Das Parlament stimmte dem Beitritt zu den NVK noch im Berichtsjahr zu (siehe im Detail oben, Teil I, 2, Organisations internationales).
Auf dem schweizerischen
Geldmarkt setzte sich im ersten Halbjahr die rückläufige Entwicklung des Vorjahres fort. Nach einem leichten Anstieg kam es gegen Jahresende wieder zu einer Reduktion der Zinssätze. Die Zinsen für dreimonatige Geldmarktbuchforderungen des Bundes fielen bis zum Juni auf 1,2%. Sie stiegen dann etwas an, bildeten sich aber im Dezember wieder auf 1,4% zurück. Die
langfristigen Zinssätze bewegten sich auf ähnliche Weise. Die Durchschnittsrendite für eidgenössische Obligationen sank bis Juni auf 3,1%; diesen Wert erreichte sie - nach einem zwischenzeitlichen Anstieg - auch zu Jahresende wieder
[5].
Die Nettobeanspruchung des schweizerischen
Kapitalmarktes stieg nach dem Rückgang im Vorjahr wieder deutlich an, wobei sowohl die Nettokapitalaufnahmen inländischer als auch diejenigen ausländischer Schuldner zunahmen
[6].
Zum Goldhandel der Nationalbank während des 2. Weltkriegs siehe unten, Banken; zu der aus den Goldbeständen der SNB zu alimentierenden Solidaritätsstiftung siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).
Im Vorjahr hatte der Bundesrat beantragt, dass die
Neuorientierung der Reservenpolitik der Nationalbank, wozu insbesondere die Ablösung der Golddeckungspflicht, der Goldparität und der ohnehin obsolet gewordenen Einlösungspflicht gehören, im Rahmen der Totalrevision der
Bundesverfassung erfolgen soll. Die Verfassungskommission des Ständerats stimmte diesem Antrag zu, diejenige des Nationalrats übernahm hingegen diesen Reformvorschlag nicht. Dies geschah aber nicht, um den bisherigen Zustand zu bewahren, sondern um die Reform unabhängig von der Totalrevision der Verfassung zu behandeln und damit zu beschleunigen. Die Verfassungskommission handelte dabei in Übereinstimmung mit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats. Um dieser Forderung nach einem schnellen Verfahren Nachdruck zu verleihen, gab der Nationalrat auf einstimmigen Antrag seiner WAK zudem einer parlamentarischen Initiative Ledergerber (sp, ZH) Folge, welche in detaillierter Form eine vom Parlament auszuarbeitende entsprechende Totalreform der Währungsordnung (d.h. also auch des geld- und währungspolitischen Auftrags an die Nationalbank) verlangt. Als Reaktion auf diesen Druck aus dem Nationalrat kündigte der Bundesrat an, dass er anfangs 1998 eine eigene Vorlage präsentieren werde
[7].
Eine zur Vorbereitung dieser Reform aus Vertretern des EFD, der SNB und der Wissenschaft gebildete Expertengruppe schlug im September vor, dass die Preisstabilität als oberstes Ziel der Geld- und Währungspolitik in die Verfassung hineingeschrieben werden soll. Bei der Realisierung von anderen wirtschaftspolitischen Zielen wie Wachstum oder Vollbeschäftigung soll die Nationalbank den Bund soweit unterstützen dürfen, als damit die Erreichung des stabilitätspolitischen Hauptziels nicht beeinträchtigt wird. Damit wäre die Nationalbankpolitik präziser formuliert als in der bestehenden Verfassung, die eine "dem Gesamtinteresse des Landes dienende" Politik verlangt; sie würde zudem auch der von der EU formulierten Zielhierarchie für die neue Europäische Zentralbank entsprechen. Materiell würde sich freilich wenig ändern, da sich die SNB seit Jahrzehnten primär am stabilitätspolitischen Hauptziel orientiert hat. Ebenfalls eine Anpassung an die bisherige Praxis würde die von den Experten vorgeschlagene verfassungsrechtliche Absicherung der Unabhängigkeit der Nationalbank bedeuten. Es konnte deshalb auch nicht erstaunen, dass der Gewerkschaftsbund als heftigster Kritiker der Nationalbankpolitik der letzten Jahre gegen den vorgeschlagenen Verfassungstext protestierte. Die SP kündigte an, dass sie zusammen mit den Gewerkschaften einen so formulierten Verfassungsartikel in der Volksabstimmung bekämpfen werde.
