Année politique Suisse 1997 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kulturpolitik
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Kulturpolitik in den Kantonen und Städten
Immer häufiger weisen Städte mit Zentrumsfunktion auf die ungerechte Verteilung von Kosten und Nutzen im Kulturbetrieb hin. Während die Städte praktisch allein die kulturellen Institutionen finanziell über Wasser halten, sind es in weiten Teilen die Einwohnerinnen und Einwohner der Agglomeration, welche das kulturelle Angebot nutzen. Im 1995 revidierten Kulturförderungsgesetz des Kantons Bern wurde festgehalten, dass die Gemeinden der Region Bern die bedeutenden Kulturinstitute der Bundesstadt mitfinanzieren sollen. Die Umsetzung des Gesetzes erwies sich jedoch als sehr schwierig, da sich mehrere Gemeinden dagegen wehrten, diesen Obolus zu entrichten. Bis Ende Jahr stimmten 43 Gemeinden der Abgabe zu, 21 Gemeinden lehnten den Subventionsvertrag ab, 20 weitere vertagten ihren Entscheid auf 1998 [23].
Die Kantonsregierungen von Basel-Stadt und Baselland einigten sich auf einen vom Baselbiet vorgeschlagenen Kulturvertrag. Damit will Liestal künftig 1% seiner Einnahmen aus der Besteuerung der natürlichen Personen, das heisst gegen 7 Mio Fr. jährlich, an das Basler Kulturangebot zahlen. In einer im Vertrag enthaltenen Liste wurden die 16 Kulturinstitutionen genannt, die basellandschaftliches Geld erhalten sollen. Aufatmen konnten vor allem die Basler Theater (statt 1,5 Mio Fr. neu 3,5 Mio Fr.) und die Stiftung Basler Orchester, aber auch eine ganze Reihe kleinerer Musik-, Tanz- und Theaterinstitutionen. Nicht berücksichtigt wurden die bildende Kunst, die Literatur und die Museen [24].
Eine Delegation aus der "Kulturregion am Oberrhein" bestehend aus den Kulturverantwortlichen der Kantone Basel-Stadt und Baselland sowie einem Vertreter der deutschen Stadt Lörrach warb gemeinsam in Brüssel für Basel als "Kulturstadt Europas 2001". Entgegen den Erwartungen fand die Wahl nicht im Berichtsjahr statt, da sich die 15 EU-Kulturminister nicht auf eine der vorgeschlagenen Städte einigen konnten [25].
Der Kanton Tessin tut sich offenbar schwer mit seiner Alternativkultur. Seit eine Gruppe Jugendlicher im Oktober 1996 im Luganeser Vorort Viganello eine leerstehende Industriemühle besetzt und in ein selbstverwaltetes Gemeinschaftszentrum umgewandelt hatte, bemühten sich Gemeinde und Kanton mit den Betroffenen - Besetzer und Anwohner - eine tragfähige Lösung zu finden. Allerdings vergeblich, denn nach einer Eskalation der Bürgerproteste ging die Liegenschaft Mitte Juni in Flammen auf. Grund war eindeutig Brandstiftung. Der Versuch, die Autonomen in einem dem Kanton in Canobbia gehörenden Grotto anzusiedeln, scheiterte ebenfalls [26].
Das juristische und politische Seilziehen um das mittlerweile 10jährige alternative Kulturzentrum in der Berner Reithalle scheint kein Ende zu nehmen. Nachdem der rot-grüne Stadtrat (Legislative) im März 1996 1,489 Mio Fr. für die dringendsten baulichen Unterhaltsmassnahmen beschlossen hatte, reichte eine SVP-Parlamentarierin Rekurs gegen diesen Entscheid ein. Der zuständige Regierungsstatthalter gab der Beschwerdeführerin recht, welche moniert hatte, die vom Stadtrat verabschiedeten Massnahmen würden auf eine spätere Gesamtsanierung hinauslaufen. Darüber aber müsse das Volk frei und ohne bereits geschaffene Sachzwänge befinden können. Der Stadtrat bestritt diesen Zusammenhang zwar, verzichtete aber darauf den Entscheid weiterzuziehen. Der Gemeinderat legte daraufhin dem Stadtrat ein Gesamtprojekt für die Sanierung von 13,4 Mio Fr. vor; dem für die Projektierungsarbeiten notwendigen Kredit von 480 000 Fr. stimmte der Stadtrat zu [27].
 
[23] BZ, 22.1., 26.4., 4.7., 5.9., 24.10., 13.11., 24.11., 28.11. und 20.12.97. Siehe SPJ 1996, S. 310.23
[24] BaZ, 18.1., 22.1., 23.1., 4.4., 2.5., 5.6., 24.7., 10.9., 24.9., 25.10., 4.11., 14.11. und 24.11. 97. Gegen den Vertrag war von der SD erfolglos das Referendum ergriffen worden. Siehe SPJ 1996, S. 310.24
[25] BaZ, 28.2., 14.5., 7.10., 4.11. und 21.11.97; SZ, 10.11.97; TA, 10.11.97; NLZ, 13.11.97; NZZ, 21.11.97; Presse vom 24.11. und 25.11.97; CdT und JdG, 25.11.97. Siehe SPJ 1996, S. 310.25
[26] NZZ, 28.5. und 11.6.97; CdT, 6.6., 12.6. und 25.6.97; AT, 30.12.97.26
[27] Bund, 22.1., 23,1., 31.1., 4.4., 11.4., 25.6., 11.7., 24.7., 5.9., 23.10. und 1.11.97. Siehe SPJ 1991, S. 276.27