Année politique Suisse 1998 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
 
Geld- und Währungspolitik
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Geldmenge
Die Nationalbank gab bekannt, dass sie auch 1999 ihren grosszügigen und (in bezug auf Reaktionen auf Wechselkursschwankungen) pragmatischen Kurs in der Geldpolitik beibehalten werde. Nicht zuletzt mit dem Verweis, dass die Interpretation des zentralen Steueraggregats Notenbankgeldmenge immer schwieriger werde und man sich deshalb an kurzfristig weniger genau prognostizierbare Aggregate wie die Geldmenge M³ halten müsse, verzichtete die SNB auch dieses Jahr auf die Angabe eines exakt bezifferten Geldmengenziels für 1999 [1].
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Währung
Der exportgewichtete reale Wert des Schweizer Frankens blieb im Vergleich zu wichtigen anderen Währungen im Jahresdurchschnitt weitgehend stabil. In der ersten Jahreshälfte verlor er etwas an Wert, ab Ende August legte er wieder zu [2].
Die Einführung der Gemeinschaftswährung der EU, des Euro, auf den 1.1.1999 beschäftigte die Medien und auch die Unternehmen des Finanzmarktes während des ganzen Jahres. Grosse kurzfristige Auswirkungen auf die schweizerische Währungspolitik wurden von dieser Neuerung von Fachleuten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft kaum erwartet. Eine Repräsentativumfrage wies jedoch in der schweizerischen Bevölkerung eine recht grosse Skepsis in bezug auf die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Einheitswährung sowohl in der EU als auch in der Schweiz aus [3].
Das Parlament stimmte der Fortführung der Beteiligung der Schweiz an den Allgemeinen Kreditvereinbarungen (AKV) des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu. Im Nationalrat passierte die Vorlage allerdings nicht unangefochten. Vor allem die Ratslinke benutzte die Gelegenheit um grundsätzliche Kritik an der Politik des IWF zu üben, der wenig transparent entscheide und bei seinen Vorgaben für die Kreditgewährung an Länder in währungspolitischen Krisenlagen die sozialen Auswirkungen zuwenig berücksichtige. Die Aussenpolitische Kommission ihrerseits warf dem Bundesrat vor, dass er dem Parlament im Bereich der globalen Währungs- und Finanzorganisationen stets nur einzelne Teilstücke und nie eine Gesamtschau vorlege. Die vom Bundesrat beantragte Kompetenz, die Beteiligung an den AKV in Zukunft in eigener Regie vornehmen zu können, lehnte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission ab. Die kleine Kammer schloss sich diesem Entscheid an. Wie im Vorjahr der Nationalrat hiess nun auch der Ständerat den Bundesbeschluss über die Beteiligung der Schweiz am neuen Treuhandfonds des IWF gut (siehe im Detail oben, Teil I, 2, Organisations internationales) [4].
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Geld- und Kapitalmarkt
Auf dem schweizerischen Geldmarkt setzte sich zu Jahresbeginn die rückläufige Entwicklung der Zinssätze fort. Nach einem vorübergehenden leichten Anstieg reduzierten sie sich in der zweiten Jahreshälfte wieder. Einen ähnlichen, aber etwas weniger ausgeprägten Verlauf nahmen auch die Zinssätze für langfristige Anlagen. Die wegen ihrer Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt wichtigen Hypothekarzinsen sanken bei einigen Banken mit 3,75% auf den tiefsten Stand seit 1958 [5].
Die Nettobeanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes stieg noch stärker an als im Vorjahr. Die Nettokapitalaufnahme ausländischer Schuldner war rund doppelt so hoch wie 1997 [6].
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Nationalbank
Zum Goldhandel der Nationalbank während des 2. Weltkriegs siehe unten, Banken.
