Année politique Suisse 1997 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
 
Ausländerpolitik
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Grundsatzfragen
Unter dem Titel "Ein neues Konzept der Migrationspolitik" wurde Ende August der Bericht der Expertenkommission "Migration" vorgestellt. Um sich nicht von vornherein in eine unfruchtbare Grundsatzdiskussion zu verstricken, einigte sich die Kommission auf ein einheitliches Migrationsmodell für Asyl- und Arbeitssuchende. Jeder Einwanderer - egal ob Asylbewerber oder nicht - soll ihrer Meinung nach den gleichen Migrationsprozess durchlaufen: die Einreise in das Zielland, der vorübergehende oder dauernde Aufenthalt und, je nachdem, die Ausreise. Aus diesen Phasen ergeben sich vier Themenbereiche, zu denen die Kommission Ziele und Massnahmen entwickelte: Zulassungspolitik, Integrationspolitik, Ausreise/Rückwanderung und Migrationsaussenpolitik.
Die Zulassung von ausländischen Arbeitskräften soll sich nicht mehr nach Branchen oder Regionen richten, sondern im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen. Die Kommission schlug unter anderem vor, vom Drei-Kreise-Modell abzurücken und stattdessen nur noch zwischen EU/Efta-Staatsangehörigen und allen anderen zu unterscheiden. Für EU-Bürger werden sich Zulassung, Aufenthalt und Bedingungen zur Arbeitsaufnahme gemäss dem Ergebnis der bilateralen Verhandlungen gestalten. Mit Ausnahme von Personen, welche traditionelle Fluchtgründe geltend machen können, sollen nicht-EU/Efta-Bürger nur noch rekrutiert werden können, wenn sie gut- bis hochqualifiziert sind. Die individuelle Qualifikation soll also ausschlaggebend sein und nicht das Herkunftsland. Die Kommission regte dabei an, es sei zu prüfen, ob nicht ein Punktesystem nach amerikanischem, kanadischem oder australischem Modell einzuführen sei. Qualifikationskriterien könnten Sprachkenntnisse, Ausbildung, Alter und Berufserfahrung des Bewerbers oder der Bewerberin sein.
Mit einer Ausreisepolitik soll Sorge getragen werden, dass ausländische Staatsangehörige ohne Anwesenheitsberechtigung oder nach deren Ablauf die Schweiz verlassen und nicht illegal im Land bleiben. Ein konsequenter Vollzug soll vor allem durch verstärkte aussenpolitische Massnahmen, d.h. bi- und multilaterale Abkommen, verbessert werden. Eine Rückkehrberatung, wie sie im Moment vor allem Personen aus dem Asylbereich angeboten wird, soll nach Auffassung der Kommission allen Ausländerinnen und Ausländern offenstehen. Mit einer aktiven Aussenpolitik soll gegen die Ursachen erzwungener Migration angegangen werden. Dazu gehören eine Präventivdiplomatie sowie Massnahmen zur Förderung der Menschenrechte, der Minderheitenrechte und der Demokratie. Auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe wurden als weitere mögliche Verknüpfungspunkte gesehen. In den traditionellen Herkunfstländern von Asylsuchenden sollten nach Meinung der Experten insbesondere jene Entwicklungsprojekte gefördert werden, welche Chancen bieten, Emigration zu verringern [1].
Der Bundesrat nahm vor den Sommerferien wichtige Ernennungen im Asyl- und Ausländerbereich vor. Er wählte überraschend nicht einen Asylexperten als neuen Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF), sondern einen Wirtschaftsdiplomaten, den Exekutivdirektor der Weltbankgruppe in Washington, Jean-Daniel Gerber. Dieser trat am 1. November die Nachfolge von Urs Scheidegger an, der wegen Gesundheitsproblemen seit Oktober des Vorjahres seine Direktionsaufgaben nicht mehr hatte wahrnehmen können. Den zweiten vakanten Spitzenposten, die Direktion des Bundesamtes für Ausländerfragen (BFA), besetzte er mit dem Juristen Peter Huber. Huber hatte bereits seit Anfang 1997 als Interimschef des BFA gewirkt. Er war 1982 zum Chef der Bundespolizei ernannt worden, wurde dann aber 1991 in der Folge der Fichen-Affäre beurlaubt. Bis zu seinem Eintritt ins BFA erfüllte er Spezialaufgaben für Departementschef Koller [2].
