Année politique Suisse 1999 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
Die am 18. April gutgeheissene neue
Bundesverfassung brachte einige Neuerungen für den Parlamentsbetrieb, welche nun auf gesetzlicher Ebene nachvollzogen werden mussten. So galt es beispielsweise zu konkretisieren, wer Wahlorgan für die Angestellten der neu auch administrativ dem Parlament unterstellten Dienste der Bundesversammlung ist, oder es musste auf Gesetzesebene der neuen Verfassungsbestimmung Rechnung getragen werden, dass Volksinitiativen nicht nur ganz, sondern auch teilweise für ungültig erklärt werden können. Die SPK-NR unterbreitete dem Plenum eine entsprechende Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes sowie einen Bundesbeschluss über die
Parlamentsdienste in der Form einer parlamentarischen Initiative. Der Bundesrat war in seiner Stellungnahme damit weitgehend einverstanden. Er verlangte jedoch, dass die Bedingungen, unter welchen die nun dem Parlament unterstellten Parlamentsdienste Dienststellen der Bundesverwaltung für die Erfüllung ihres Auftrags beiziehen können, bereits auf Gesetzes- und nicht erst auf Verordnungsstufe geregelt werden. Konkret forderte er, dass für die Erbringung der Dienstleistung und die Herausgabe von dazugehörenden Akten die Einwilligung des entsprechenden Departementes resp. des Bundesrates erforderlich ist
[33].
Diesem Vorschlag der Regierung wurde im Parlament von allen Parteien heftig opponiert. Der Nationalrat beschloss, dass im Konfliktfall nicht der Bundesrat oder der Departementsvorsteher entscheidet, sondern die aus den Präsidenten und Vizepräsidenten beider Räte sowie zwei weiteren Parlamentariern gebildete Verwaltungsdelegation. Bei der Frage der administrativen Organisation der Finanzkommissionen und der Finanzdelegation, deren gemeinsames Sekretariat bisher dem Bundesrat unterstellt war, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei parlamentarischen Kommissionen. Die Staatspolitische Kommission hatte beantragt, dass das Sekretariat dieser Gremien vollständig von der Eidg. Finanzkontrolle zu trennen und in die Parlamentsdienste einzuordnen ist. Im Namen der Finanzkommission opponierte Weyeneth (svp, BE) diesem Vorschlag, weil er zu wenig durchdacht sei und sich auf die Kontrollarbeit kontraproduktiv auswirken werde, da wegen des Fehlens eines eigenständigen Rechnungshofs eine enge Zusammenarbeit zwischen der Finanzkontrolle und den parlamentarischen Gremien erforderlich sei. Mit diesen Argumenten konnte sich Weyeneth deutlich (109:27) durchsetzen.
Der
Ständerat schloss sich beim Streit mit dem Bundesrat über die Entscheidkompetenzen beim Beizug von Verwaltungsstellen und der Herausgabe von Dokumenten grundsätzlich der grossen Kammer an. Bei der Wahl des Generalsekretärs der Bundesversammlung schuf er eine kleine Differenz, indem er die Koordinationskonferenz zur Wahlbehörde machte. In der Frage des Sekretariats der Finanzkommission war unbestritten, dass dieses entsprechend den Vorschriften der neuen Verfassung aus dem Bereich des Bundesrats herausgelöst werden muss. Der Rat beschloss, dass sein Sekretär von der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung zu wählen sei. In der Differenzbereinigung stimmte der Nationalrat bei den Wahlkompetenzen für den Sekretär der Finanzkommission und der Finanzdelegation einem Kompromiss zu: Wahlgremium ist die Verwaltungsdelegation, ihr Entscheid muss aber durch die Finanzdelegation bestätigt werden. Im weiteren hielt der Nationalrat zweimal an seinem Entscheid fest, dass der Generalsekretär der Parlamentsdienste vom Plenum zu wählen ist, musste dann allerdings den Beschluss der Einigungskommission akzeptieren, dass, wie vom Ständerat als Kompromiss beschlossen, die Koordinationskonferenz Wahlbehörde ist, deren Entscheid aber von der Vereinigten Bundesversammlung zu bestätigen ist
[34].
Mit der neuen Bundesverfassung wurde auch für beide Räte die neue Funktion eines
zweiten Vizepräsidenten eingeführt. In ihren Reglementen hielten die Kammern nun fest, dass der erste Vizepräsident das Präsidium vor allem bei repräsentativen Pflichten (gegenüber dem Plenum, der Regierung etc.) entlasten und im Bedarfsfall ersetzen soll, während der zweite Vize diese Hilfsfunktion bei den organisatorischen Aufgaben hat
[35].
[33]
BBl, 1999, S. 4809 ff. und 5979 ff. (BR). Weitere aufgrund der neuen Verfassung notwendig gewordene Gesetzesrevisionen werden, soweit es sich um rein technische oder redaktionelle Anpassungen handelt, hier nicht dargestellt (vgl. dazu die entsprechende Botschaft des BR in
BBl, 1999, S. 7922 ff.).33
[34]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1090 ff., 1835 ff., 1859, 2051 f. und 2298 f.;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 612 ff., 845 ff., 890, 946 und 991;
BBl, 1999, S. 8668 ff.34
[35]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1820 f., 2005 f. und 2297 f.;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 868 f., 873 und 990;
BBl, 1999, S. 9613 ff. (NR) und 9620 ff. (StR).35
Copyright 2014 by Année politique suisse