Année politique Suisse 1997 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
print
SRG
Die Rechnung 1997 der SRG wies wegen der Schliessung der Deckungslücke bei der Pensionskasse des Bundes einen Verlust von 22 Mio Fr. aus (1996: +18 Mio) [22].
Im Rahmen der "Unternehmensstrategie 1997 bis 2002" erwog die SRG, ein viertes Radioprogramm zu lancieren und damit insbesondere das regionale Angebot auszubauen. Sie stellte auch eine engere Zusammenarbeit mit den Lokalradios und sogar Beteiligungen in Aussicht. Die Lokalradios wehrten sich jedoch heftig gegen ein viertes Radioprogramm und damit einen weiteren Ausbau der Stellung der SRG. Vielmehr forderten sie, dass das Gebührenprivileg der SRG aufgehoben werde [23].
Auch auf Stufe Fernsehen bliesen Private zum Angriff auf die SRG. Im Dezember vergangenen Jahres hatte die SRG dem Bundesrat erneut eine Konzessionsänderung für die vierte Fernsehkette beantragt. Diese sollte nach dem Konkurrenzprogramm "S Plus" und dem Mischprogramm "Schweiz 4/Suisse 4/Svizzera 4" innerhalb von weniger als vier Jahren zum dritten Mal, als ergänzendes Fernsehprogramm neu konzipiert und regionalisiert werden. Das Neukonzept stiess aber insbesondere in der Deutschschweiz auf Kritik. Der Verband Schweizerischer Regionalfernsehen "Telesuisse" kritisierte das entstehende nationale "Doppelmonopol" der SRG und forderte einen jährlichen Anteil an den SRG-Gebühreneinnahmen von vorab 30 der rund 800 Mio Fr. In dieselbe Richtung zielten Stellungnahmen des Zeitungsverlegerverbands Schweizer Presse, des Bunds Schweizer Werbeagenturen (BSW), der Lokalradios und des "Hofer-Clubs". Auch der Ständerat unterstützte die Forderung eines stärkeren Gebührensplittings im Grundsatz. Er überwies ein Postulat seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF), das vom Bundesrat verlangt, privaten Fernsehveranstaltern, die eine regelmässige Informations- und Kulturleistung von öffentlichem Interesse im regionalen Bereich erbringen, einen "angemessenen" Anteil am Ertrag der Empfangsgebühren zukommen zu lassen. Die SRG meldete Widerstand gegen eine Kürzung ihrer Gelder an.
Ende März genehmigte der Bundesrat die Neuausrichtung und damit die sprachregionale Aufsplitterung der vierten Fernsehkette der SRG. Er verband die Konzessionsänderung aber mit der ausdrücklichen Verpflichtung der SRG, den nationalen Zusammenhalt mit Programminhalten sicherzustellen. Um zu beweisen, dass sie ihrer Integrationsaufgabe nachleben will und im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 1998 hatte die SRG kurz zuvor ihr Konzept "SRG SSR Idée Suisse" skizziert. Die Projekte reichen von dreisprachigen "Arena"-Debatten bis zu einer "Seifenoper" schweizerischer Prägung und sollen die Verständigung zwischen den Sprachgruppen fördern. Ein Teil der Projekte soll über die Mehreinnahmen aus der vierten Senderkette finanziert werden [25].
Am 1. September ging die neu regional funktionierende vierte Fernsehkette auf Sendung, in der Deutschschweiz als "SF 2", in der Westschweiz als "TSR 2" und in der italienischen Schweiz als "TSI 2". Der Ergänzungskanal spricht ein jüngeres Publikum an, ist aber insbesondere auch als Sportkette konzipiert. Daneben setzen die privaten Anbieter, die als "Presse-TV" zusammengeschlossen sind, vorwiegend an den Wochenenden Akzente. Bis Ende Jahr verzeichnete SF 2 sowohl im Hauptprogramm als auch über 24 Stunden einen Marktanteil von 4,9% [26].
Zur Koproduktion von SF DRS und BBC über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).
