Année politique Suisse 1998 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
An einer Delegiertenversammlung vom 18. April in Bern wurde Regierungsrätin Marianne Kleiner (AR) als Nachfolgerin von Ständerätin Vreny Spoerry (ZH) ins FDP-Vizepräsidium gewählt [14].
In der Finanzpolitik legte die FDP Wert auf den Abbau der Staatsverschuldung sowie auf eine strikte Ausgabendisziplin. Als wichtigste kurzfristige Massnahme betrachtete sie die Umsetzung des Haushaltsziels 2001 sowie das Stabilisierungsprogramm. Sie lehnte insbesondere die Einführung einer allgemeinen Kapitalgewinnsteuer, eine Beteiligungsgewinnsteuer und eine eidgenössische Erbschaftssteuer ab und wehrte sich gegen die vom Bundesrat im Rahmen der Schliessung von Steuerschlupflöchern vorgeschlagene höhere Besteuerung der Kapitalleistungen aus den Vorsorgesäulen 2 und 3a. Unerlässliche Kompensationen von Steuerausfällen müssten im Bereich der indirekten Steuern erfolgen, da der MWSt-Satz in der Schweiz vergleichsweise tief sei. Für die FDP-Parteileitung hatte die Sanierung der Bundesfinanzen Priorität gegenüber der Wohneigentums-Initiative, weshalb sie die Nein-Parole beschloss [15].
In ihrer Vernehmlassungsantwort lehnte die FDP den Energieabgabebeschluss (EAB), der auf allen nichterneuerbaren Energien eine Abgabe von 0,6 Rp./kWh vorsieht, rundweg ab. Dieser würde eine unannehmbare Subventionsmaschinerie in Gang setzen und die Wirtschaft mit zusätzlichen Kosten von rund 1 Mia Fr. belasten. Für diskussionswürdig hielt sie hingegen den von der Ständerats-Urek vorgeschlagenen Verfassungsartikel, der ebenfalls eine Abgabe auf nichterneuerbaren Energien vorsieht, dessen Erträge aber zur Entlastung der Wirtschaft von obligatorischen Lohnnebenkosten eingesetzt werden sollen. Auf die Übergangsbestimmungen, die eine auf mindestens 10 Jahre befristete Förderung erneuerbarer Energien und eine rationelle Energienutzung verlangt, wollte sie aus denselben Gründen wie beim EAB nicht eintreten [16].
In ihrer Stellungnahme zum IDA-FiSo-2-Bericht sprach sich die FDP gegen einen weiteren Ausbau des Sozialstaates und für Reformen unter dem Aspekt einer nachhaltigen Sicherung der Zukunft der Sozialwerke aus. Sie warf der SP vor, durch ihre Sorglosigkeitskampagne das Problem der Finanzierung schlicht zu negieren [17].
Im Grundsatz standen die FDP-Frauen der Einführung einer Mutterschaftsversicherung positiv gegenüber, allerdings bestand über die Frage der Finanzierung noch kein Konsens. Auch die Mehrheit der Fraktion machte die Schaffung einer Mutterschaftsversicherung von einer sauberen Finanzierungsgrundlage abhängig. Bezüglich Schwangerschaftsabbruch sprach sie sich mehrheitlich für die Straffreiheit und gegen die Zwangsberatung aus, da diese zu unerwünschter staatlicher Einflussnahme führe und der Selbstverantwortung der Frau nicht gerecht werde [18].
Der Neuenburger FDP-Parteitag vom 24. Oktober stand ganz im Zeichen des programmatischen Aufbruchs. Der Freisinn wolle sich nicht länger am traditionellen Links-rechts-Schema orientieren, sondern strebt eine Modernisierungspolitik jenseits von rechts und links an; von Belang sei in Zukunft der Gegensatz zwischen Status Quo und Modernisierung. Unter Führung von Parteipräsident Steinegger und Generalsekretär Matyassy wurde die “Vision Schweiz 2007” ausgearbeitet, die ein Denkmodell der erwarteten Entwicklung darstellen soll. Im volkswirtschaftlichen Bereich sind nach freisinniger Vorstellungen im Jahr 2007 Wettbewerbsbehinderungen abgebaut, die Finanzierung der Sozialversicherungen langfristig gesichert und die Grundversicherung der Krankenkassen durch die Verselbständigung der öffentlichen Spitäler finanziell tragbar. Im Bildungsbereich ist die akademische Bildung dereguliert und der Markt für private Anbieter offen. In aussenpolitischer Hinsicht ist die Schweiz Mitglied von UNO und EU und verfügt über eine moderne Milizarmee, die ihren Auftrag im UNO/NATO-Verbund erfüllt. Im politischen System steht ein starker Bundespräsident an der Spitze eines Regierungsteams, das ein von mehreren Parteien getragenes Programm umsetzt und seine Führungsrolle wahrnimmt. Das Durchschnittsalter im Bundesrat liegt unter fünfzig und mehrere Frauen gehören ihm an. Die Parteienlandschaft setzt sich aus einer nationalkonservativen, einer linkskonservativen und einer Modernisierungsbewegung zusammen [19].
Bei den kantonalen Wahlen büsste die FDP insgesamt 16 Parlamentssitze ein, davon 14 alleine in der Waadt. Dies ist allerdings damit zu relativieren, dass das Kantonsparlament von 200 auf 180 Sitze reduziert wurde. Während sie im Kanton Glarus einen weiteren Regierungsratssitz auf Kosten der SP eroberte, verlor sie je einen in Appenzell Ausserrhoden und Nidwalden. Zusätzlich büsste sie in Glarus einen der beiden Ständeratssitze zugunsten der SVP ein.
 
[14] NZZ, 10.3.98; Presse vom 20.4.98.14
[15] Presse vom 20.4.98. Vgl. auch die FDP-Positionspapiere Die Finanz- und Steuerpolitik sowie Die Wohneigentumsbesteuerung, Bern 1998.15
[16] NZZ, 6.10.98.16
[17] NZZ, 15.8.98; FDP-Pressedienst, 5.2.98.17
[18] NZZ, 18.5.98; FDP-Pressedienst, 27.8. und 1.10.98.18
[19] NZZ, 14.10.98; Ww, 22.10.98; Presse vom 24.10. und 26.10.98; SoZ, 25.10.98.19