Die Experten schlugen ebenfalls in bezug auf die Währungsreserven eine vollständige Anpassung an die seit Jahrzehnten geübte Praxis vor, indem sie die Lösung der Goldbindung des Frankens postulierten. Dies würde der Nationalbank eine profitablere Bewirtschaftung der Währungsreserven erlauben, indem ein Teil des Goldes durch zinstragende Anleihen ersetzt werden könnte. Die durch eine marktnähere Bewertung der Goldreserven erzielte Aufwertung der Währungsreserven würde es auch zulassen, mehr als die Hälfte der knapp 2600 Tonnen umfassenden Goldbestände nicht mehr für die Geld- und Währungspolitik zu verwenden, sondern an andere Institutionen zur sukzessiven Umwandlung in zinstragende Anlagen und zur Nutzung dieser Erträge abzutreten.
Bundesrat Villiger sprach sich vor allem aus politischen Gründen, das heisst, um die nur mit einer Verfassungsrevision zu schaffende Finanzierungsgrundlage für die geplante Solidaritätsstiftung (siehe dazu oben, Teil I, 1a, Grundsatzfragen) nicht zu gefährden, für eine
offenere, das heisst weniger ausschliesslich auf die Wahrung der Preisstabilität ausgerichtete
Zielformulierung aus. Nach einigem Zögern schloss sich ihm das SNB-Direktorium an. Zudem äusserte sich Villiger auch skeptisch zum Vorschlag, Goldbestände, welche für die Geldpolitik nicht mehr benötigt werden, an Dritte abzutreten. Seiner Ansicht nach soll die Nationalbank diese Bestände - mit Ausnahme der für die Solidaritätsstiftung vorgesehenen 7 Mia Fr. - selbst bewirtschaften und den Bund und die Kantone im Rahmen der bisherigen Gewinnausschüttung von den erhöhten Erträgen profitieren lassen. Im Dezember kündigte der Bundesrat an, dass er anfangs 1998 einen Entwurf für einen Verfassungsartikel in die Vernehmlassung geben werde, welcher der Nationalbank vorschreibt, eine Geldpolitik im Dienste der Landesinteressen zu praktizieren, wobei die Priorität auf die Geldwertstabilität zu legen sei
[8].
Die Diskussionen um die bessere
Bewirtschaftung der Währungsreserven hatten im Vorjahr zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe durch die Nationalbank und das EFD geführt. Der Bundesrat übernahm nun deren Vorschläge für im Rahmen der bestehenden Verfassungsbestimmungen realisierbare Sofortmassnahmen und unterbreitete dem Parlament eine
Teilrevision des Nationalbankgesetzes. Er schlug darin vor, die bisher auf ein Jahr beschränkte maximale Laufzeit für handelbare Anlagen in ausländischer Währung aufzuheben. Um der Nationalbank mehr Spielraum bei ihrer Anlagepolitik zu geben, soll zudem der Golddeckungssatz für den Notenumlauf von 40% auf 25% gesenkt werden. Diese Änderungen sowie eine Anpassung der Liste der Geschäfte, welche die Nationalbank tätigen darf, an die modernen Finanzinstrumente sollten es dieser erlauben, ihren Jahresgewinn um rund 400 Mio Fr. zu verbessern
[9].
