Année politique Suisse 1999 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Wahlen in kantonale Regierungen
Bei den Gesamterneuerungswahlen in fünf Kantonen (AR, BL, LU, TI, ZH) kam es parteipolitisch nur in Baselland zu einer Sitzverschiebung. Hier eroberte die SVP den Sitz des zurückgetretenen Eduard Belser (sp) und konnte mit Erich Straumann (svp) nach einer amtsfreien Legislaturperiode wieder einen Vertreter in die Regierung entsenden. Dagegen vermochte die SVP im Kanton Luzern trotz des Wahlerfolgs bei den Parlamentswahlen keinen der beiden Kandidierenden durchzubringen. Auch im Kanton Tessin blieb der SVP der Erfolg verwehrt. Ebenfalls gescheitert ist das Comeback des ehemaligen SP-Regierungsrates Rossano Bervini mit seiner neugegründeten Liberal-sozialistischen Partei. In Zürich konnten die Bürgerlichen ihre Fünfervertretung erfolgreich verteidigen. Die beiden übrigen Sitze gingen an die SP und die Grünen.
Die Sozialdemokraten verzichteten in der
Ersatzwahl im Aargau auf einen Gegenkandidaten zum SVP-Kandidaten Ernst Hasler, der die Wahl ohne Konkurrenten für sich entschied. Im Kanton Obwalden wurde zum ersten Mal eine Regierungsratswahl an der Urne durchgeführt. Das Rennen machte der wilde Kandidat Hans Wallimann (cvp)
[64]. In Schaffhausen zog die Ökoliberale Bewegung Schaffhausen (öbs) mit Herbert Bühl erstmals in die Kantonsregierung ein. Ihr Sitz ging zu Lasten der FDP. Bei der Ersatzwahl für Peter Bodenmann (sp) im Wallis konnte die SP dank Unterstützung durch die FDP ihren Sitz gegen die CVP verteidigen.
Die
Frauen konnten sich zu den diesjährigen Wahlsiegerinnen zählen. In den Kantonen Zürich und Tessin fand je eine weitere Frau Einzug in die Regierung. Zürich stellt neu drei Regierungsrätinnen, der Tessin neu zwei. Berücksichtigt man die Ersatzwahlen, wo in Appenzell-Innerrhoden der Sitz der neu gewählten Bundesrätin Ruth Metzler (cvp) an einen Mann überging, so hat sich gesamtschweizerisch die Zahl der Frauen in kantonalen Regierungen im Vergleich zum Vorjahr von 32 auf 33 erhöht, was einem Frauenanteil von 20,4% entspricht
[65].
Anfangs Februar kam es in Appenzell-Ausserrhoden zu Gesamterneuerungswahlen der Regierung. Dabei blieb alles beim alten.
Die sieben Bisherigen – vier Freisinnige, ein Parteiloser und je eine SP- und eine SVP-Vertretung –
wurden im Amt bestätigt. Drei der sieben Regierungsmitgliedern amtierten erst seit dem Juni des vergangenen Jahres, ein vierter Sitz wurde vor zwei Jahren neu besetzt. Die Parteien verzichteten aus diesem Grund auf Kampfkandidaturen. Am meisten Stimmen holte Werner Niederer (sp); mit geringen Abständen folgten Hans Altherr (fdp), Alice Scherrer (fdp), Marianne Kleiner (fdp) und Jakob Brunnschweiler (fdp). Mit grösserem Abstand kam Gebi Bischof (fdp) auf den sechsten und Hans Diem (svp) auf den siebten Rang. Unbestritten war auch die Bestätigung von Marianne Kleiner im Amt als Frau Landammann
[66].
Bei den Baselbieter Regierungsratswahlen im März verlor die SP ihren Sitz in der Regierung. Der Sanitätsdirektor und ehemalige Ständerat Eduard Belser hatte im Sommer des vergangenen Jahres seinen Rücktritt bekannt gegeben. Seine Vakanz wurde von verschiedener Seite zu besetzen versucht. Die SVP gab schon früh bekannt, sie werde nach einer amtsfreien Legislaturperiode die Rückkehr in die Baselbieter Regierung angehen. Der Kandidat der SP Andres Klein, Biologe, Erwachsenenbildner und Landrat seit 1987, erzielte rund 2000 Stimmen weniger als Erich Straumann, der den Sitz für die SVP eroberte. Straumann war Fraktionspräsident im Landrat und Gemeindepräsident in Wintersingen. Beide Kandidaten hatten sich im Wahlkampf regionalpolitisch für die Anliegen des Oberbaselbiet hervorgetan. Problemlos wiedergewählt wurden wie erwartet die erneut antretenden Hans Fünfschilling (fdp, Finanzdirektor), Baudirektorin Elsbeth Schneider-Kenel (cvp), der Vorsteher der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion Andreas Kollreuter (fdp) sowie Peter Schmid (sp), Erziehungs- und Kulturdirektor. Chancenlos blieben die beiden Kandidierenden der SD, Peter Brunner und Brigitte Müller. Die
SVP konnte damit
ihren vor fünf Jahren an die CVP verlorenen Sitz zurückgewinnen. Die SP verlor ihren zweiten Sitz, den sie seit 1989 inne hatte. Erstmals seit 1989 hat das Wahlbündnis von FDP, CVP und SVP wieder funktioniert. In den vergangenen beiden Wahlen waren die Bürgerlichen jeweils getrennt angetreten
[67].
