Année politique Suisse 1998 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Kommunalwahlen
Von den acht grössten Schweizer Städten (exklusive Basel) wählten Winterthur und Zürich Regierung und Parlament neu. Während in Winterthur alle sieben bisherigen Stadträte wiedergewählt wurden, konnte in Zürich die links-grüne Koalition ihre Mehrheit in der Exekutive um einen auf sechs Sitze ausbauen. Bei den Parlamentswahlen in Winterthur und Zürich gewannen SP und SVP auf Kosten der politischen Mitte weitere Mandate hinzu. Die Frauen gehörten zu den Wahlgewinnerinnen. Im neunköpfigen Zürcher Stadtrat sind neu vier Frauen vertreten, womit Zürich unter den grössten Städten die Spitzenposition einnimmt. In Bern sassen zeitweise vier Frauen in der siebenköpfigen Exekutive, während es derzeit noch drei sind. Winterthur verfügt nach wie vor über lediglich eine Stadträtin. Insgesamt belegten die Frauen 1998 14 von 53 kommunalen Exekutivsitzen der acht grössten Städte, was einem Anteil von 26,4% (1997: 24,5%) entspricht. In den kommunalen Parlamenten derselben Städte vergrösserte sich der Frauenanteil geringfügig von 35,2% auf 35,5%.
Die Kommunalwahlen in Winterthur vom 22. Februar standen im Schatten jener von Zürich. Seitdem die SP 1986 auf Kosten der FDP den dritten Sitz zurückerobert hatte, setzte sich der Winterthurer Stadtrat aus 3 SP, 2 FDP, 1 SVP und 1 CVP zusammen. An dieser Formel änderte sich auch 1998 nichts. Alle bisherigen Stadträte wurden wiedergewählt, zudem wurde Martin Haas (fdp) – allerdings ohne Gegenkandidat – als Stadtpräsident bestätigt. Als
Siegerin der Parlamentswahlen konnte sich die
SP über
drei Mandatsgewinne freuen; sie erzielte das beste Resultat seit 1966 und ist mit 21 Sitzen nach wie vor die stärkste Fraktion im 60köpfigen Gemeinderat. Fast ebenso markant legte die
SVP zu, die wie schon 1994
zwei Mandate hinzu
gewann und mit 10 Mandaten bis auf einen Sitz an die FDP heran kam. Sie profitierte vor allem vom Verzicht der Schweizer Demokraten (bisher ein Mandat) und vom Verlust eines Sitzes der Freiheits-Partei (2). Zu den Verliererinnen gehörten ferner die FDP (11) und die CVP (4), die je einen Sitz verloren, sowie der LdU, der nach einem weiteren Sitzverlust nur noch mit einer Abgeordneten im Rat vertreten ist. Die EVP und die Grünen blieben auf ihrer bisherigen Zahl von 5 bzw. 4 Mitgliedern stehen, ebenso die EDU und Die andere Partei (DaP) mit je einem Sitz. Die Anzahl Frauen stieg von 21 auf 24, dies auch dank der SVP, die zwei Frauen auf ihrer Liste doppelt aufführte und ihnen damit eine Wahl sicherte. Der
Frauenanteil beträgt neu
40%
[23].
Der Wahlkampf 1998 in der Stadt Zürich warf im Gegensatz zu 1994 keine grossen Wellen. Zu ersetzen waren die freigewordenen Plätze von Ursula Koch (sp) sowie Wolfgang Nigg (cvp). Eine Ausnahme bildeten die verbalen Schlagabtausche am Radio und Fernsehen um das Stadtpräsidium zwischen Stadtpräsident Josef Estermann (sp) und seiner Herausforderin, Ständerätin Monika Weber (ldu), die mit der Unterstützung eines bürgerlichen Komitees für die politische “Wende” in Zürich eintrat. Ansonsten wurden die fehlenden politischen Debatten über drängende Probleme, die kaum vorhandenen Visionen der Parteien und das mangelnde Interesse der Bevölkerung allgemein beklagt. Eine Ablösung der linksgrünen Mehrheit im Stadtrat war kaum erwartet worden, insbesondere deshalb, weil eine bürgerliche Koalition nicht einmal im eigenen Lager Begeisterung auszulösen vermochte. Die in der Exekutive nicht vertretene SVP betrieb weiterhin populistische Oppositionspolitik und liess zum Auftakt des Wahlkampfes eine Broschüre mit dem Titel “Die Katastrophe” in alle Haushalte verteilen, die Zürich in düsteren Farben darstellte.
