Année politique Suisse 1999 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Parteiensystem
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie anhang_1999.pdf. Für zusätzliche Informationen zu den Wahlplattformen siehe ebenfalls 1e.
Zu den Parolen der Parteien zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe parolen_1999.pdf. Siehe auch die verschiedenen Sachkapitel.
Die Nationalfondsstudie "Die Schweizerischen Parteiorganisationen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts" kam zum Schluss, dass sich das Parteiensystem der Schweiz in einer ernsthaften Krise befindet und Reformen dringend notwendig seien. In der Öffentlichkeit werde den Parteien oft der Vorwurf gemacht, sie seien sachlich inkompetent und nicht mehr in der Lage, die ihnen zugedachten Aufgaben zu erfüllen. Problematisch sei insbesondere die komplexe Struktur aus über 180 Kantonal- und annähernd 5000 Lokalparteien. Die föderalistische Struktur stosse bei der Rekrutierung der über 35 000 Regierungs- und Parlamentssitze in Bund, Kantonen und Gemeinden an ihre Grenzen. Der enorme Personal- und Koordinationsaufwand lasse sich kaum mehr erbringen. Auch bei der Meinungsbildung in Sachfragen seien die vorhandenen Ressourcen viel zu knapp. Zu unzähligen nationalen und kantonalen Vorlagen müssten Parolen gefasst und der Öffentlichkeit eine politische Orientierung angeboten werden. Bislang hätten die Schweizer Parteien ihre Vermittlungs- und Integrationsfunktion über die Sprachgrenzen hinweg wahrnehmen können, in zunehmendem Masse würden jedoch innerparteiliche Differenzen diese Arbeit erschweren. Sowohl die ideelle als auch die finanzielle Unterstützung der Parteien nähmen ab. Immer häufiger würden in sachpolitischen Kampagnen solvente Einzelpersonen und Interessengruppen als Finanzierungsgaranten auftreten. Bei staatspolitischen Vorlagen müssten die Parteisekretariate jedoch meist ohne finanzkräftige Interessenorganisationen im Rücken mit geringen Mitteln eine äusserst wichtige Arbeit vollbringen. Während beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die Parteien eigene Forschungsinstitute besitzen, stünden den Schweizer Parteien im Schnitt nur gerade drei Personen zur Verfügung, die sich hauptamtlich mit der inhaltlichen Arbeit befassen. Die Autoren der Studie schlugen eine verstärkte Zusammenarbeit und gar Fusionen der Parteien als mögliche Lösung vor. Ausserdem könnten in Zukunft organisatorische Arbeiten an private Firmen vergeben werden. Überparteiliche Arbeitsgruppen könnten in der politischen Meinungsbildung an Gewicht gewinnen. Da diese Reformen allein allerdings nicht ausreichen würden, forderte die Studie eine umfassendere Unterstützung der Parteien durch den Staat [1].
Die Diskussion um die Parteienfinanzierung gewann in diesem Jahr dank der Affäre um Parteispenden in der Bundesrepublik Deutschland auch in der Schweiz an Gewicht. Die Parteisekretäre der vier Bundesratsparteien liessen durch die Autoren der oben zitierten Nationalfondsstudie eine Expertise zur Parteienfinanzierung verfassen. Laut dieser auf Umwegen an die Presse gelangten Studie würde eine Finanzierung insbesondere der Wahlkampagnen über die öffentliche Hand auf grossen Widerstand stossen. Vielmehr sollte eine an konkrete Aufgaben und Leistungen gebundene staatliche Förderung verlangt werden: So könnte die politische Aufklärungsarbeit entschädigt, Versand- und Übersetzungskosten übernommen oder Gutscheine für Expertisen abgegeben werden [2].
 
[1] NZZ, 19.8.99; Lit.: Ladner/Brändle.1
[2] BZ, 8.4.99; SoZ, 14.11.99; Presse vom 15.11.99.2