Année politique Suisse 1998 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen / Arbeitnehmer
Nach nur einer Amtsperiode trat die Genfer Ständerätin Christiane Brunner (sp) als Co-Präsidentin des SGB zurück. Als Grund gab sie die Überbelastung durch ihre drei Ämter als Parlamentarierin, SMUV- und SGB-Präsidentin an. Wenig später gab auch SGB-Co-Präsident Vasco Pedrina, der zugleich auch die GBI präsidiert, seinen Verzicht auf eine weitere Amtsperiode bekannt
[8]. Als aussichtsreichster Kandidat zeichnete sich rasch
Paul Rechsteiner ab. Der dem linken SP-Flügel zugerechnete St. Galler Nationalrat ist zwar langjähriges VPOD-Mitglied und präsidierte auch den kantonalen Gewerkschaftsbund, verfügte aber bisher über keine eigentliche gewerkschaftliche Hausmacht; im Parlament hatte er sich eher zu Themen wie Staatsschutz und Justiz als zu sozialpolitischen Fragen engagiert. Als einziger Kandidat wurde er am 7. November in Davos vom SGB-Kongress zum
neuen Präsidenten gewählt. Als einen Wechsel zu einem radikaleren Kurs liess sich diese Wahl aber kaum interpretieren, wählten die Delegierten doch gleichzeitig den Präsidenten der Gewerkschaft Druck und Papier und Sprecher der aktivistischen Westschweizer Gewerkschaften, Christan Tirefort, von seinem Amt als SGB-Vizepräsidenten ab. Tirefort hatte sich zuletzt durch seine kompromisslose Opposition zur Revision des Arbeitsgesetzes gegen die SGB-Führung gestellt (siehe oben)
[9].
Die Strukturveränderungen in der Wirtschaft, aber auch die schwindenden Mitgliederzahlen, welche es kleinen Gewerkschaften zusehends schwieriger machen, ihre Dienstleistungen flächendeckend anzubieten, beschleunigen seit einigen Jahren die organisatorischen
Konzentrationsprozesse. An einem Kongress in Bern am 26. Oktober wurde die neue Gewerkschaft „
Kommunikation“ mit insgesamt rund 45 000 Mitgliedern gegründet. Ihr gehören sechs Verbände an: Gewerkschaft PTT-Union, Verband Schweiz. Postbeamter, Verband Schweiz. Telefon- und Telegrafenbeamter, Schweiz. Posthalterverband, Vereinigung des schweizerischen Flugsicherungspersonals und die Sektion Post des Personalverbands des Bundes
[10]. Die dem CNG angehörende Postgewerkschaft startete unter dem Namen „transfair“ ein Fusionsprojekt, dem sich auch andere christliche Verbände des Bundespersonals anschliessen sollen
[11].
Der geplante Zusammenschluss der sechs im
Medienbereich tätigen Arbeitnehmerverbände zur neuen Gewerkschaft
Comedia ging nicht reibungslos vonstatten. Zwei der sechs am Projekt beteiligten Organisationen verzichteten auf ein Mitmachen. In einer Urabstimmung beschlossen die Angehörigen des rund 6000 Mitglieder umfassenden Verbands der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) mit relativ knappem Mehr, der neuen Organisation nicht beizutreten. Die vor allem in der Deutschschweiz beheimateten Gegner führten an, dass sich ihr Berufsbild zu sehr von demjenigen der Drucker unterscheide und auch die automatische Zugehörigkeit zum SGB für einige Medienschaffende nicht unproblematisch wäre. Etwas später fiel auch beim Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) der Beitrittsentscheid negativ aus. Zwar stimmten in einer Urabstimmung 53% der Fusion zu, erforderlich wäre aber ein qualifiziertes Mehr von 60% gewesen. Im Gegensatz zum SVJ kam bei dieser vor allem aus Radio- und Fernsehangestellten gebildeten Organisation die Gegnerschaft vor allem aus der Westschweiz
[12]. Die bereits zum SGB gehörenden Organisationen Gewerkschaft Druck und Papier (GDP), Schweizerische Journalistinnen und Journalistinnen-Union (SJU) und Schweizerischer Lithographenbund (SLB) stimmten an Delegiertenversammlungen der Fusion zu; einen Beitrittsbeschluss fassten ebenfalls die Mitglieder des Angestelltenverbands des Schweizer Buchhandels (ASB)
[13]. An einem Kongress am 12. Dezember in Bern wurde die neue Gewerkschaft Comedia gegründet und der bisherige Präsident der GDP, Christian Tirefort, zum Präsidenten gewählt
[14].