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Ausländische Bevölkerung
Der Zuwachs der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung - internationale Funktionäre, Saisonniers, Kurzaufenthalter, Asylbewerber und vorläufig aufgenommene Personen nicht mitgerechnet - nahm im Berichtsjahr weiter ab. Mit 3 212 Personen (0,2%) lag er erneut deutlich unter der Rate des Vorjahres (0,5%). Seit 1990 (5,8%) hat die Zunahme laufend abgenommen. Der Ausländeranteil an der ständigen Wohnbevölkerung stabilisierte sich bei 19% (wie Vorjahr). Von den 1 340 793 Ausländerinnen und Ausländern besassen 982 879 (73%) eine Niederlassungs- und 357 914 (27%) eine Jahresbewilligung. Diese Stabilisation ist zum Teil auf die Ausländerpolitik des Bundesrates zurückzuführen, zum Teil aber auch auf die konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre. Wohl wichtigster Faktor war einmal mehr die Zahl der Einbürgerungen, die in letzter Zeit stets zwischen 15 000 und 20 000 Fällen pro Jahr betrug.
Die Zahl der in der Schweiz ständig wohnhaften Angehörigen von EU- und Efta-Staaten ist während der letzten Jahre relativ konstant geblieben. Der Zuwachs der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung ist fast ausschliesslich durch die Zunahme der Ausländer mit einem Herkunftsstaat ausserhalb dieses Raumes (namentlich aus ex-Jugoslawien) zustande gekommen. Am meisten Ausländerinnen und Ausländer stammten nach wie vor aus Italien (342 253; 25,5%), gefolgt von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien (313 463; 23,4%). Den 72 769 eingewanderten Ausländern wurden 64 262 Jahres- und 8507 Niederlassungsbewilligungen ausgestellt.
Ende Dezember wurden 692 751 erwerbstätige Jahresaufenthalter und Niedergelassene gezählt (-2,3% gegenüber 1996), 12 492 Saisonniers (-8,2%) und 142 000 Grenzgänger (-3,3%). Ein Vergleich mit dem Vorjahr zeigt, dass in der Gruppe Handel, Banken, Versicherungen (0,6%) und in Unterricht und Wissenschaft (5,1%) ein zum Teil merklicher Zuwachs zu verzeichnen war. Erhebliche Abnahmen wiesen dagegen das Baugewerbe (-9,0%), die Metall- und Maschinenindustrie (-4,7%) sowie der Bereich Kleider, Wäsche, Schuhe (-11,3%) auf. Ende August, im Zeitpunkt des saisonalen Höchststandes der Beschäftigung, befanden sich lediglich noch rund 31 000 Saisonniers, 31,5% weniger als ein Jahr zuvor in der Schweiz. 1990 hatte ihre Zahl noch gut 120 000 betragen [3].
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Zulassungspolitik
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, die 1995 von rechtsbürgerlichen Kreisen eingereichte Volksinitiative "für eine Regelung der Zuwanderung", welche den Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung auf 18% beschränken will, ohne Gegenvorschlag Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Bundespräsident Koller begründete die Haltung der Regierung vor allem mit aussenpolitischen Argumenten. Eine Annahme der Initiative würde möglicherweise das Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr in Frage stellen, was durchaus auch zu einer Schlechterstellung der Schweizer im Ausland führen könnte. Im weiteren gefährde die Initiative die Weiterführung der humanitären Flüchtlingspolitik. Er führte aber auch innenpolitische Motive an. Erstens habe sich aus den oben angeführten Gründen der Ausländeranteil in den letzten Jahren ohnehin bei rund 19% der Wohnbevölkerung eingependelt, womit das Ziel der Initiative mit einer geringfügigen Abweichung eigentlich erreicht sei. Eine rigorose Beschränkung auf einen gewissen Prozentsatz könnte auch dazu führen, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz nicht mehr genügend Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren könnte, was der zunehmenden Globalisierung widerspreche. Internationale Konventionen wie das Dienstleistungsabkommen Gats müssten allenfalls aufgekündigt werden [4].
