Année politique Suisse 1997 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
Berufliche Vorsorge
Dem Antrag des Stiftungsrates des Sicherheitsfonds BVG folgend, erhöhte das BSV per 1. Januar 1998 den Beitrag der Vorsorgeeinrichtungen an den
Sicherheitsfonds von bisher 0,06% der Löhne auf 0,1%. Die Erhöhung drängte sich einerseits wegen der weiterhin angespannten Wirtschaftslage auf, die häufiger zu Zahlungsunfähigkeit von Vorsorgeeinrichtungen führt, andererseits infolge der Erweiterung der Insolvenzdeckung, die anfangs des Berichtsjahres in Kraft trat
[31].
Mit dem Ziel, eine wirklich
paritätische Verwaltung der Pensionskassen sicherzustellen, hatte Nationalrat Borel (sp, NE) im Vorjahr eine parlamentarische Initiative eingereicht. Er verlangte insbesondere, dass der Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter ausgebaut werden und es der Belegschaft gestattet sein sollte, auch Personen aus anderen Betrieben als ihre Vertreter zu bestimmen, wenn damit die fachliche Kompetenz der Arbeitnehmerdelegation gestärkt werden kann. Die Mehrheit des Rates vertrat die Ansicht, es bestehe in diesem Bereich momentan kein Handlungsbedarf, auch wenn die Realität nicht immer den ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers entspreche; allenfalls könne das Anliegen in der 1. BVG-Revision wieder aufgenommen werden. Der Initiative wurde nach kurzer Diskussion mit 65 zu 52 Stimmen keine Folge gegeben
[32].
Der Nationalrat befasste sich mit einer Motion Rechsteiner (sp, BS), welche verlangte, dass der Sicherheitsfonds die Mehrkosten tragen soll, die Vorsorgeeinrichtungen durch eine
ungünstige Risikozusammensetzung bei der gesetzlichen Minimalversicherung der Risiken Tod und Invalidität erwachsen, damit inskünftig die Risikoprämie für den teuersten Betrieb nicht mehr als 50% über der durchschnittlichen Prämie liegt. Nachdem der Bundesrat erklärt hatte, er werde das Anliegen im Rahmen der anstehenden BVG-Revision prüfen, wurde der Vorstoss als Postulat überwiesen
[33].
Für zwei Motionen des Nationalrates zur Verpflichtung der Pensionskassen, einen Teil ihrer Mittel in Risikokapital anzulegen, welches zur Gründung von Jungunternehmen beitragen könnte, siehe oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
Eine Motion Gross (sp, TG), welche eine Differenzierung der
Haftungsbestimmungen im Falle von Fehlleistungen der BVG-Organe verlangte, wurde auf Antrag des Bundesrates, der auf bereits laufende haftungsrechtliche Revisionsarbeiten ausserhalb des BVG verwies, als Postulat überwiesen. Ebenfalls als Postulat verabschiedet wurde eine Motion Steiner (fdp, SO), welche forderte, die
Vertretung der Rentnerinnen und Rentner in den Organen ihrer Vorsorgeeinrichtungen gesetzlich zu verankern. Hier erinnerte der Bundesrat daran, dass es Pensionskassen frei steht, derartige Bestimmungen in ihre Reglemente aufzunehmen, weshalb es im Sinne der immer wieder geforderten organisatorischen Freiheit der Vorsorgeeinrichtungen nicht sinnvoll wäre, dies per Gesetz vorzuschreiben
[34].
Da dem Bund durch den unbegrenzten Steuerabzug von Beiträgen an die zweite Säule und die Abzugsmöglichkeiten bei der dritten Säule (siehe unten, private Vorsorge) bedeutende Steuerausfälle erwachsen, verlangte eine Motion Thür (gp, AG), dass der
Steuerabzug auf jenen Arbeitserwerb beschränkt wird, der dem versicherten Lohnmaximum gemäss Unfallversicherungsgesetz (momentan 97 200 Fr.) entspricht. Die Motion wurde vom Vertreter der Privatversicherungen im Nationalrat - Hochreutener (cvp, BE) - sowie von Dreher (fp, ZH) bekämpft und deshalb der Diskussion entzogen
[35].
Die berufliche Vorsorge erhielt eine
privatrechtlich organisierte Ombudsstelle. Diese soll den Versicherten als neutrale Einrichtung beratend zur Seite stehen. Da sie einen gesamtschweizerischen Charakter hat, wird sie der Aufsicht des EDI unterstehen
[36].
Mit 109 zu 60 Stimmen gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) Folge, welche eine
Öffnung der Dritten Säule für bestimmte Kategorien Nichterwerbstätiger verlangt. Konkret davon betroffen werden insbesondere
Hausfrauen sein, die ohne Entlöhnung Erziehungs- und Betreuungsaufgaben wahrnehmen, sowie
Arbeitslose und
Invalide. Sie sollen inskünftig ebenfalls den Steuerabzug für ihre in der individuellen Selbstvorsorge angelegten Mittel geltend machen können. Eine linke Kommissionsminderheit monierte vergebens, hier handle es sich in erster Linie um ein verkapptes Steuergeschenk an wohlhabende Kreise, da nur sie über die dafür notwendigen zusätzlichen Mittel verfügten, währenddem Arbeitslose und nichterwerbstätige Invalide nur in den seltensten Fällen ein Einkommen erzielten, welches dieses Sparpotential erlaube
[37].
Auf den 1. Januar setzte der Bundesrat eine Verordnungsänderung in Kraft, welche es ermöglicht, bei einer
Scheidung auch die Ansprüche aus der Säule 3a güterrechtlich aufzuteilen. Die Abtretung unter Ehegatten soll neu immer dann möglich sein, wenn der Güterstand anders als durch Tod aufgelöst wird. Allerdings muss auch bei der Abtretung der Vorsorgezweck der Kapitalien erhalten bleiben. Das heisst, dass der zugesprochene Betrag auf eine Einrichtung der Säule 3a oder auf eine Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule überwiesen werden muss
[38].
[31]
CHSS, 1997, S. 240. Siehe
SPJ 1996, S. 258.31
[32]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1753 ff.32
[33]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2207 f.33
[34]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1458 f. und 1462. Zum Sicherheitsfonds siehe
SPJ 1996, S. 258.34
[35]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1464 f.35
[37]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 500. Siehe
SPJ 1996, S. 258 f.37
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