Wie im Vorjahr angekündigt, präsentierte der Bundesrat im Berichtsjahr seinen Entwurf für einen neuen Währungsartikel in der Bundesverfassung. Dieser enthielt gegenüber dem Expertenbericht von 1997 keine Überraschungen. Er sieht vor, dass die rechtlich immer noch bestehende, faktisch aber seit längerer Zeit nicht mehr praktizierte Goldbindung des Schweizer Frankens aufgehoben wird. Der Erlös aus dem nicht mehr für währungspolitische Zwecke benötigten Gold – gemäss einem Gutachten rund die Hälfte des SNB-Bestandes, d.h. 1300 t zu einem heutigen Wert von 18 Mia Fr. – soll nicht von der Nationalbank an Dritte veräussert werden, sondern in deren Besitz bleiben. Nach allfälligem Abzug der für die Solidaritätsstiftung vorgesehenen 7 Mia Fr. sowie eventuellen weiteren Zuwendungen soll er aber extern und ertragsorientiert bewirtschaftet werden. Die Verwendung und den Verteilschlüssel der dabei erzielten Gewinne lässt der Verfassungsartikel offen. Die Erträge aus dem normalen Notenbankgeschäft, welche nicht für die Bildung von Währungsreserven und die Dividendenzahlung an die Kapitaleigentümer gebraucht werden, sollen wie bis anhin im Verhältnis zwei zu eins zwischen Kantonen und Bund verteilt werden. Die faktisch ebenfalls seit Jahrzehnten bestehende Unabhängigkeit der Nationalbank soll neu in der Verfassung explizit erwähnt werden. Die SNB wird aber verpflichtet, den Bundesbehörden und der Öffentlichkeit Rechenschaft über ihre Geld- und Währungspolitik abzulegen. Zudem soll der bisher recht breit formulierte Notenbankauftrag präzisiert werden, indem angegeben wird, dass ihre Politik dem Gesamtinteresse des Landes dienen soll, wobei primär das Ziel der Preisstabilität zu verfolgen sei. Zur Begründung dieser von der SP und den Gewerkschaften, welche auch die Ziele Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung erwähnt haben möchten, in der Vernehmlassung als schlechte monetaristische Geldpolitik kritisierte Vorzugsstellung der Preisstabilität führte der Bundesrat an, dass nach breitem Konsens unter den Wissenschaftern die Geldpolitik langfristig ohnehin nur diese Grösse wirkungsvoll beeinflussen könne [7].
Der Nationalrat befasste sich in der Dezembersession mit der Vorlage. Dabei ergab sich die einigermassen paradoxe Situation, dass das Parlament praktisch gleichzeitig auch den neuen Währungsartikel in der totalrevidierten Bundesverfassung zu verabschieden hatte (Art. 99 BV). Dieser hebt die faktisch ohnehin nicht mehr bestehende Goldbindung des Schweizerfrankens auf. Auf Antrag der Kommission des Ständerates hiessen allerdings beide Räte die Bestimmung gut, dass die Nationalbank einen Teil ihrer Währungsreserven weiterhin in Gold halten muss. Der neue Artikel verankert zudem die Unabhängigkeit der Nationalbank auf Verfassungsebene, er schreibt dieser jedoch – in Übereinstimmung mit dem Nachführungsauftrag der Verfassungstotalrevision – nur allgemein vor, dass ihre Politik den Gesamtinteressen des Landes zu dienen habe [8].
Die Kommissionsmehrheit beantragte, auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision dieses eben erst in der Verfassungsreform verabschiedeten neuen Artikels einzutreten, da sie notwendige Ergänzungen über die Verwendung der nicht mehr benötigten Währungsreserven enthalte und zudem das Ziel der Geld- und Währungspolitik präzisiere. Genau diese Präzisierung lehnte hingegen die SP weiterhin ab. Sie verlangte Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, die Zielsetzung der Notenbankpolitik in ihrem Sinne zu erweitern. Ihr Antrag wurde von der Fraktion der Grünen unterstützt, unterlag aber mit 114:61 Stimmen. In der Detailberatung lagen zum Zielartikel nicht weniger als vier Anträge von Kommissionsminderheiten vor: einer, der das von der SP gewünschte Zielbündel (Vollbeschäftigung, Wachstum und Preisstabilität) aufnehmen wollte, sowie zwei Kompromissanträge von bürgerlicher und einer von linker Seite, welche in mehr oder weniger verbindlicher Weise forderten, dass die Nationalbank bei der Verfolgung des Preisstabilitätsziels die konjunkturelle Lage berücksichtigen müsse. Alle wurden zugunsten der Version des Bundesrates abgelehnt, der unter anderem auch ins Feld führen konnte, dass die von ihm gewählte Formulierung den Beschlüssen der Europäischen Union über die neue Europäische Zentralbank entspreche. Bei der Berichterstattungspflicht der Nationalbank gegenüber dem Bund und der Öffentlichkeit präzisierte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission, dass mit dem Ausdruck Bund sowohl der Bundesrat als auch die Bundesversammlung gemeint sind.