Die Volksinitiative der SD mit dem Titel "Masshalten bei der Einwanderung" kam knapp nicht zustande. Diese Initiative verlangte ein Migrationsgesetz mit dem Grundsatz, dass die jährliche Einwanderung das Ausmass der Auswanderung des Vorjahres nicht übersteigen darf. Durch Einbürgerungen hätte sich so der Ausländerbestand allmählich reduziert [5].
Zum zweiten Mal seit 1994 beschäftigte sich die Univox-Umfrage mit ausgewählten Aspekten des Verhältnisses zwischen schweizerischer und ausländischer Bevölkerung. Die Präsenz von ausländischen Personen aus den traditionellen Rekrutierungsländern für Fremdarbeiter (Italien, Spanien, Portugal) war 1997 ebenso unbestritten wie die Anwesenheit von Personen aus den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Österreich. Hingegen wurde die Präsenz von Menschen aus der Türkei und aus Ex-Jugoslawien mehrheitlich negativ wahrgenommen: Ausländerinnen und Ausländer aus der Türkei wurden von 28% der Befragten als "in der Schweiz eigentlich fehl am Platz" wahrgenommen, solche aus Serbien und Bosnien sogar von 40%. Der EU-Raum wird somit kulturell homogen positiv wahrgenommen und zugleich stark gegen den Rest der Welt abgegrenzt, besonders stark gegen die Arbeits- und Asyl-Immigration aus dem Balkan [6].
Das Bundesgericht stützte in einem weiteren Grundsatzurteil das Drei-Kreise-Modell. Es wies die Beschwerde eines jugoslawischen Saisonniers ab, der die Umwandlung in eine Jahresbewilligung zu spät beantragt hatte. Der seit zwei Jahren geltende Ausschluss fast aller Ex-Jugoslawen ohne Niederlassungs- oder Jahresbewilligung vom Schweizer Arbeitsmarkt verletze weder das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot noch das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der UNO-Menschenrechtspakte und des Rassendiskriminierungsübereinkommens. Die Vereinbarkeit der Bundesratsregelung mit den internationalen Verträgen überprüfte das Bundesgericht hier erstmals; einen Verstoss gegen das Gebot der Rechtsgleichheit hatte es bereits 1996 verneint [7].
Der Bundesrat zeigte sich aber selber bereit, vom 1991 eingeführten Drei-Kreise-Modell wegzukommen und den Vorschlag der Expertenkommission "Migration" aufzunehmen, wonach inskünftig nur noch zwischen Angehörigen von EU-/Efta-Staaten und allen anderen Staaten unterschieden werden soll. Der Bundesrat begründete seine Haltungsänderung damit, dass der "zweite Kreis" - vor allem Kanada und die USA - praktisch nie zum Tragen gekommen sei und ein gewisses Legitimationsdefizit für das umstrittene Modell bestanden habe. Die Einführung des neuen Zulassungsmodells wird de facto aber keine wesentliche Änderung der geltenden Rekrutierungspraxis bedeuten. Insbesondere hat der Bundesrat nicht im Sinn, Arbeitnehmer aus Ex-Jugoslawien wieder als Saisonniers zuzulassen. Nach welchen Kriterien die Qualifikation von ausländischen Arbeitskräften aus Nicht-EU- oder Efta-Staaten erfolgen wird, wollte der Bundesrat vorderhand noch offen lassen [8].
