Année politique Suisse 1997 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Indirekte Steuern
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Ökologische Steuerreform
Die Akzeptanz für eine ökologische Steuerreform wächst. In einem Strategiebericht "Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz" wies der Bundesrat einer Ökologisierung des Steuersystems eine zentrale Bedeutung zu. Die heutigen Bundeseinnahmen, die überwiegend auf Fiskaleinnahmen beruhten (rund 32 von 37 Mia Fr.), seien aus der Sicht der nachhaltigen Entwicklung zu hinterfragen, und es sei nach Möglichkeiten zu suchen, das Steuersystem den neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen anzupassen, indem der Verbrauch nicht erneuerbarer Energieträger und die Belastung der Umwelt besteuert, der Faktor Arbeit jedoch steuerlich entlastet würde. Der Bundesrat wollte eine Steuerreform allerdings erst 2001 vertieft prüfen, wenn das Gleichgewicht des Bundeshaushalts wieder erreicht sein soll [30].
Der Nationalrat machte mehr Druck. In der Wintersession überwies er mit 116 zu 26 Stimmen eine Motion seiner Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek), die den Bundesrat auffordert, bis spätestens 2002 eine Botschaft für eine ökologische Steuerreform vorzulegen, welche die geltende Finanzordnung Ende 2006 ablösen kann. Mit der Reform soll einerseits der Verbrauch nicht erneuerbarer Energie und/oder die Belastung der Umwelt besteuert und andererseits der Faktor Arbeit entlastet werden. Die Revision muss aufkommens- und fiskalquotenneutral sein, die energieintensiven und exportorientierten Branchen schonen und der Wirtschaft genug Zeit für die Anpassung einräumen. Vergeblich wehrte sich EFD-Vorsteher Kaspar Villiger gegen das Kriterium der Steuerneutralität angesichts der immer defizitäreren Sozialwerke [31].
Die Initiative der Grünen "Für eine gesicherte AHV - Energie statt Arbeit besteuern[32] lehnte der Bundesrat ohne Gegenvorschlag ab. Er bezeichnete die Stossrichtung zwar als richtig, der wachsende Finanzierungsbedarf der Sozialwerke verbiete es aber, den Ertrag einer Energiesteuer für eine Reduktion der Lohnprozente zu verwenden. Dafür versprach der Bundesrat, die Grundlagen für eine Steuerreform rascher als bisher vorgesehen, nämlich noch 1998 zu erarbeiten, damit das Parlament die Beratung wie vom Nationalrat gewünscht nach der Jahrhundertwende aufnehmen könne. Die Grünen warfen der Landesregierung "Etikettenschwindel" vor und kritisierten, ihr gehe es nur um die Beschaffung neuer Staatsfinanzen [33].
Eine Nationalfonds-Studie kam zum Schluss, dass eine neutrale ökologische Steuerreform fast nur positive Auswirkungen für die Schweiz hätte und die in der Theorie vielbeschworene "doppelte Dividende" tatsächlich bringen könnte. Die erste, ökologische Dividende, die Schonung der natürlichen Umwelt, sei unbestritten. Nicht sicher sei dagegen die zweite, ökonomische Dividende. Während die Verbilligung der Arbeit - etwa in Form einer Senkung der AHV-Beiträge - positiv ins Gewicht falle, würden den energieintensiven Branchen durch die Verteuerung der Energie international Wettbewerbsnachteile erwachsen. Die Autoren schätzten die wettbewerbsmässigen Auswirkungen auch bei einem Alleingang der Schweiz allerdings als gering ein. Zur Abfederung empfahlen sie während einer Übergangsphase Steuerreduktionen für betroffene Branchen. Von einer Steuerreform seien zudem Impulse für Innovationen und technologische Entwicklungen zu erwarten. Diese hätte damit unter dem Strich auf die Beschäftigung einen zwar geringen, aber doch positiven Effekt. Falls ausserdem die Energiepreise langfristig steigen würden - was zu erwarten sei - so habe die Schweizer Industrie den "Vorteil des ersten Zuges", wenn sie sich frühzeitig auf hohe Preise vorbereite. Die Autoren empfahlen die baldige Verankerung der Reform auf Verfassungsebene [34].
 
[30] BBl, 1997, III, S. 1045 ff.; Presse vom 15.4.97. Siehe dazu auch unten, Teil I, 6d (Politique de protection de l'environnement). Der BR wollte schon vor zehn Jahren den Grundstein zu einer ökologischen Steuerreform legen und schrieb 1988 das Ziel einer Energieabgabe von 10% in den Legislaturfinanzplan, um drohende Ausfälle bei der Wust auszugleichen. Das Parlament strich dieses jedoch wieder (Vgl. SPJ 1988, S. 120 f.).30
[31] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2400 ff.; Presse vom 2.12.97. Vgl. "Denkbare Wege zu einer ökologischen Steuerreform", in NZZ, 3.12.97.31
[32] Diese Initiative ist der eine Teil der Tandeminitiative, deren anderer Teil ein flexibles Rentenalter ab 62 fordert. Mit einer Abgabe auf nicht erneuerbare Energien und auf Strom soll die Herabsetzung des Rentenalters finanziert sowie die weitgehende Ablösung der Lohnprozente erreicht werden, die den Faktor Arbeit heute übermässig belasten. Die Energiesteuer könnte gemäss den Initianten innert 30 Jahren 20 Mia Fr. pro Jahr für die Sozialversicherungen einbringen, gleichzeitig könnte so der Energiekonsum um fast die Hälfte gesenkt werden.32
[33] TA, 27.11.97; Presse vom 2.12.97.33
[34] Lit. Kirchgässner/Jeanrenaud; Presse vom 13.8.97. Zu Vorstössen für eine CO2-Steuer und für eine Lenkungsabgabe auf nicht erneuerbaren Energieträgern siehe unten, Teil I, 6a (Politique énergétique).34