Das Parlament verabschiedete diese Vorlage bereits in der Sommersession. Im
Nationalrat beantragten die Schweizer Demokraten und die Lega Rückweisung, weil sie aus prinzipiellen Gründen gegen eine Veränderung des Golddeckungssatzes für den Notenumlauf waren; sie kündigten bereits an, dass sie sich gegen jegliche für später geplanten Verkäufe resp. Umwandlungen der Goldbestände zur Wehr setzen werden. Der Rat lehnte ihren Antrag mit 154 zu 11 Stimmen ab. Um deutlich zu machen, dass es sich dabei um eine Sofortmassnahme handle, und dass die im Rahmen einer Verfassungsrevision vorgesehene grundlegende Neuorientierung der Reservenpolitik der Nationalbank nicht in den Hintergrund verdrängt werden soll, beantragte die vorberatende Kommission des Nationalrats, den Beschluss für dringlich zu erklären und auf drei Jahre zu befristen. Nachdem sich Bundesrat Villiger insbesondere gegen die Befristung gewandt hatte, lehnt der Rat diese Kommissionsanträge ab. Der Ständerat verabschiedete die Revision ebenfalls in der Fassung des Bundesrates
[10].
Die im Vorjahr von einigen politisch wenig bekannten Genfern lancierte
Volksinitiative "für die Finanzierung aufwendiger und langfristiger Infrastrukturvorhaben" mit den stillen Reserven der Nationalbank kam nicht zustande
[11].
Der Wunsch der SP nach einer
besseren Beaufsichtigung der Nationalbank durch das Parlament scheiterte. Auf Antrag seiner WAK gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative der SP-Fraktion, welche die Vorlage eines halbjährlichen Rechenschaftsberichtes und eine Diskussion darüber im Parlament verlangte, keine Folge. Die Kommission hatte vor allem das Argument ins Feld geführt, dass die Nationalbank allein dem Bundesrat gegenüber verantwortlich sei
[12].
Als Zweitrat stimmte auch der Nationalrat diskussionslos der Revision der Bestimmungen im
Münzgesetz über die Ausgabe von Gedenkmünzen zu
[13].
[1] SNB,
Jahresbericht, 90/1997, S. 32.1
[2] SNB,
Jahresbericht, 90/1997, S. 32; "Die Geldpolitik im Jahre 1998", in
Geld, Währung und Kredit, 1997, S. 257 f.; H. Meyer, "Zur Geldpolitik im neuen Jahr", in
Quartalsheft, 1998, Nr. 1, S. 34 ff.;
Bund und
NZZ, 12.12.97;
TA, 13.12.97.2
[3] SNB,
Jahresbericht, 90/1997, S. 24.3
[4]
NZZ, 28.6.97. Siehe
SPJ 1996, S. 116.4
[5] SNB,
Jahresbericht, 90/1997, S. 24.5
[6] SNB,
Jahresbericht, 90/1997, S. 24.6
[7]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1149 (BR), 165 ff. (pa. Iv.) und 1169 ff. (WAK);
BBl, 1998, S. 397 und 461 (Beschlüsse der Verfassungskommissionen);
TA, 7.3.97;
NZZ, 25.4.97. Siehe
SPJ 1996, S. 117.7
[8]
Bund, 18.9.97;
TA, 21.10., 23.10., 25.10. und 28.10.97; Presse vom 25.10.97;
JdG, 2.12.97. Der Marktwert der 1400 Tonnen, welche die SNB abtreten soll, betrug rund 20 Mia Fr. Zur geplanten Solidaritätsstiftung siehe oben, Teil I, 1a, (Grundsatzfragen).8
[9]
BBl, 1997, II, S. 977 ff.; Presse vom 18.3.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 117.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1141 ff. und 1587;
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 657 ff. und 710;
BBl, 1997, III, S. 946 f.; Presse vom 13.6.97.10
[11]
BBl, 1997, IV, S. 844. Vgl.
SPJ 1996, S. 117.11
[12]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1158 ff.;
SGT, 24.11.97.12
[13]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 472 f. und 619 f.;
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 342;
BBl, 1997, II, S. 599 f. Siehe
SPJ 1996, S. 118.13
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