Die SVP-Fraktion nahm den umstrittenen BBC-Film im Herbst zum Anlass, um ein weiteres Mal die SRG-Privilegien anzugreifen. Sie reichte in beiden Räten eine Motion ein, die den Bundesrat zu einer dringenden Revision der Gesetzgebung im Radio- und Fernsehbereich auffordert und eine Neudefinition der Stellung der SRG verlangt. Nationalrat Weigelt (fdp, SG), Präsident des Medienausschusses der FDP, reichte ebenfalls eine Motion für eine Lockerung des SRG-Gebührenmonopols ein, wobei er betonte, dass die FDP keine Schwächung der SRG anstrebe und auch deren Service public nicht in Frage stelle. Andere Veranstalter müssten aber ebenfalls die Möglichkeit erhalten, von den Gebühren zu profitieren, wenn sie bestimmte Konzessionsbedingungen erfüllen. Dazu gehörten staats-, bildungs- und kulturpolitische Auflagen [27].
Mit einem Bericht "Kultur in den Medien der SRG" nahm der Bundesrat Stellung zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen der letzten Jahre. Im Bericht würdigte er die kulturellen Leistungen der SRG, forderte sie aber auf, dem heimischen Kulturschaffen mehr Beachtung zu schenken und betonte die Wichtigkeit des SRG-Konzepts "Idée Suisse". Die SRG müsse zudem ihre Verständigungs- und Integrationsfunktion unter den Sprachgemeinschaften verstärken, indem sie dem Kulturschaffen in den Regionen mehr Bedeutung zumesse. Ein weiterer Kulturabbau aus finanziellen Überlegungen sei nicht zu rechtfertigen [28].
Die SRG verbreitet ihre Programme neu auch über Satellit und machte damit einen ersten Schritt in den zukunftsträchtigen Satellitenmarkt. Seit Juli verbreitet sie zehn Radioprogramme über den Satelliten Astra, die in ganz Europa frei empfangbar sind. Seit September werden auch die Fernsehprogramme SF1, SF2, TSR und TSI über den Eutelsat-Satelliten "Hot Bird 3" verbreitet, allerdings verschlüsselt und auf die Schweiz beschränkt. Zusätzlich wird SF DRS auch über den Satelliten Astra 1 G in verschlüsselter Form ausgestrahlt. Via Satellit erreicht die SRG auch jene Haushalte, welche aus topographischen Gründen die Programme bisher nicht empfangen konnten. Zudem ist die Verbreitung per Satellit billiger als die terrestrische, wo viele, teils teure Sender nötig sind. Mit der Verbreitung über Satellit setzte die SRG die Kabelanbieter unter Druck [29].
Liechtenstein stellt seinen seit 1979 bezahlten SRG-Jahresbeitrag von 250 000 Fr. auf 1998 ein. Der Landtag begründete seinen Entscheid damit, dass die SRG die Tendenz hätte, sich über das Fürstentum lustig zu machen. Als Konsequenz schliesst die SRG das Vaduzer Büro [30].
 
[22] Presse vom 27.3.98.22
[23] Presse vom 28.11.97.23
[25] BBl, 1997, II, S. 877 f.; Presse vom 25.3. und 27.3.97. Im November stellte die SRG die "Idée Suisse" in Genf offiziell vor (Presse vom 28.11.97).25
[26] BBl, 1997, II, S. 877 f.; Presse vom 14.5. und 2.9.97. Vgl. SPJ 1996, S. 322 f.26
[27] Verhandl. B'vers., 1997, IV, Teil II, S. 133 (SVP) und 142 (Weigelt); BaZ, 25.10.97; SGT, 10.11.97. Der BBC-Film hatte Reimann (svp, AG) zuvor bereits zu einer Interpellation zur Zukunft der elektronischen Medienszene Schweiz veranlasst (Amtl. Bull. StR, 1997, S. 800 ff.). Im Dezember reichte die Schweizerische Fernseh- und Radio-Vereinigung (SFRV) eine Petition mit gut 20 000 Unterschriften für eine Totalrevision des RTVG ein; das geltende Gesetz verhindere die dringliche Liberalisierung und Öffnung über die Grenze (Bund, 10.12.97). Zu den Positionen der Parteien (neben SVP und FDP auch CVP, SP und Grüne) bezüglich Medienpolitik siehe auch Klartext, 1998, Nr. 2, S. 7 ff.27
[28] Lit. BA für Kultur; Bund, 17.6.97; NZZ, 4.7.97. Vgl. SPJ 1995, S. 305 und 1996, S. 321 f.28
[29] BZ, 27.6.97.29
[30] TA, 29.10.97.30