In der Asyl- und Ausländergesetzdebatte (siehe unten, Flüchtlingspolitik) beantragte Nationalrat Ledergerber (sp, ZH), das Saisonnierstatut sei in seiner rechtlichen Form zwar nicht umgehend abzuschaffen, doch sollten keine neuen Kontingente mehr bewilligt werden. Gast- und Baugewerbe beschäftigten am meisten Saisonniers, gleichzeitig stellten sie einen Viertel der Arbeitslosen. Der Rat mochte diesem Antrag mit 104 zu 25 Stimmen nicht folgen, nicht so sehr aus grundsätzlicher Ablehnung, sondern weil ihm das Tempo zu forsch war [9].
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Integrationspolitik
Anlässlich der ersten nationalen Integrationskonferenz betonten sowohl Bundespräsident Koller wie auch der Präsident der Eidgenössischen Ausländerkommission, Nationalrat Caccia (cvp, TI), eine möglichst rasche und gute Integration der ausländischen Wohnbevölkerung liege im Interesse beider Seiten. Spannungen und Konflikte im Zusammenleben könnten nur auf diese Weise abgebaut werden. Laut Koller kann und soll von den Ausländerinnen und Ausländern nicht erwartet werden, ihre angestammte kulturelle Eigenart aufzugeben. Aber jede Integration müsse zumindest dort mit gewissen Anpassungen verbunden sein, wo Teile der Herkunftskultur zentralen Werten und Normen des Aufnahmelandes widersprechen. Integration dürfe weder als absolute Toleranz der ansässigen Bevölkerung noch als völlige Unterordnung der Zugewanderten verstanden werden. Ähnlich sah es auch der Präsident der Ausländerkommission. Gefordert seien Aufnahmebereitschaft von den einen sowie Wille und Fähigkeit zur Anpassung von den anderen. Angesichts der hohen Arbeitslosenquote unter den ausländischen Arbeitskräften plädierte er für ein Umdenken in der Zulassungspolitik. In erster Linie müsse für die berufliche Wiedereingliederung der bereits hier Lebenden gesorgt werden; im Gegenzug sei es geboten, mit Bewilligungen für neue Arbeitskräfte aus dem Ausland noch zurückhaltender zu sein.
Sowohl Koller wie Caccia unterstrichen die Bedeutung eines Integrationsartikels in dem in Revision befindlichen Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (Anag). Mit dieser Teilrevision des Ausländergesetzes möchte der Bund künftig eine grössere politische und finanzielle Mitverantwortung in diesem Bereich übernehmen. Bisher konnte er die Bemühungen in den Kantonen nur indirekt und punktuell unterstützen, beispielsweise in der Berufsbildung. Dabei wäre gerade in den Bereichen Information, Sprachförderung und Allgemeinbildung ein grösseres Engagement auf gesamtschweizerischer Ebene erforderlich. Koller versicherte, der Bund wolle sich keine zusätzlichen Kompetenzen anmassen. Die Hauptaufgabe bei der Integration müsse weiterhin von Kantonen, Gemeinden und Privaten geleistet werden. Caccia warf die umstrittene Frage nach der Mitverantwortung der Wirtschaft für die ausserberufliche Integration auf. Er erinnerte dabei an das Anfang der achtziger Jahre knapp gescheiterte Ausländergesetz, das die Kantone dazu ermächtigen wollte, die Arbeitgeber zur Mitfinanzierung der Integration und zur Betreuung zu verpflichten [10].
Der Bericht der Expertenkommission "Migration" (siehe oben) unterstrich ebenfalls die Bedeutung der Integration der Ausländerinnen und Ausländer als einen wichtigen Stützpfeiler der Migrationspolitik. Sie vertrat die Ansicht, der ausländischen Wohnbevölkerung sollten Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe in Schule und Beruf eröffnet werden. Bei Bedarf sollte die Teilnahme an Sprachkursen und weiteren Ausbildungen, die der Integration in den Arbeitsmarkt dienen, für alle Migranten verbindlich sein. Die Kommission anerkannte auch die besonderen Schwierigkeiten der Migrantinnen, weshalb sie für diese besondere Sprach- und berufliche Ausbildungsprogramme verlangte [11].
