Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
Die im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung im Paket Justizreform vom Bundesrat beantragte Kompetenz zur
Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen wurde vom Parlament gutgeheissen. Widerstand gab es nur von den Liberalen Leuba (NE) und Sandoz (VD), welche das Projekt aus grundsätzlich föderalistischen Gründen bekämpften. Die Vorlage konnte allerdings im Berichtsjahr infolge von Differenzen zwischen den beiden Räten zu anderen Reformteilen noch nicht verabschiedet werden
[29]. Die
praktische Umsetzung dieser Vereinheitlichung wird freilich noch einige Zeit dauern. Der Fahrplan des EJPD sieht eine Vernehmlassung frühestens im Jahr 2000 und die Inkraftsetzung nicht vor 2005 vor. Eine Expertenkommission präsentierte zu Jahresbeginn einen ersten Grundlagenbericht für ein künftiges Strafprozessgesetz. Dabei fassten die Wissenschafter einige Grundsatzentscheide. So sprach sich eine Mehrheit dafür aus, die Strafuntersuchung nicht durch den Staatsanwalt, sondern durch einen unabhängigen Untersuchungsrichter leiten zu lassen. Diese Regelung gilt heute in allen Kantonen ausser Basel-Stadt und Tessin. Auf in einigen anderen Staaten praktizierte Neuerungen wie etwa das „plea bargaining“, d.h. das Aushandeln von Schuldanerkennung und Strafmass (USA), oder eine Kronzeugenregelung (Italien) soll nach Meinung der Experten verzichtet werden
[30].
Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Gesetzesvorentwurf für eine Vereinheitlichung der bisher kantonal geregelten Vorschriften über die
Berufsausübung von Anwälten fand ein positives Echo. Einzig die LP hätte aus grundsätzlich föderalistischen Gründen eine Konkordatslösung vorgezogen
[31].
[29]
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 253 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1446 ff. Die in den Vorjahren eingereichten und akzeptierten Standesinitiativen verschiedener Kantone für diese Vereinheitlichung konnten als erfüllt abgeschreiben werden (
Amtl. Bull. StR, 1998, S. 269 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1481 ff. Vgl.
SPJ 1997, S. 32). Zur Justizreform siehe unten, Teil I, 1c (Gerichte).29
[30] Presse vom 14.2.98. Vgl. auch
Plädoyer, 1998, Nr. 5, S. 6 ff.30
[31]
24 Heures, 14.5.98. Vgl.
SPJ 1997, S. 32 sowie
Lit. Schiller.31
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