Année politique Suisse 1998 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
 
Sport
Seit dem 1. Januar des Berichtsjahres heisst das ehemalige EMD Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Dessen Vorsteher, der ehemalige Sportfunktionär Adolf Ogi, machte von Anbeginn klar, welch eminente Rolle in diesem Rahmen für ihn der Sport einnehmen wird. Zu seinen Prioritäten erklärte er die Förderung des Spitzensportes, zu dem die Armee durch die Einrichtung spezieller Rekrutenschulen und durch den Aus- und Umbau von Waffenplätzen für den Sportbetrieb beitragen soll. Ganz zentrale Bedeutung hat für ihn die Durchführung der olympischen Winterspiele 2006 im Wallis. Relativ rasch wurde ihm in der Presse vorgeworfen, sein Engagement für den Sport – das ihn unter anderem eine ganze Woche an die olympischen Winterspiele von Nagano (Japan) reisen liess – führe dazu, dass er den wirklich wesentlichen Aufgaben in seinem Departement zu wenig Aufmerksamkeit schenke; insbesondere benutze er seine Reisen ins Ausland fast ausschliesslich dazu, für die Winterspiele 2006 zu werben, so etwa in Moskau, Seoul und Peking [81].
Einen ersten Wunschtraum erfüllte sich Ogi bereits mit der Aufwertung der Sportschule Magglingen in ein Bundesamt für Sport. Die Umwandlung auf den 1.1.1999 erfolgt kosten- und stellenneutral. Das neue Amt soll verstärkt für die Konzentration und Koordination der Bundesaufgaben im Sport sorgen. Ihm obliegen die Vorbereitung und der Vollzug von Erlassen im Bereich der nationalen Sportförderung. Es wirkt zudem an der Gestaltung einer nationalen Sportpolitik mit und ist auch zuständig für die Erarbeitung nationaler und internationaler Vereinbarungen. Der neue Direktor des Bundeamtes, Magglingen-Chef Heinz Keller, ortete drei vordringliche Aufgaben: das nationale Sportanlagenkonzept (siehe unten), die Doping-Bekämpfung und die Unterstützung der Olympia-Kandidatur “Sitten 2006” [82].
Nach mehreren Voten, die alle die Bedeutung der Kandidatur für die Durchführung der Olympischen Winterspiele “Sion-Valais-Wallis-Switzerland-2006” unterstrichen, stimmte auch der Nationalrat gegen einzelne kritische Stimmen aus der GP und der SP mit 145 zu 11 Stimmen der finanziellen Unterstützung dieses Grossanlasses durch den Bund zu. Ergänzend zum Vorschlag des Bundesrates wurde die Bestimmung aufgenommen, dass in dieser Angelegenheit das VBS federführend sein soll, um Doppelspurigkeiten zwischen den allenfalls sonst noch involvierten Departementen auszuschliessen. Dieser Präzisierung stimmte der Ständerat diskussionslos zu [83].
Der Vorsitz des Vereins Olympische Winterspiele 2006 erfuhr im Berichtsjahr einen einschneidenden Aderlass. Zuerst trat der über verschiedene Affären gestolperte PTT-Direktor Jean-Noël Rey aus dem Co-Präsidium zurück, dann Sepp Blatter, der zum neuen Präsidenten des Weltfussballverbandes Fifa gewählt worden war. Rasch ertönte der Ruf, Bundesrat Ogi solle den Vorsitz des Kandidaturkomitees für die Spiele im Wallis übernehmen. Dieser erklärte sich auch umgehend dazu bereit, wollte aber zuerst das Einverständnis seiner Kollegen in der Landesregierung einholen. Nach einem positiv ausgefallenen Gutachten des Bundesamtes für Justiz, das allerdings auf die Problematik der Doppelbelastung hinwies, stimmte der Gesamtbundesrat dem Engagements Ogis bis nach der Vergabe der Winterspiele zu, die 1999 in Seoul erfolgen soll. Gemäss den Worten der Bundeskanzlei unterstrich der Bundesrat mit seinem Entscheid die Bedeutung, die er dieser Kandidatur für das Land beimisst; Ogi verfüge über die nötigen persönlichen Kontakte, um der Kandidatur der Schweiz das entsprechende politische Gewicht zu verleihen [84].
Eine grössere sportpolitische Lawine trat der scheidende Präsident des Internationalen Skiverbandes FIS und eines der vier letzten auf Lebzeiten gewählten Mitglieder des IOC, der Schweizer Marc Hodler, anfangs Dezember los, als er behauptete, bei der Vergabe von olympischen Spielen sei oftmals massive Korruption im Spiel. Seine Vorwürfe richteten sich vor allem an die Organisatoren der Winterspiele 2002 in Salt Lake City (USA). In der Schweiz gaben weniger die konkreten Anschuldigungen zu reden, die rasch von weiteren IOC-Mitgliedern bestätigt wurden, als vielmehr die Frage, welche Auswirkungen das Vorprellen Hodlers auf die Kandidatur Sittens haben könnte. Besonders heikel wurde die Angelegenheit als verlautete, Ogi habe Hodler gebeten, die Vorwürfe nicht publik zu machen. Das VBS dementierte dies vorerst, musste dann aber eingestehen, dass Gespräche zwischen engen Mitarbeitern Ogis und Hodler stattgefunden hatten [85].
