Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
Anfangs Juli stellte der Bundesrat seine Botschaft zu zwei Bundesgesetzen über die Post- und Telefonüberwachung resp. die Tätigkeit von verdeckten Ermittlern vor. Die Vorschläge für die Postüberwachung und Telefonabhörung entsprachen weitgehend dem Vernehmlassungsprojekt. Die Vergehen, bei deren Verfolgung oder Verhinderung eine Überwachung angeordnet werden kann, wurden jedoch präzisiert, indem sie in einem Katalog aufgezählt sind. Dieser ist allerdings keineswegs so restriktiv, wie er von der SP gefordert worden war. Die Bedingungen, unter denen eine richterliche Behörde im Rahmen einer Untersuchung eine Überwachung anordnen darf (die von einem übergeordneten Justizorgan zu genehmigen ist), wurden gegenüber den geltenden Bestimmungen und der bisherigen Praxis etwas verschärft. Anstelle eines blossen muss nun ein konkreter Tatverdacht vorliegen; wie bis anhin soll es dabei um eine gravierende strafbare Handlung gehen, die mit anderen Ermittlungsmethoden ungenügend hat aufgeklärt werden können.
Das
neue Gesetz über verdeckte Ermittler gilt in erster Linie für den Einsatz bei der Bekämpfung des Drogenhandels durch den Bund und die Kantone; es kann zudem auch im Strafverfahren bei den der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden schweren Delikten angewendet werden. Bei den eingesetzten Ermittlern muss es sich in der Regel um ausgebildete Polizisten handeln. Der Einsatz von verdeckten Ermittlern ausserhalb des Drogenhandels durch die Kantone ist nicht ausgeschlossen, bedarf allerdings einer eigenen kantonalen Rechtsgrundlage. Mit richterlicher Genehmigung können diese Ermittler gemäss dem Projekt des Bundesrates mit einer anderen Identität und entsprechenden Papieren ausgestattet werden. Für ihren Einsatz gelten die gleichen Voraussetzungen wie beim Telefonüberwachungsgesetz (Schwere des Delikts, konkreter Tatverdacht und Erfolglosigkeit anderer Ermittlungsmethoden). In der Anwendung wird zwischen zwei Phasen unterschieden. In einer ersten, bei der es um die Infiltration einer Organisation oder Szene geht, wird der Einsatz von der Leitung einer kantonalen oder eidgenössischen Polizei angeordnet, in der zweiten Phase, im Rahmen eines Strafverfahrens, von den Untersuchungsbehörden (in den Kantonen meist Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter). Erst in dieser zweiten Phase soll es den verdeckten Ermittlern
erlaubt sein, den Händlern als Kunden entgegenzutreten und straflos Drogen abzukaufen. Bei anderen im Rahmen ihrer Tätigkeit möglichen Straftaten soll diese Straflosigkeit hingegen nicht bestehen, da eine Beteiligung von Polizeibeamten an Delikten wie Einbrüchen oder Raubüberfällen oder die Begehung der von kriminellen Organisationen von neuen Mitgliedern als Loyalitätsbeweis verlangten Gewalttaten rechtsstaatlich problematisch wäre. Das Gesetz enthält schliesslich auch Schutzbestimmungen für die Ermittler, welche namentlich dazu dienen, während des Gerichtsverfahrens deren Identität nicht preiszugeben
[28].
[28]
BBl, 1998, S. 4241 ff.;
Bund und
NZZ, 27.6.98. Zu den Vernehmlassungsverfahren siehe
SPJ 1995, S. 26 und
1996, S. 27 f. (Verdeckte Ermittler) sowie
1997, S. 32 (Post- und Telefonüberwachung).28
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