Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein / Grundsatzfragen
Mitte Juni gab der Bundesrat sein Projekt für die Schaffung der im Vorjahr angekündigten Solidaritätsstiftung in die
Vernehmlassung. Zum Stiftungszweck hielt er an den 1997 von ihm und der Konzeptgruppe ausgearbeiteten allgemeinen Grundsätzen fest. Im vorgelegten Gesetzesentwurf verzichtete er auf die detaillierte Angabe der einzelnen zu unterstützenden Projekte, da diese Konkretisierung eine Aufgabe des Stiftungsrats sein werde. Er betonte aber nochmals, dass dies kein Fonds zur Zahlung von Beiträgen an Holocaustopfer sein werde, da von diesem nur Projekte, nicht aber Einzelpersonen profitieren könnten. Die Finanzierung soll über die Bewirtschaftung eines Teils (500 der rund 1300 Tonnen) der für die Währungspolitik nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank geschehen. Dies würde beim aktuellen Goldpreis einem Stiftungskapital von rund 7 Mia Fr. entsprechen. Die
SVP lehnte diese Pläne kategorisch ab und verlangte, das
Geld zugunsten der AHV zu verwenden; diese Position wurde auch vom Schweizerischen Gewerbeverband geteilt. Gegen die Stiftung sprachen sich auch die Schweizer Demokraten, die Freiheitspartei und die EDU aus. Die FDP, die CVP und die LP stellten sich grundsätzlich hinter die Solidaritätsstiftung, verlangten aber wie auch der Gewerkschaftsbund und der Vorort eine Konkretisierung der Aufgaben im Gesetz. FDP und CVP vertraten die Ansicht, dass sich die Stiftung auf die Unterstützung von Projekten für Kinder und Jugendliche konzentrieren solle. Die SP, die Grünen und die Hilfswerke, welche die Stiftung ebenfalls guthiessen, begrüssten hingegen die Offenheit bei der Formulierung der möglichen Aufgaben
[16].
Aus der Überlegung heraus, dass die geplante Solidaritätsstiftung die Hürde der Volksabstimmung nicht überspringen werde, wenn der Eindruck besteht, dass aus ihr weitere Zahlungen an jüdische Organisationen in den USA geleistet werden sollen, reichte Danioth (cvp, UR) im Ständerat eine Motion ein, welche Zweck, Organisation und Finanzierung dieser Stiftung definiert. Die meisten Punkte dieses Vorstosses deckten sich mit dem Vernehmlassungsentwurf und wurden als Postulat überwiesen. Gegen den Willen des Bundesrates wurde aber derjenige Teil in zwingender Motionsform überwiesen, welcher vorschreibt, dass die Fondsmittel
nicht für Projekte im Zusammenhang mit dem Holocaust und seinen Opfern verwendet werden dürfen
[17].
Anlässlich der Beratung des
neuen Verfassungsartikels über die Nationalbank im Dezember fand im Nationalrat auch eine Debatte über die Verwendung der für die Währungspolitik nicht mehr benötigten Goldreserven statt, mit denen unter anderem auch die Solidaritätsstiftung finanziert werden soll. Bereits vor dieser Debatte hatte SVP-Nationalrat
Blocher (ZH) verkündet, dass er dafür kämpfen werde, den Erlös der nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank (des „Volksvermögens“)
für die AHV und nicht für die Solidaritätsstiftung oder andere Zwecke einzusetzen. Ein Sonderparteitag der SVP beschloss im Juni, eine entsprechende Volksinitiative vorzubereiten. In der Parlamentsdebatte im Dezember unterlag ein entsprechender Antrag Baumann (svp, TG). Durchgesetzt hat sich der Antrag der Kommissionsmehrheit, den Entscheid über die Frage der Verteilung der Erträge bzw. der Ausgliederung der nicht mehr benötigten Reserven offenzulassen und ihn der Gesetzgebung zuzuweisen
[18].
Die von Nationalrat Blocher 1997 als Konkurrenz zur Solidaritätsstiftung initiierte eigene, aus privaten Mitteln von Vermögenden zu äufnende Stiftung kam nicht zustande. Anstelle der angestrebten 50 Mio Fr. wurden nur gerade 3,5 Mio (inkl. Blochers Startmillion) auf das Konto überwiesen
[19].
[16] Presse vom 24.6. und 29.9.98;
NZZ, 26.11.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 17 ff.16
[17]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 794 ff. Vgl. dort auch die ausführlichen Darlegungen zum Fonds von BR Villiger.17
[18] Währungsartikel:
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2721 ff.; Presse vom 17.12. und 18.12.98. Blocher und SVP:
TA, 16.1.98; Presse vom 2.6.98.18
[19]
NZZ, 7.2.98. Siehe
SPJ 1997, S. 19.19
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