Année politique Suisse 1998 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
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Weltwirtschaft
Die Wirtschaftsentwicklung 1998 war geprägt von den Finanz- und Wirtschaftskrisen in Ostasien und Russland. Neben daraus entstehenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten litten darunter auch die Exporte der Industriestaaten, namentlich Japans, das selbst in eine Rezession geriet. Dank lebhafter Binnenkonjunkturen gelang es allerdings den meisten westlichen Industriestaaten, die Wachstumsraten des Vorjahres mehr oder weniger zu halten. Das reale Bruttoinlandprodukt der OECD-Staaten nahm im Mittel um 2,2% zu (1997: 3,2%). Über diesem Durchschnitt lagen die Wachstumsraten in den USA (4%) und in den meisten kleineren Ländern West- und Nordeuropas. Ein wie bereits im Vorjahr schwaches Wirtschaftswachstum wies hingegen Italien auf. Während die mitteleuropäischen Reformstaaten von der Krise in Ostasien und Russland kaum betroffen waren, litten die lateinamerikanischen Länder unter sinkenden Rohstoffpreisen und Erschütterungen der eigenen Finanz- und Währungssysteme. In den Entwicklungsländern Afrikas setzte sich der leichte Aufschwung fort.
Die Teuerung bildete sich in praktisch allen Industriestaaten mit Ausnahme Grossbritanniens weiter zurück. Sie lag in den USA bei 1,6% und in der EU bei 1,7%. Ebenfalls rückläufig war (mit Ausnahme Japans, wo die Quote auf 4,1% anstieg) die Arbeitslosigkeit. In den USA sank die Arbeitslosenquote auf 4,3%, in der EU reduzierte sie sich von 11,2% auf 10,6% [4].
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Schweiz
Die Konjunkturerholung, welche 1997 begonnen hatte, setzte sich im Berichtsjahr fort. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm nach ersten Schätzungen um 2,1% (1997: 1,7% [5]) zu. Für diese Trendfortsetzung waren diesmal nicht mehr vor allem die Exporte verantwortlich (die unter der Ostasienkrise litten), sondern die Binnenmarktnachfrage und dabei namentlich der private Konsum. Die reale Wachstumsrate der Güterexporte reduzierte sich von 7,7% auf 4,9%. Der Einbruch der Exporte nach Ostasien (-26%) konnte durch gesteigerte Güterausfuhren in die EU kompensiert werden. Die lebhafte Binnennachfrage und die Zunahme der Investitionstätigkeit der Unternehmen liessen die Gütereinfuhren noch stärker expandieren als die Exporte (8,1%). Die optimistische Stimmung liess den privaten Konsum (1,8%) und die Ausgaben für Ausrüstungsinvestitionen (7,5%) markant stärker anwachsen als im Vorjahr. Erstmals seit 1990 erlebte auch die Bauwirtschaft wieder ein Wachstum. Die Bauinvestitionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 0,7% an. Typisch für Jahre mit Wirtschaftswachstum schloss die Handelsbilanz im Berichtsjahr mit einem Defizit ab (1,8 Mia Fr.). Der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz reduzierte sich geringfügig auf 18,5 Mia Fr.; grösseren Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft standen rückläufige Erträge aus dem Kommissionsgeschäft der Banken gegenüber. Der Ertragsbilanzüberschuss sank nach ersten Schätzungen auf 31,1 Mia Fr. (1997: 33,1 Mia Fr.) [6].
Auf dem Arbeitsmarkt war 1998 eine deutliche Verbesserung auszumachen. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm im Jahresmittel um 1,3% zu. Dieses Wachstum war erneut getragen von der Nachfrage nach Arbeitskräften im Dienstleistungsbereich (+1,9%), während im 2. Sektor ein weiterer Rückgang zu verzeichnen war (-0,5%). Im Baugewerbe nahm die Zahl der Beschäftigten allerdings wieder leicht zu (0,4%). Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) war die Steigerungsrate vor allem bei den Teilzeitangestellten ausgeprägt, aber im Gegensatz zum Vorjahr nahm auch die Zahl der Vollzeitbeschäftigten zu. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen reduzierte sich kontinuierlich von 182 492 im Januar auf 124 309 im Dezember (nicht saisonbereinigte Werte). In dieser Zahl sind allerdings die in Weiterbildungs- und Arbeitsprogrammen integrierten Arbeitslosen sowie diejenigen Ausgesteuerten, die auf eine Registrierung bei den Arbeitsvermittlungsämtern verzichten, nicht enthalten. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ging im Jahresmittel auf 3,9% zurück, im Dezember betrug sie noch 3,2% (Dezember 1997: 4,8%). Diese Quote war in allen Landesteilen rückläufig, lag aber in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin mit 5,3% resp. 6,3% immer noch deutlich über derjenigen der Deutschschweiz (3,3%). Der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen erhöhte sich weiter und betrug im Jahresmittel 48%. Die für internationale Vergleiche konzipierte SAKE des Bundesamtes für Statistik wies im 2. Quartal 1998 eine Arbeitslosenquote von 3,6% aus (1997: 4,1%) [7].
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung reduzierte sich weiter. Erstmals seit zwölf Jahren verharrte sie im Januar im Jahresvergleich auf der 0%-Marke. Diese Stabilität blieb das ganze Jahr hindurch weitgehend erhalten; im November war die Jahresteuerung sogar rückläufig. Im Jahresmittel erreichte der durchschnittliche Preisanstieg mit 0,0% einen Tiefstwert, der seit 39 Jahren nicht mehr erzielt worden war. Vor allem dank tieferen Erdölpreisen reduzierten sich die Preise für Importgüter und -dienstleistungen um 0,7%, während diejenigen für inländische Angebote um 0,3% stiegen. Der Preisindex der Produzenten- und Importpreise war im Berichtsjahr für beide Kategorien rückläufig (-1,2% resp. -2,2%) [8].
Der Ständerat unterstützte mit der Überweisung eines Postulats Büttiker (fdp, SO) die vom Bundesrat eingeleiteten Bestrebungen, die Berechnungsart des schweizerischen Konsumentenpreisindexes an diejenige des neuen „harmonisierten Verbraucherpreisindexes“ (HVP) der EU anzupassen. Neben einheitlichen Berechnungsformeln geht es dabei auch um die Definition eines durchschnittlichen „Warenkorbes“ zur Gewichtung der einzelnen Preise [9].
 
[4] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 7 ff.4
[5] Erneut zeigte sich, dass die ersten provisorischen Berechnungen des Wirtschaftswachstums des Vorjahres zu pessimistisch ausgefallen waren. Die präziseren Zahlen wiesen für 1997 ein reales Wachstum des realen BIP um 1,7% statt 0,7% aus (Bund, 9.9.98).5
[6] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 20 ff. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur suisse).6
[7] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 22 ff.; Die Volkswirtschaft, 1998/99 (Statistischer Anhang), S. 22 und 23. Siehe dazu auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).7
[8] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 24.8
[9] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1213 f.9