Die Aufnahme eines Integrationsartikels in die Asyl- und Ausländergesetzgebung scheiterte im Nationalrat zunächst an der sogenannten Ausgabenbremse. Der Rat stimmte zwar mit 85 zu 86 Stimmen dem Antrag des Bundesrates zu. Da damit aber eine neue Bundesaufgabe mit jährlichen Kosten von 15 Mio Fr. geschaffen wurde, scheiterte der Integrationsartikel dennoch an der neu geschaffenen Ausgabenbremse, die für derartige Fälle das absolute Mehr stipuliert. Der Ausgabe stimmten nur 87 Abgeordnete zu, 65 verwarfen sie, womit dieser Artikel aus der Vorlage gestrichen wurde [12].
Vor der Behandlung in der kleinen Kammer richtete der Präsident der EAK einen dringenden Appell an die Ständerätinnen und Ständeräte, den Integrationsartikel wieder in die Vorlage aufzunehmen, und er rechnete vor, dass mangelnde Integration anderweitige Kosten verursacht, etwa bei der Fürsorge oder im Strafvollzug. Seine Stimme wurde gehört. Oppositionslos kam die kleine Kammer auf den Entscheid des Nationalrates zurück. Der Berichterstatter der Kommission, die diesen Antrag ebenfalls einstimmig stellte, erklärte, der Integrationsartikel sei ein Kernstück der Asyl- und Ausländergesetzrevision. Man müsse von der Überlegung ausgehen, dass es besser sei, materielle Aufwendungen und Begleitung für die Integration der Ausländer vorzusehen, die ja für eine lange Dauer in die Schweiz kommen, als erst nachher, bei Versagen, die Schäden zu eliminieren. Die Ausgabe nahm der Ständerat ebenfalls einstimmig an [13].
Im Nachgang an die Beratung der Ausländergesetzgebung überwies der Nationalrat eine Motion seiner staatspolitischen Kommission als Postulat, welche verlangte, dass bei einer Auflösung der Ehe von Schweizerinnen und Schweizern bzw. niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern mit ausländischen Ehegatten oder -gattinnen, die noch kein eigenständiges Niederlassungsrecht besitzen, diese nicht automatisch ihren aufenthaltsrechtlichen Status verlieren. Eine analoge Motion Bühlmann (gp, LU) war 1995 ebenfalls als Postulat angenommen worden [14].
Als Schweizer Premiere beschloss die Regierung des Kantons Basel-Stadt, eine 21 Personen starke Kommission für Integrations- und Migrationsfragen einzusetzen sowie die Stelle eines Delegierten für diese beiden Fragenkomplexe zu schaffen. In erster Linie sollen die Experten die Diskussion grundsätzlicher Probleme sowie das Erarbeiten von Grundlagen für politische Entscheide angehen [15].
Seit 1980 ist die Zahl der ausländischen Kinder und Jugendlichen in der Schweiz kontinuierlich gestiegen. Vermehrt finden sie sich jedoch am Ende ihrer Schulzeit in Schultypen wieder, die ihnen den Zugang zu einer anspruchsvollen Ausbildung erschweren. Gemäss einem Bericht des Bundesamtes für Statistik (BFS) mussten sich 1995/96 52% aller ausländischen Jugendlichen auf der Sekundarstufe I mit einer Schule mit Grundansprüchen begnügen (1980/81: 45%). Schweizer Kinder hingegen besuchten im gleichen Zeitraum anteilmässig immer weniger die Realschule (1980/81: 35%; 1995/96: 27%). Die Daten des BFS zeigten, dass Schülerinnen und Schüler aus neuen Einwanderungsnationen (ex-Jugoslawien, Portugal und Türkei) im Bildungswesen eindeutig schlechter abschneiden, als die Kinder der deutlich früher eingewanderten Italiener und Spanier [16].
