Année politique Suisse 1999 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
Ähnlich wie die FDP musste sich auch die CVP bei der Parole über die Volksinitiative des Hauseigentümerverbandes zwischen dem Festhalten an den finanzpolitischen Beschlüssen des Runden Tisches und den Interessen eines guten Teils ihrer Stammwählerschaft entscheiden. Die Delegiertenversammlung in Regensdorf (ZH) vom Januar beschloss mit 215 zu 68 Stimmen deutlich die Ablehnung des Volksbegehrens. Im Gegensatz zur FDP schlossen sich auch praktisch alle Kantonalparteien dieser Parole an [16].
Wenig umstritten war hingegen in der CVP die von den beiden anderen bürgerlichen Regierungsparteien bekämpfte Mutterschaftsversicherung. Die Delegiertenversammlung vom Mai in Sion beschloss mit 167:10 Stimmen die Ja-Parole. Nur gerade eine Kantonalpartei entschied sich gegen die Mutterschaftsversicherung. Umso grösser war in der CVP die Enttäuschung über das Verdikt des Volkes: Am deutlichsten abgelehnt wurde die Vorlage in den Hochburgen der CVP [17].
Von grosser Bedeutung für die CVP waren die Rücktritte ihrer Bundesräte Koller und Cotti nach jeweils zwölf Jahren Amtszeit auf Ende April. Der Rücktritt von Arnold Koller war erwartet worden. Dass nun auch Cotti sein Amt niederlegte, galt als Überraschung. Der CVP wurde vorgeworfen, sie wolle mit der Doppelvakanz ihre Partei vor den Wahlen ins Gespräch bringen und zudem ihre beiden Bundesratssitze auf längere Frist sichern. In der Presse wurden sogar Mutmassungen laut, die beiden Bundesräte würden nicht aus freien Zügen aus dem Amt zurücktreten. Die beiden Betroffenen und Parteipräsident Durrer (OW) bestritten jedoch jedes parteipolitische Kalkül. Dass einer der beiden Sitze von einer Frau besetzt werden sollte, galt parteiintern als unumstritten und wurde auch von breiten Kreisen der Öffentlichkeit erwartet. Die Kantonalsektionen meldeten insgesamt sechs männliche und zwei weibliche Kandidaturen an. Dass sich darunter auch Parteipräsident Durrer befand, sorgte vor allem in den Reihen der CVP-Politiker der Westschweiz für einige Unruhe, sah man dadurch doch die Wahlchancen der eigenen Kandidaten (Deiss, FR und Roth, JU) gefährdet. Im März wählte die Bundesversammlung die Innerrhoder Regierungsrätin Ruth Metzler knapp vor der St. Galler Regierungsrätin Rita Roos als Nachfolgerin für Koller zur Bundesrätin und den Freiburger Nationalrat Joseph Deiss als Nachfolger für Cotti zum Bundesrat. Am 1. Mai übernahm Metzler das Justiz- und Deiss das Aussenministerium. Bei der Bestätigungswahl des Gesamtbundesrates im Dezember zahlte sich die Neubesetzung der beiden CVP-Sitze aus. Obwohl die CVP – gemessen am Wähleranteil – von der SVP überholt worden war, richtete sich deren Anspruch auf einen zusätzlichen Sitz nicht gegen die beiden Neuen der CVP, sondern gegen die SP [18].
Beim Wahlparteitag der CVP anfangs Juli in Hergiswil (NW) standen nicht inhaltliche Diskussionen und die Verabschiedung einer Wahlplattform im Vordergrund, sondern eine farbige Darstellung der Partei und ihrer Exponenten sowie mediengerechte Showeinlagen. Schwerpunkte der Parteiarbeit für die nächste Legislaturperiode (Familienpolitik und Förderung der KMU) wurden bei anderer Gelegenheit vorgestellt [19].
Nachdem die CVP bereits bei den kantonalen Wahlen ihren Krebsgang fortgesetzt hatte, war ihr Abschneiden bei den Nationalratswahlen ambivalent. Die Partei verlor zwar 0,9% Wählerstimmen (1995: 16,8%, 1999:15.9%), konnte aber trotzdem einen Sitzgewinn verzeichnen.
 
[16] Presse vom 18.1.99. Vgl. oben, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum). 16
[17] SoZ, 9.5.99; Presse vom 10.5.99. 17
[18] Presse vom 14.1., 18.1. und 15.3.99. Siehe oben, Teil I, 1c (Regierung). 18
[19] Zum Wahlparteitag siehe oben, Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen, Wahlplattformen); NZZ, 5.5.99 (KMU); Presse vom 30.7.99 (Familienpolitik). 19