Année politique Suisse 1999 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Zivilrecht
Die im Vorjahr von Jutzet (sp, FR) eingereichte Motion für die Einführung der Sammelklage nach amerikanischem Vorbild in den Bereichen Arbeits-, Konsumenten- und Mietrecht wurde von einigen bürgerlichen Parlamentariern bekämpft und ihre Behandlung deshalb verschoben [52].
Das 1998 vom Bundesrat vorgeschlagene neue Gesetz, das für die ganze Schweiz einheitlich regeln soll, welches Gericht örtlich für Zivilrechtsklagen verantwortlich ist, fand im Nationalrat ungeteilte Zustimmung und wurde mit einigen kleinen, meist redaktionellen Änderungen verabschiedet. Der Ständerat genehmigte die Vorlage mit einigen weiteren kleinen Änderungen ebenfalls einstimmig. Die Differenzbereinigung konnte allerdings noch nicht in der Wintersession abgeschlossen werden, da die grosse Kammer nicht in allen Punkten den Beschlüssen des Ständerates zustimmte [53].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament eine Revision der Bestimmungen des Obligationenrechts über die kaufmännische Buchführung. Es geht dabei um die ausdrückliche Anerkennung der elektronischen Buchführung und die Möglichkeit, Buchungen, aber auch relevante Geschäftskorrespondenzen in elektronischer Form rechtsgültig zu archivieren. Beide Ratskammern stimmten der Reform diskussionslos zu [54].
Mit einer als Postulat überwiesenen Motion Leumann (fdp, LU) regte der Ständerat eine Gesetzesanpassung an, welche die im elektronischen Geschäftsverkehr übliche digitale Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleichstellt. Der Bundesrat anerkannte zwar die Notwendigkeit von neuen Regelungen, er sah darin aber mehr als ein blosses technisches Problem. So werde für bestimmte Vertragsabschlüsse bewusst ein handschriftliches Verfahren verlangt, um schwächere Vertragspartner zu schützen (z.B. mit einem Widerrufsrecht). Noch bevor man die digitale Signatur als gleichwertig anerkennen könne, müsse deshalb abgeklärt werden, wie dieser Schutz im elektronischen Kommerz beibehalten werden kann. Der Nationalrat überwies mit dem Einverständnis des Bundesrates eine Motion Nabholz (fdp, ZH), welche in allgemeiner Form die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für den Umgang mit digitalen Unterschriften und Urkunden verlangt [55].
Analog zur Strafprozessordnung beauftragte der Bundesrat auch bei der Zivilprozessordnung eine Expertenkommission mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs für eine Bundeslösung, welche die 26 kantonalen Gesetze ablösen soll [56].
Die im Vorjahr vom Nationalrat verabschiedete Motion für eine Teilrevision des Bauhandwerkerpfandrechts wurde von der kleinen Kammer lediglich in Postulatsform übernommen [57].
 
[52] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 484. Vgl. SPJ 1998, S. 35.52
[53] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1029 ff. und 2409 ff.; Amtl. Bull. StR, 1999, S. 891 ff. Siehe SPJ 1998, S. 35.53
[54] BBl, 1999, S. 5149 ff.; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2115 f. und 2678; Amtl. Bull. StR, 1999, S. 1058 f. und 1204; BBl, 2000, S. 61ff.54
[55] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 819 f.; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1318 f. Siehe auch unten, Teil I, 4a (Wettbewerb).55
[56] NZZ, 26.5.99.5
[57] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 419 f. Vgl. SPJ 1998, S. 35.57