Die Leitungen der beiden dem
CNG angehörenden Arbeitnehmerorganisationen Gewerkschaft Industrie, Handel und Gewerbe (CMV) und Christlicher Holz- und Bauarbeiterverband (CHB) beschlossen zu Jahresbeginn eine engere Zusammenarbeit, welche in eine Fusion münden soll. Die beiden Verbände zählen rund 28 000 resp. 35 000 Mitglieder
[15]. In einer Urabstimmung sprachen sich zudem die 18 000 Mitglieder des Landesverbands freier Schweizer Arbeitnehmer (
LFSA) mit sehr deutlichem Mehr für einen Beitritt zu diesem neuen Verband aus. Die vierte daran beteiligte Organisation ist die dem CNG angehörende und gut 3000 Mitglieder zählende Grafische Gewerkschaft (SGG). An einem ausserordentlichen Kongress am 12. September in Biel stimmten die Delegierten aller vier Verbände der Vereinigung mit klaren Mehrheiten zu und gründeten die neue Gewerkschaft mit dem Namen „
SYNA“. Am 1. Oktober nahm sie ihre Tätigkeit auf
[16].
Der Zusammenschluss des
Bankpersonalverbandes (SBPV) mit dem
Kaufmännischen Verband (SKV), den beide Organisationen im Vorjahr grundsätzlich gutgeheissen hatten, geriet ins Stocken. Zwar stimmte der SBPV im März einer Fusion zu, die Delegierten des SKV verschoben hingegen im Juni ihren Entscheid auf später, da noch nicht alle Fragen geklärt seien. Als Reaktion auf dieses Zögern sprachen sich anschliessend die Delegierten des SBPV für einen Verzicht auf weitere Fusionsverhandlungen aus
[17].
Der SGB musste eine erneute Schrumpfung seiner
Mitgliederzahl auf 387 535 (-2%) in Kauf nehmen. Immerhin konnte die neue, in Konkurrenz zum VHTL stehende Dienstleistungsgewerkschaft Unia gut 2000 neue Mitglieder gewinnen
[18].
[8]
BZ, 23.4.98 (Brunner);
LT und
TA, 16.5.98 (Pedrina).8
[9]
LT, 20.5.98;
SGT, 3.6.98;
BaZ und
Bund, 5.11.98 (Porträts von Rechsteiner); Presse vom 9.11.98 (Kongress);
NZZ, 9.11.98;
WoZ, 12.11.98 und
Lib., 18.11.98 (Tirefort). Tirefort wurde durch den SMUV-Vertreter Jean-Claude Rennwald (NR, sp, JU) ersetzt.9
[10]
NZZ, 17.10. und 27.10.98. Die neue Einheitsgewerkschaft gehört dem SGB an.10
[11]
AZ, 22.6.98;
SN, 5.11.98.11
[12] Presse vom 19.5.98 (SVJ);
Bund und
NZZ, 26.6.98 (SSM). Im Gegensatz zum SVJ gehört das SSM dem SGB bereits an. Vgl.
SPJ 1997, S. 387. Generell zur Fusionswelle in der Gewerkschaftsbewegung siehe auch
SoZ, 28.6.98.12
[13]
NZZ, 8.6.98 (SLB und SJU);
AZ, 22.6. (ASB) und 28.6.98 (GDP).13
[14]
NZZ, 11.12. und 13.12.98;
Bund, 13.12.98. Zu Tireforts Auseinandersetzung mit der SGB-Spitze siehe oben.14
[15]
BZ und
NLZ, 19.1.98;
SN, 2.7.98.15
[16]
NZZ, 25.4. (LFSA), 1.9. (SGG) und 14.9.98 (Kongress).16
[17]
NZZ, 22.6. (SKV) und 21.10.98 (SBPV). Vgl.
SPJ 1997, S. 387.17
[18]
TA, 13.4.99. Siehe auch
Lit. Bauer. Zur Unia siehe
SPJ 1996, S. 371 f.18
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