Année politique Suisse 1997 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
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Medikamente
Im Februar schickte der Bundesrat den Entwurf für ein eidgenössisches Heilmittelgesetz in die Vernehmlassung. Mit dem neuen Gesetz soll die Heilmittelkontrolle in der ganzen Schweiz erstmals einheitlich geregelt werden. Die heutige Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKH) würde von einer gesamtschweizerischen Institution abgelöst, welche für die Zulassung und die Herstellungsbewilligung von Arzneimittel sowie für die nachträgliche Marktüberwachung von Heilmitteln zuständig wäre. Der bundesrätliche Vorschlag wurde recht gut aufgenommen. Einzelne Kantone kritisierten aber, die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen sei insbesondere in den Bereichen Herstellungskontrolle und Grosshandelsbewilligung unklar. Sturm gegen das neue Gesetz liefen hingegen die Naturärzte, Heilmittelhersteller und Drogisten im Kanton Appenzell-Ausserrhoden, welche um die Zukunft ihrer breit ausgebauten Alternativmedizin bangten [29].
Auf den 15. Februar setzte das BSV die im Vorjahr beschlossene Preiskürzung für 126 Medikamente, deren Patentfrist abgelaufen und deren Verkaufspreis im Ausland viel niedriger ist als in der Schweiz, in Kraft. Die Preissenkung (je nach Medikament zwischen 3% und 56%) war für 37 Medikamente von 13 Herstellern vorerst nur provisorischer Natur, da diese gegen die Preiskorrekturen Rekurs beim Eidg. Versicherungsgericht erhoben, welches ihrer Einsprache allerdings die aufschiebende Wirkung entzog. Dennoch liefen die Verhandlungen zwischen dem BSV und der Pharma-Industrie - wenn auch harzig - weiter. Ziel der Gespräche ist eine Preissenkung um mindestens 10% für alle Arzneien, deren Patentfrist abgelaufen ist, sowie eine Anpassung an das europäische Niveau für die neueren Medikamente. Auf den 15. September wurde die zweite Etappe der Preissenkungen eingeläutet. Diesmal waren 74 Medikamente betroffen. In 45 Fällen fochten die Hersteller auch diese Verfügung mit einer Beschwerde an; sieben Medikamente wurden von den Herstellern gar vom Markt zurückgezogen [30].
Eine Volksinitiative "für tiefere Arzneimittelpreise" wurde Ende Juli vom Grossverteiler Denner lanciert und kam noch vor Jahresende mit rund 127 000 Unterschriften zustande. Die Initiative verlangt, dass im Ausland zugelassene Medikamente in der Schweiz zu den gleichen Bedingungen verkauft werden können und anstelle der teuren Originalpräparate grundsätzlich die preisgünstigeren Generika von den Ärzten verschrieben oder in den Apotheken abgegeben werden sollen [31].
Der Kanton Solothurn erteilte einer Tochterfirma der in der Helsana zusammengeschlossenen Krankenversicherungen Helvetia und Artisana die Betriebsbewilligung für eine Direktservice-Apotheke mit Postversand. Bedient werden in erster Linie Langzeitpatienten, die in regelmässigen Abständen immer die gleichen Medikamente benötigen. Die Helsana erhofft sich durch den Direktversand Einsparungen bei den Medikamentenkosten von 10-15%. Möglich sei dies durch die besseren Einkaufsbedingungen, die Betriebsgrösse sowie die höhere Produktivität. Die erzielten Einsparungen werden den beteiligten Krankenkassen zur Prämienverbilligung zur Verfügung gestellt und zum Teil auch direkt den Kunden rückvergütet [32].
Im Anschluss an den Nationalrat überwies auch der Ständerat eine Motion Heberlein (fdp, ZH) für eine internationale Harmonisierung - und damit Lockerung - der Werberegelung für Heilmittel im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen [33].
Die Absicht der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS), aus Gründen der Europakompatibilität einen Teil der homöopathischen Mittel der Rezeptpflicht zu unterstellen, stiess bei den ausgebildeten Homöopathen und Naturärzten auf heftigen Widerstand. Für sie käme die neue Regelung einer einschneidenden Behinderung ihrer beruflichen Tätigkeit gleich, da wesentliche Elemente ihrer Medikamentenpalette (Nosoden und Organpräparate) nur mehr von ausgebildeten Ärzten verschrieben werden dürften. 14 Interessenverbände der Homöopathie und des naturnahen Heilens sammelten deshalb gemeinsam über 250 000 Unterschriften für eine Petition, welche sie im April bei der IKS einreichten. Diese kam den Bedenken der Homöopathen entgegen und befreite die Nosoden und Organpräparate ab einer gewissen Verdünnung wieder von der vorgesehenen Rezeptpflicht [34].
 
[29] Presse vom 20.2. und 9.12.97; TA, 1.7.97; Bund, 28.7.97. Siehe SPJ 1995, S. 228.29
[30] Bund, 24.1., 9.7. und 15.7.97; JdG, 25.1.97; Presse vom 28.1. und 12.8.97; NZZ, 30.1., 28.5. und 29.5.97; SHZ, 4.9.97; SoZ, 19.10.97. Siehe SPJ 1996, S. 238.30
[31] BBl, 1997, III, S. 1408 f. und BBl, 1998, S. 737 f.31
[32] NZZ, 27.3.97; BZ, 26.4.97; SZ, 30.4.97. Gleichzeitig drängen auch Warenhäuser in den Medikamentenmarkt (Bund, 26.8.97; Presse vom 28.8.97; SHZ, 18.9.97). Siehe SPJ 1996, S. 239.32
[33] Amtl. Bull. StR, 1997, S. 797 ff. Siehe auch SPJ 1996, S. 239.33
[34] Presse vom 11.2., 9.4. und 6.11.97.34