Année politique Suisse 1999 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
Die mit der neuen Bundesverfassung möglich gewordene
Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen durch den Bund kam einen weiteren Schritt voran. Im April beauftragte Bundesrat Koller den Zürcher Strafrechtsprofessor Niklaus Schmid mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorentwurfs. Dabei soll er sich, in Abweichung vom Expertenentwurf des Vorjahres, auf das sogenannte Staatsanwaltsmodell konzentrieren, bei dem nicht ein Untersuchungsrichter sondern ein Staatsanwalt die zentrale Figur der Voruntersuchung ist. Gestützt auf die Ergebnisse von Hearings mit Fachorganisationen über den Expertenentwurf hatte sich das EJPD für diese als effizienter beurteilte Lösung entschieden
[35].
Nach dem im Vorjahr positiv verlaufenen Vernehmlassungsverfahren präsentierte der Bundesrat seine Botschaft für ein Bundesgesetz über die
Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte. Der Gesetzesentwurf schlägt vor, dass Anwälte, die sich mit einem Patent über die Erfüllung der fachlichen Anforderungen ausweisen, sich im Kanton ihrer Geschäftsadresse in ein Anwaltsregister eintragen lassen können. Dieser Registereintrag erlaubt ihnen, in sämtlichen Kantonen ohne weitere Bewilligungen Parteien vor Gericht zu vertreten. Das neue Gesetz legt die Anforderungen für den Erwerb eines Anwaltpatentes fest: Abschluss eines mindestens dreijährigen Rechtsstudiums (mit einem Lizentiatsabschluss oder einer gleichwertigen Prüfung an einer schweizerischen oder einer EU-Universität) sowie ein in der Schweiz absolviertes einjähriges Praktikum mit einem Abschlussexamen. Als Begleitmassnahme regelt das Gesetz zudem die bisher kantonal gestalteten Vorschriften über die
Berufsausübung von Anwälten. Im Hinblick auf das Abkommen mit der EU über die Freizügigkeit im Personenverkehr bestimmt das Gesetz auch die Modalitäten für die freie Berufsausübung von Anwälten im europäischen Raum
[36].
Der
Nationalrat stimmte dem neuen Gesetz zu. Dabei nahm er allerdings eine Änderung vor, die im Rat heftig debattiert wurde. Auf Antrag von Baumberger (cvp, ZH) beschloss er unter dem Titel „Unabhängigkeit der Anwälte gegenüber Dritten“ Restriktionen bei der Zulassung zur Registrierung. Die Registrierung und damit die Zulassung als Rechtsvertreter vor Gericht sollen nur unabhängige Anwälte oder solche, deren Vorgesetzter selbst als Anwalt registriert ist, erhalten. Nicht registrieren lassen dürfen sich hingegen die nicht von einer Anwaltsfirma (z.B. eine Versicherung) angestellten Anwälte, da bei ihnen die Unabhängigkeit gegenüber Dritten nicht gegeben sei. Ein Antrag Nabholz (fdp, ZH), wenigsten diejenigen Anwälte davon auszunehmen, die bei einer nichtgewinnorientierten Organisation (z.B. Umweltschutzverband) angestellt sind, scheiterte
[37].
[35]
NZZ, 7.4.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 31.35
[36]
BBl, 1999, S. 6013 ff. Vgl.
SPJ 1998, S. 31.36
[37]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1551 ff.;
LT und
TA, 2.9.99.37
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