Année politique Suisse 1997 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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Sparten- und Lokalradios
Der einzige Deutschschweizer Spartenkanal, der populäre private Volksmusiksender Radio Eviva, gab nach fünfjähriger Tätigkeit seinen Sendebetrieb auf. Seit Oktober letzten Jahres sendete Eviva über Mittelwelle, konnte aber speziell im Raum Zürich nur schlecht empfangen werden, weshalb wichtige Werbegelder verloren gingen. Eviva warf dem EVED vor, es habe der gleichzeitig auf Mittelwelle expandierenden DRS-"Musigwälle 531" eine viel leistungsfähigere Frequenz zugestanden. Das EVED stellte dies in Abrede und beharrte auf dem Grundsatz, wonach die UKW-Frequenzen nur für SRG-Programme und Lokalradios freigegeben werden [40].
Als erster Deutschschweizer Jugendsender erhielt dafür Radio 105 Network mit Sitz in Basel eine Konzession vom Bundesrat. Der Sender, der erst 1998 starten wird und nur via Kabel empfangen werden kann, ist verpflichtet, die junge schweizerische Kulturszene, insbesondere die Musikszene, zu fördern [41].
Im Rahmen der zweiten Etappe der UKW-Sendernetzplanung erteilte das EVED Ende März 17 Lokalradios im östlichen Mittelland, in der Zentral- und Ostschweiz definitive Sendekonzessionen. Alle bisherigen 16 Lokalradios dürfen weitersenden, sechs weitere Bewerber für diese Gebiete wurden abgewiesen. Für das neu geschaffene Konzessionsgebiet Stadt Zürich konzessionierte das EVED unter sieben Bewerbungen überraschend Radio Tropic neu, das zur multikulturellen Integration verschiedener Bevölkerungskreise in Zürich beitragen will. Dem favorisierten Radio Opus erteilte es eine Absage, um eine Monopolstellung des Medienunternehmers Roger Schawinski (Radio 24 und TeleZüri) zu vermeiden. Zum Schutz gegen unerwünschte lokale Medienkonzentration wurde ausserdem in den Konzessionen von Radio Pilatus (Ringier und Luzerner AG) und Radio Argovia (Aargauer Zeitung AG und BT Wanner Holding AG) die maximale Beteiligung der Presseverlage auf 40% von Kapital und Stimmen der Lokalradioträgergesellschaft beschränkt. Beide Parteien reichten beim EVED Beschwerde ein. Eher überraschend korrigierte dieses im September seine Entscheide und erteilte beiden eine definitive Konzession ohne Auflagen. Es hielt dabei neu fest, dass die publizistische Vormachtstellung allein noch kein Grund für eine Ablehnung einer Konzession sein könne. Erforderlich sei vielmehr eine aktuelle Gefährdung der Meinungsvielfalt. Nach vertieften Abklärungen erteilte das EVED im Juni auch Radio Emme eine definitive Konzession. Die Region Emmental/Entlebuch war das letzte grössere Gebiet der Schweiz ohne Lokalradio. Für die übrigen neuen Regionen Solothurn, Luzern-Stadt und Stadt Schaffhausen traf das EVED noch keinen Entscheid, für die Stadt St. Gallen erübrigte er sich: Die Initianten des Projekts "Radio RaGA" zogen ihr Gesuch um eine Konzession für ein nichtkommerzielles Radio im November zurück [42].
Als letztes von vier Lokalradios, die im Rahmen der ersten Etappe der UKW-Sendernetzplanung neu konzessioniert worden waren, ging im März Radio Ticino auf Sendung. Radio Piz erhielt für die Region Südbünden eine definitive Konzession [43].
In der Ostschweiz gründeten die drei Lokalradios Eulach, Thurgau und Wil eine gemeinsame Betriebsgesellschaft Radio Top. Radio Top produziert das gemeinsame Mantelprogramm, die Redaktionen der drei Lokalradios produzieren täglich je drei halbstündige lokale Fenster der Regionen Winterthur, Thurgau und Wil. Damit setzte dieses im Pressebereich wohlbekannte Mantelmodell auch bei den Lokalradios ein [44].
Zu Beginn des Jahres verfügte das EVED, dass das Lausanner Lokalradio AciduL, das sich nach der letztjährigen Beteiligung des französischen Radiokonzerns Radio Nostalgie neu Radio Nostalgie Lausanne nannte, das Label "Nostalgie" nicht benutzen dürfe, da Radio AciduL nur als schwachkommerzielles Lokalradio konzessioniert worden sei. Nachdem das Lausanner Lokalradio vor Bundesgericht vergeblich aufschiebende Wirkung des Entscheids verlangt hatte, benannte es sich in "102.8" um. Im Februar verweigerte das EVED die Genehmigung des wirtschaftlichen Übergangs der Konzession von Radio AciduL (Übernahme von 20% des Kapitals durch Radio Nostalgie). Nachdem AciduL auch gegen diesen Entscheid Rekurs einlegte, sistierte das Bundesgericht beide Verfahren, um den Parteien eine einvernehmliche Lösung zu ermöglichen. Der französische Konzern Nostalgie beteiligte sich ab Februar auch am Baselbieter Lokalsender Edelweiss mit 20% [45].
 
[40] BZ, 25.6.97; Presse vom 27.6.97. Vgl. SPJ 1996, S. 324 f.40
[41] BBl, 1997, III, S. 1058 ff.41
[42] TA, 22.1.97; Presse vom 27.3.97; SHZ, 22.5.97; AZ, 24.5.97 (Beschwerde); NLZ, 3.6. (Emme) und 3.9.97 (Pilatus); AZ, 10.9.97 (Argovia). Vgl. SPJ 1996, S. 325. Definitiv konzessioniert wurden im März Radio 32, Argovia, Kanal K (heute: Aargauer Regionalradio), Pilatus, Sunshine, Central (ehemals Schwyz), Zürisee, 24, Z, Lora, Eulach, Munot, Thurgau, Wil, Aktuell und Ri (ehemals Gonzen). Abgelehnt wurden im Gebiet Stadt Zürich Business Radio, Star-Radio, Sky, Opus, Powerstation und Magic FM.42
[43] CdT, 21.3.97 (Ticino); Presse vom 27.3.97 (Piz).43
[44] Presse vom 11.9.97; NZZ, 13.9.97.44
[45] JdG, 9.1.97; 24 Heures, 14.3.97 (AciduL); BaZ, 26.2.97 (Edelweiss).45