Die rot/grün/christlichsoziale Koalition konnte ihre Mehrheit im Stadtrat dank ihrer Geschlossenheit auf sechs Sitze ausbauen, während die bürgerliche Wahlallianz einen Sitz verlor. Damit rächte sich ihr Gezänk um die Kandidaten der SVP sowie ihre anfängliche Unfähigkeit, einen gemeinsamen Kandidaten für das Stadtpräsidium aufzustellen, bis Monika Weber schliesslich in die Lücke sprang. Josef Estermann als alter und neuer Stadtpräsident setzte sich deutlich gegen Weber durch und lag in allen zwölf Stadtkreisen vor seiner Herausforderin. Er wurde mit dem besten Resultat in den Stadtrat gewählt, vor den bisherigen Thomas Wagner (fdp), Monika Stocker (gp) und Kathrin Martelli-Kenner (fdp). Monika Weber (ldu) landete als beste Neue auf Platz fünf, vor den Bisherigen Willy Küng (csp) und Robert Neukomm (sp). Die beiden Sozialdemokraten Elmar Ledergerber und Esther Maurer schafften den Sprung in die Regierung auf den Plätzen acht und neun. Damit belegt die SP erstmals seit 1978 wieder vier Exekutivsitze. Prominentestes Opfer der Zürcher Stadtratswahlen war FDP-Schulvorstand Hans Wehrli (fdp), der seit jeher über das kleinste Wählerpotential verfügt hatte. Ebenfalls nicht gewählt auf der bürgerlichen Sechserliste wurden Adrian Hug (cvp), Vilmar Krähenbühl und Emil Grabherr (beide svp). Damit schied die CVP nach dem Rücktritt von Gesundheitsvorstand Wolfgang Nigg aus dem Stadtrat aus. Keine Rolle spielte Susi Gut von den Schweizer Demokraten. Die Frauen stellen erstmals vier von neun Mitglieder der stadtzürcher Exekutive (44,4%).
Dass die neuen Machtverhältnisse im Stadtrat stärker auf die Schwäche der bürgerlichen Kandidaten und ihrer Kampagne als auf die Stärke der Linken zurückzuführen war, zeigte sich bei den Gemeinderatswahlen. Weder das linke noch das rechte Lager erreichte die Mehrheit; die politische Mitte verschwand fast ganz von der Bildfläche. Die Linke eroberte 59 Sitze, die bürgerliche Rechte 61, die politische Mitte (LdU und EVP) zusammen fünf Sitze. Die
SVP
gewann
sieben Sitze hinzu und schloss mit 26 Sitzen zur FDP auf. FDP (26) und CVP (8) mussten je zwei Sitzverluste hinnehmen. Die Schweizer Demokraten verloren gar drei von vier Mandaten. Auf der anderen Seite
legte die
SP um
sechs Sitze zu und stellt weiterhin mit insgesamt 49 Mandaten die grösste Fraktion. Die Grünen gewannen zwei Sitze hinzu (7), während die FraP vier von fünf Sitzen verlor. Die Alternativen konnten ihre beiden Sitze behalten. In der politische Mitte gehörten der
LdU mit
drei Sitzverlusten (4) und die EVP mit einem (1) zu den Verlierern. Die Anzahl Frauen verringerte sich im 125-köpfigen Gemeinderat von 47 auf 46, was neu einem
Frauenanteil von
36,8% (-0,8%) entspricht. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,6%
[24].
[23] Wahlen vom 22.2.98: Presse vom 23.2. und 24.2.98.23
[24] Wahlen vom 1.3.98: Presse vom 2.3. und 3.3.98. Zum Vorfeld der Wahlen vgl.
NZZ
Beilage “Stadtzürcher Wahlen 1998”, 3.2.98;
WoZ, 5.2.98. Zum Wahlkampf vgl. auch
NLZ, 7.2.98;
AZ, 16.2.98;
SGT, 19.2.98.24
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