Ende April verabschiedete der Bundesrat den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung (Nasak). Er beantragte dem Parlament, bis ins Jahr 2005 80 Mio Fr. in die wichtigsten Sportarenen zu investieren. Im Vordergrund steht der Neubau der Stadien Wankdorf in Bern, St. Jakob in Basel und de la Praille in Genf. Zudem sollen die Sportplätze Pontaise in Lausanne und Letzigrund in Zürich ausgebaut werden. Weiter sollen ein neues polysportives Hallenvelodrom, ein neues Trainingszentrum Ostschweiz, ein neues nationales Schwimmzentrum, die Erweiterung des Eissportzentrums Davos, der Neubau einer Skisprung-Schanzenanlage und diverse Schneesportprojekte unterstützt werden. Wie die Botschaft ausführte, wird das zentrale Auswahlkriterium der Bedarfsnachweis der betreffenden nationalen Sportverbände sein sowie dessen Verifizierung durch die Eidgenössische Sportschule Magglingen [86].
Die kleine Kammer behandelte die Vorlage als Erstrat. Eintreten war unbestritten. Der Sprecher der Kommission betonte, die Erneuerung der grossen Sportstätten sei dringend nötig, da die Schweiz sonst im internationalen Vergleich in die zweite Liga absteigen würde. In der Detailberatung scheiterte ein Antrag Jenny (svp, GL), der mehr Mittel für regionale Anlagen bereitstellen wollte. Angenommen wurde hingegen ein Antrag Merz (fdp, AR) für ein polysportives Zentrum Ostschweiz sowie ein Antrag Bieri (cvp, ZG), wonach auch die Eigentümer und Benutzer der Stadien zur Finanzierung und zum langfristigen Unterhalt der Anlagen beizutragen haben [87].
Der Nationalrat zeigte sich in dieser Frage ebenso spendierfreudig wie der Ständerat. Ein Nichteintretensantrag von von Felten (sp, BS), die befand, es sei absurd, dem Bund in Zeiten der eingeschränkten Finanzmittel neue Aufgaben aufzubürden, hatte keine Chancen, gleich wie auch ein Rückweisungsantrag Bircher (cvp, AG), der das Geschäft so lange verschieben wollte, bis das Haushaltziel erreicht ist. Die meisten Redner stellten nur rhetorisch die Frage, ob eine neue Subvention opportun sei. Sparen sei zwar angesagt, aber neue Finanzhilfen dürften nicht abgeschmettert werden, erklärte etwa Föhn (svp, SZ). Und Hochreutener (cvp, BE) meinte, ohne Spitzensport gebe es keinen Breitensport, und der Spitzensport brauche neue Impulse. Mit 120 zu 21 Stimmen wurde die Vorlage deutlich angenommen.
Eine Differenz zum Ständerat blieb aber bestehen. Die grosse Kammer befand mit knapper Mehrheit, die Einbindung der Eigentümer und Benutzer der Stadien sei eigentlich selbstverständlich und gehöre deshalb nicht explizit ins Gesetz. Der Ständerat beharrte aber auf seinem ersten Entscheid. Angeführt von Loretan (fdp, AG) meinte er, die Vorlage sei in der Bevölkerung durchaus nicht unbestritten; der Bund schiesse hier 80 Mio Fr. ein, und zwar auch zugunsten von Sportclubs, die grösstenteils aus eigenem Verschulden konkursreif seien. Um das Gesamtvorhaben nicht zu gefährden, schloss sich der Nationalrat in der zweiten Lesung oppositionslos an [88].
Zu Steuererleichterungen für das IOC und die Sportverbände siehe oben, Teil I, 5 (Indirekte Steuern).
 
[81] Presse vom 10.1. und 25.4.98; Bund, 21.1.98. Auslandreisen von Ogi resp. Kritik: LT, 25.4., 25.8. und 28.8.98; Presse vom 15.7.98; TA, 25.7.98; AZ, 12.10.98; BZ, 14.10.98.
[82] Ww, 25.6.98; BaZ, 28.9.98; Presse vom 19.11.98; NZZ, 16.12.98. Für frühere Forderungen nach einem BA für Sport siehe SPJ 1994, S. 214. Die Frage des Dopingmissbrauchs schlug im Berichtsjahr hohe Wellen, als mehrere Schweizer Weltklasseradfahrer wegen im Ausland nachgewiesenen Dopingmissbrauchs suspendiert wurden. Zu den in der Schweiz dagegen vorgesehenen Massnahmen siehe die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1829 f. und 2920 f. Vgl. auch SPJ 1992, S. 222 (Ratifizierung einer Konvention des Euroaparates gegen Doping).
[83] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 282 ff. und 289 ff.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 360.
[84] Presse vom 16.3. (Rey), 23.7. (Blatter), 19.8. (Gutachten), 20.8. (Zustimmung BR) und 31.8. 98. (Wahl Ogis).
[85] Presse vom 14.12.-17.12. 98; SoZ, 20.12.98; LT, 21.12.98; NZZ, 23.12.98.
[86] BBl, 1998, S. 3745 ff.
[87] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1042 ff.
[88] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2624 ff. und 2716; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1365 ff.