Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Grundrechte
Am 10. Dezember wurde der 50. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO gefeiert. Die Schweiz beging diesen Anlass mit diversen Symposien, Leitartikeln in der Presse und Ansprachen – unter anderem durch Bundespräsident Cotti und Ständeratspräsident Rhinow (fdp, BL) vor der Vereinigten Bundesversammlung. Bei dieser Gelegenheit erschien auch eine CD-ROM mit dem Titel „Isle of Right“, welche primär einem jugendlichen Publikum auf spielerische Weise die Geschichte und die Bedeutung der Menschenrechte näherbringen will [1].
Die im Vorjahr eingeleitete Vernehmlassung über einen Beitritt der Schweiz zum internationalen Übereinkommen zum Verbot und zur Verhütung des Völkermordes (Genozid-Konvention) der UNO von 1948 ergab breite Zustimmung. Die SP und Amnesty International verlangten, dass bei der notwendigen Anpassung der Strafrechtsnormen der Begriff Genozid nicht nur ethnische, sondern auch soziale und politische Gruppen einschliessen soll [2].
Der Nationalrat überwies eine Motion Baumberger (cvp, ZH) für eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls von 1952 zur Europäischen Menschenrechtskonvention, welches die Schweiz 1976 unterzeichnet hat. Inhaltlich geht es bei diesem Protokoll um den Schutz vor willkürlicher Enteignung, um das Recht auf Bildung und um die Durchführung von geheimen und freien Wahlen. Der Bundesrat erklärte sich mit der Motion einverstanden, will aber zuerst noch eine Konsultation der interessierten Kreise und der Kantone durchführen [3].
Die Rechtsprechung war weiterhin mit der Suche nach einer einheitlichen Auslegung des Antirassimusgesetzes befasst. In Genf wurde die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers bestätigt, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Roger Garaudy verkauft hatte. Da der Buchhändler nicht aus antisemitischen Gründen gehandelt habe, reduzierte das Gericht die Busse. In einem analogen Fall hatte demgegenüber das Waadtländer Kantonsgericht einen erstinstanzlich verurteilten Buchhändler mit der Begründung freigesprochen, dass nur der Autor und der Herausgeber derartiger Publikationen bestraft werden können [4]. Das Bezirksgericht Baden (AG) sprach gegen zwei notorische Holocaust-Leugner, den Basler Publizisten Jürgen Graf und dessen Verleger, den im Aargau lebenden Deutschen Gerhard Förster, exemplarisch hohe Strafen aus. Sie wurden zu einem unbedingten Freiheitsentzug von 15 resp. 12 Monaten verurteilt [5].
 
[1] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 3008 ff.; Presse vom 9.12. und 10.12.98; NZZ, 11.12.98 (CD-ROM).1
[2] NZZ, 20.1.98.2
[3] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2814 f.3
[4] GE: NZZ, 24.2.98. VD: LT, 5.9.98. Vgl. SPJ 1997, S. 27.4
[5] AT, 14.7.98. Siehe auch WoZ und Ww, 23.7.98 sowie Marcel Niggli, „Rassismus-Strafnorm: Kein Maulkorbgesetz“, in Plädoyer, 1998, Nr. 2, S. 27 ff. Zu Verstössen gegen das Antirassismusgesetz im Internet siehe unten (Strafrecht).5