 
[1] Lit. Ein neues ..; Presse vom 30.8.97; A. Richter, "Migrationspolitik", in Die Volkswirtschaft, 71/1998, Nr. 3, S. 54 ff. Siehe SPJ 1996, S. 267. Die Erarbeitung einer einheitlichen Migrationspolitik wurde zwar schon Mitte der achtziger Jahre diskutiert; konkretisiert wurde sie aber von einer Motion Simmen (cvp, SO) aus dem Jahr 1992 (SPJ 1992, S. 240). Zur Frage der sozialen Integration der hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer siehe unten.1
[2] Presse vom 8.1., 26.6. und 3.11.97; NZZ, 24.7.97. Zu Hubers Beurlaubung siehe SPJ 1991, S. 28.2
[3] Pressemitteilung des BFA; Die Volkswirtschaft, 71/1998, Nr. 3, S. 23*.3
[4] BBl, 1997, IV, S. 521 ff.; Presse vom 21.8.97. Siehe SPJ 1995, S. 258 f.4
[5] BBl, 1997, II, S. 452; NZZ, 13.3.97. Vgl. SPJ 1995, S. 259.5
[6] R. Nef, "Die Ausländer im Bild der schweizerischen Bevölkerung", Univox, Oktober 1997. In einer Analyse der Abstimmung vom 1. Dezember 1996 über die SVP-Initiative "gegen die illegale Einwanderung" sprach das Bundesamt für Statistik von einer breiter werdenden Kluft zwischen den Sprachregionen in der Asyl- und Ausländerfrage. Die Gemeinden der französischen Schweiz waren deutlich gegen die Initiative, jene der Deutschschweiz nur hauchdünn. Vor zehn Jahren waren bei ähnlichen Vorlagen noch kaum sprachregionale Unterschiede zu verzeichnen gewesen. Aber auch innerhalb der Deutschschweiz war ein Gefälle zwischen Stadt (ablehnend) und Land (eher zustimmend) auszumachen (Presse vom 10.2.97).6
[7] Presse vom 1.10.97. Siehe SPJ 1996, S. 270.7
[8] Presse vom 31.10.97. Zu den Expertenvorschlägen siehe oben, Grundsatzfragen.8
[9] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1277 ff. Siehe auch SPJ 1995, S. 259. Angesichts des aktuellen Standes der bilateralen Verhandlungen mit der EU beschränkte sich der BR in der Ausländerregelung 1997/98 darauf, die Höchstzahlen neu festzusetzen. Diese wurden für die Jahresaufenthalter (17 000) und bei den Kurzaufenthaltern (18 000) unverändert gelassen. Bei den Saisonniers nahm der BR eine lineare Kürzung von 113 000 auf 99 000 vor (Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 12, S. 41).9
[10] Lit. Caccia; Presse vom 18.1.97. Vgl. auch SPJ 1996, S. 270 f. Die EAK gab einen Bericht "Umrisse zu einem Integrationskonzept", in dem sie unter andere die Schaffung eines Bundesamtes für Integration anregte, in die Vernehmlassung. FDP und SVP gingen die Vorschläge zu weit, die SP hielt sie für unzureichend, zufrieden war lediglich die CVP (Bund, 22.3.97).10
[11] Lit. Ein neues .. .11
[12] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1279 ff.12
[13] Presse vom 8.8.97 (EAK); Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1365 und 1367. Nach dem klaren Ja des StR schlug die EAK als kostengünstigste und integrationspolitisch wegweisende Lösung die Einsetzung eines Delegierten für Integration auf Departementsstufe vor (NZZ, 24.12.97).13
[14] Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1283 f. Vgl. SPJ 1995, S. 260.14
[15] BaZ, 6.3.97. Für analoge Bestrebungen in der Stadt Bern siehe SPJ 1996, S. 271.15
[16] Die Volkswirtschaft, 71/1998, Nr. 1, S. 47. Zu Integrationsprojekten für ausländische Kinder und Jugendliche siehe BüZ, 3.4.97; NZZ, 10.6.97.16