Analog zum Beschluss anlässlich der Totalrevision der Bundesverfassung schrieb der Nationalrat gegen den Widerstand der SP der Nationalbank vor, dass sie einen, allerdings nicht näher spezifizierten Teil ihrer Reserven in Gold halten müsse. Eine ganze Reihe von Minderheitsanträgen lag zur Frage der Verwendung derjenigen Mittel (sowie deren Erträge) vor, die nach der Aufhebung der Goldbindung nicht mehr für die Reservenbildung benötigt werden. Hier spielte insbesondere auch das im Frühjahr 1997 vom Bundesrat vorgestellte Projekt einer Solidaritätsstiftung hinein, die ja aus einem Teil dieser nicht mehr benötigten Mittel gespiesen werden soll. Klar gegen diese Stiftung richtete sich ein Antrag Baumann (svp, TG), der verlangte, dass diese Gelder vollumfänglich von der Nationalbank in den AHV-Fonds zu überweisen seien. Die SP unterstützte einen Antrag Jans (sp, ZG), der auf Verfassungsstufe festhalten wollte, dass die Erträge dieser Mittel hauptsächlich für die Sozialversicherungen zu verwenden seien; die Zuweisung eines Teils davon an die Solidaritätsstiftung wäre aber nicht ausgeschlossen. Etwas weniger weit ging ein Antrag Rychen (svp, BE), der lediglich festhalten wollte, dass ein Teil der Erträge für die Fort- und Weiterbildung zu verwenden sei, sonst aber dem Gesetzgeber freie Hand lassen wollte. Durchgesetzt hat sich letztlich der von der FDP und der CVP unterstützte Antrag der Kommissionsmehrheit, der den Entscheid über die Frage der Verteilung der Erträge bzw. der Ausgliederung der nicht mehr benötigten Reserven offenliess und ihn der Gesetzgebung zuwies. In der Gesamtabstimmung wurde der neue Währungsartikel mit 95:57 angenommen; die Opposition kam von der SP und der GP, welche damit noch einmal gegen die Zielsetzung der Geld- und Währungspolitik protestierten [9].
Bereits vor dieser Debatte hatte SVP-Nationalrat Blocher (ZH) verkündet, dass er dafür kämpfen werde, den Erlös der nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank (von ihm das „Volksvermögen“ genannt) für die AHV und nicht für die Solidaritätsstiftung oder andere Zwecke einzusetzen. Ein Sonderparteitag der SVP beschloss im Juni, eine entsprechende Volksinitiative vorzubereiten [10].
 
[1] SNB, Jahresbericht, 91/1998, S. 31 ff.; NZZ, 12.12.98.1
[2] SNB, Jahresbericht, 91/1998, S. 26.2
[3] Fachleute: Siehe dazu etwa einen Bericht des EFD (NZZ, 23.6.98), NZZ, 30.6.98 sowie Lit. Rich/Bohler. Umfrage: Petra Huth / Claude Longchamp, „Die Schweiz und die ‘Euro-Phorie’“, in Die Volkswirtschaft, 1998, Nr. 7, S. 24 ff.3
[4] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 311 f., 800 f. (AKV) und 309 f. (Treuhandfonds); Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1339 ff. Vgl. SPJ 1997, S. 81 f. und Lit. Gerster.4
[5] SNB, Jahresbericht, 91/1998, S. 26. Hypotheken: BüZ, 13.10.98.5
[6] SNB, Jahresbericht, 91/1998, S. 28.6
[7] BBl, 1998, S. 4007 ff.; Presse vom 28.5.98. Vgl. SPJ 1997, S. 119 f. Zur Vernehmlassung siehe auch NZZ, 5.2.98. Die SNB und das EFD gaben bekannt, dass die Ertragserwartungen der SNB erlauben würden, die Gewinnausschüttung an Bund und Kantone ab 1999 von 600 Mio Fr. auf 1,5 Mia zu erhöhen (NZZ, 9.4.98).7
[8] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 241 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 973 ff.; BBl, 1999, S. 166 ff.8
[9] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2721 ff.; Presse vom 17.12. und 18.12.98. Im Anschluss an diese Beratungen konnte die parl. Initiative Ledergerber (sp, ZH) aus dem Vorjahr als erfüllt resp. eine Motion der SVP-Fraktion, welche sich mit dem verworfenen Antrag Baumann deckte, als abgelehnt abgeschrieben werden (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2759 f. resp. 2758 f.). Vgl. zur Verwendung der nicht mehr benötigten Währungsreserven auch die Antwort des BR auf eine Einfache Anfrage Blocher (svp, ZH) in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2305. Zur parl. I. Ledergerber siehe SPJ 1997, S. 119. Zur Solidaritätsstiftung siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).9
[10] TA, 16.1.98 (Blocher); BaZ, 2.6.98 (SVP).10