Année politique Suisse 1998 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Grundschulen
Aus Kostengründen gerieten die öffentlichen Schulen bei der Informatik- und Internetausbildung immer mehr in die Defensive. Gleichzeitig wuchs der Druck seitens zahlreicher Eltern und der Wirtschaft, Informatik und Internet rasch in den Unterricht zu integrieren. An den “
Netdays 98”, eine Informationsveranstaltung der Schweizerischen Fachstelle für Informationstechnologien im Bildungswesen, betonte Bundesrat Couchepin, jedes Mitglied der Schweizer Bevölkerung müsse nach seinen Bedürfnissen Zugang zu den Informationstechnologien erhalten. Das Bildungssystem habe diesen genügend Platz einzuräumen und dafür zu sorgen, dass die Freiheit des Ausdrucks für alle Internetbenützerinnen und -benützer in gleicher Weise gewährleistet sei. Gemäss einer vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) präsentierten Hochrechnung wären jedoch mit Investitionskosten von 105 Mio Fr. zu rechnen (21,5 Mio für Anschlüsse, 82 Mio für Arbeitsplätze), wenn jedes Schulhaus der Schweiz im Bereich der Volksschule einen Internet-Anschluss erhielte, jeder Schüler und jede Schülerin mindestens eine Stunde pro Woche freien Zugang zu einem PC hätte und moderne Hardware angeschafft würde
[18].
In
Bern wurde verbindlich, was in anderen Kantonen noch als Empfehlung galt. Der Grosse Rat hatte einen Kredit von sechs Mio Fr. bewilligt, um in den nächsten drei Jahren Lehrerinnen und Lehrer in den Unterricht mit dem Internet einzuführen. Alle Schulabgängerinnen und –abgänger sollen ab dem Jahr 2000 den Umgang mit dem Internet erlernt haben
[19]. Der Kanton Zürich machte mit dem “
Projekt 21” für die versuchsweise Einführung des Informatik- und des Englischunterrichts von der ersten Klasse an von sich zu reden. Der obligatorische Unterricht am Bildschirm für Primarschülerinnen und -schüler hatte als Schweizer Premiere revolutionierenden Charakter. Der im Frühjahr vom Zürcher Regierungsrat vor den Medien präsentierte Schulversuch führte im Kantonsrat zu heftigen Debatten und geriet gesamtschweizerisch in die Schlagzeilen: Abgesehen davon dass die Westschweiz angesichts der Konkurrenzierung des Französischen durch den frühen Englischunterricht den nationalen Sprachfrieden gefährdet sah, verursachte die Furcht vor einem Ausverkauf der Volksschule angesichts des geplanten Sponsorings durch Private grosse Aufruhr. Erstmals sollten nämlich zur Finanzierung eines Schulprojekts private Geldgeber herangezogen bzw. die Einführung des Informatikunterrichts dank finanziellen Ressourcen in Form von Legaten sichergestellt werden. Das Bundesgericht wies eine staatsrechtliche Beschwerde ab, mit welcher vom Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband unterstützte Privatpersonen gegen das Sponsoring geklagt hatten. Im Sommer startete das “Projekt 21” in Affoltern a. Albis versuchsweise und wurde nach einer ersten Bilanz von der Presse positiv bewertet. Ende Jahr hatten private Spender bereits mehr als drei Mio Fr. für den Schulversuch zugesagt
[20].
[18] Presse vom 21.10.98;
24 Heures, 22.10.98;
SGT, 28.10.98. Vgl. auch
Facts 1998, Nr. 42, S. 44-50.18
[19]
Bund, 10.6.98;
BaZ, 12.6.98.19
[20] Presse vom 17.1., 20.1., 7.2., 3.3., 27.8. und 31.10.98;
BaZ, 19.2.98;
NZZ, 10.3., 5.6. und 22.12.98;
Ww, 25.3.99;
TA, 22.6., 19.8. und 11.12.98. Zur Entrüstung betreffend das Zürcher “Projekt 21” und zur nationalen Sprachendiskussion Englisch-Französisch siehe unten, Teil I, 8b (Sprachen) sowie Presse vom 20.8.98.20
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