Der Kanton Luzern kennt seine eigene Zauberformel. Seit 40 Jahren teilen sich 4 CVP-, 2 FDP- und 1 SP-Vertreter die Regierung. In diesem Jahr hatten sich 14 Personen für die sieben Regierungssitze beworben. Ein zweiter Wahlgang schien daher unvermeidlich zu sein. Die CVP verzichtete im ersten Wahlgang auf eine Listenverbindung mit der FDP, obwohl zwei ihrer Regierungsmitglieder zurückgetreten waren: Brigitte Mürner und Klaus Fellmann. Die Partei wollte die bisherigen Sitze mit den Bisherigen Kurt Meyer und Anton Schwingruber und drei Neuen verteidigen. Am Parteitag nominiert wurden Margrit Fischer-Willimann, Surseer Stadträtin und Grossrätin, die Luzerner Rechtsanwältin Heidi Pfister-Ineichen sowie Tierarzt Markus Dürr. Für die FDP traten die amtierenden Ulrich Fässler und Max Pfister zur Wiederwahl an. Die SP nominierte neben dem Bisherigen Paul Huber zusätzlich die Gemeinderätin und Fraktionschefin im Kantonalparlament Yvonne Schärli-Gerig. Die Grünen schickten Grossrat und Gewerkschaftssekretär Louis Schelbert ins Rennen. Die SVP setzte den Unternehmer und Grossrat Otto Laubacher sowie Rechtsanwalt Martin Müller auf ihre Liste. Keiner der 14 Kandidierenden erreichte im ersten Wahlgang das absolute Mehr. Für eine Wahl wären 55 793 Stimmen notwendig gewesen. Allein die Bisherigen, Finanzdirektor Meyer und Volkswirtschaftsdirektor Schwingruber (beide cvp), erreichten mehr als 50 000 Stimmen. An dritter Stelle folgte die neu kandidierende Margrit Fischer-Willimann (cvp). Die CVP und die FDP teilten sich die ersten sieben Plätze. Erst auf Rang acht folgte Justizdirektor Huber (sp). Im Gegensatz zu den gleichzeitig stattfindenden Grossratswahlen konnte die SVP keinen Erfolg verzeichnen. Ihre beiden Kandidaten erreichten nur die Plätze neun und elf.
Die SVP erhob nach ihrem Wahlerfolg in den Kantonsratswahlen klar den Anspruch auf einen Regierungssitz. Bereits wenige Tage nach dem ersten Wahlgang war die Ausgangslage für den zweiten weitestgehend geklärt. Die CVP wollte an ihren vier Sitzen festhalten und schlug die Aufforderung der SVP, ihr einen Sitz zu überlassen, in den Wind. Auch die FDP forderte die CVP zum Verzicht auf, ansonsten würde sie mit SVP und SP über gemeinsame Listen verhandeln. Der freiwillige Proporz hat im Kanton Luzern eine Tradition. 1959 verzichtete die CVP zugunsten der SP auf einen Sitz und konnte damit die Allianz von SP und Liberalen verhindern. Ein SVP-nahes „Komitee für die Respektierung des Volkswillens“ publizierte Mitte Mai seitengrosse Inserate, die eine Neugestaltung der Zauberformel gemäss dem Volkswillen (Grossratswahlen) verlangte (3 CVP, 2 LPL, 1 SVP, 1 SP). Die FDP, unter deren Ägide ein „Komitee für echte Wahlen“ ins Leben gerufen worden war, gab zu bedenken, dass die CVP mit ihrem Festhalten an den vier bisherigen Sitzen letztlich den Sitz der SP gefährde. Von den 14 Kandidierenden traten deren acht zum zweiten Wahlgang an. Zu Allianzen unter den Herausforderern der CVP kam es nicht. Einzige Frau im Rennen blieb die CVP-Kandidatin Fischer-Willimann. Die CVP konnte schliesslich ihren vierten Sitz knapp halten; dem SVP-Kandidaten fehlten lediglich 166 Stimmen zum Wahlerfolg.
Die alte Zauberformel blieb daher vorläufig
bestehen. Wiedergewählt wurden: Meyer (cvp), Fässler (lp), Schwingruber (cvp), Pfister (fdp) und Huber (sp). Alle wiedergewählten Regierungsräte erhielten zwischen 44 000 und 48 000 Stimmen. Neu gewählt wurde Margrit Fischer-Willimann (cvp) mit 46 179 und etwas abgeschlagen auch Markus Dürr (cvp) mit 34 622 Stimmen. Die SVP kündigte an, sie werde bei der nächsten Vakanz eines bürgerlichen Regierungsmitglieds ihren Anspruch auf einen Sitz erneut anmelden
[68].
Die Tessiner Stimmberechtigten wählten im April eine neue Regierung. Zur Wahl der fünf Regierungsräte nach dem Proporzsystem liessen sich 40 Kandidatinnen und Kandidaten auf zwölf Listen aufstellen. Mindestens zwei der fünf Sitze mussten durch die Wahlen neu besetzt werden. Alex Pedrazzini (cvp) wollte sich beruflich neu orientieren und gab seinen Rücktritt bekannt. An seiner Stelle kandidierte CVP-Präsident Luigi Pedrazzini, der sich laut Wahlbeobachtern ohne nennenswerte Konkurrenz auf sicherem Pfad befand. Die CVP konzentrierte sich denn auch auf den Erhalt ihres bisherigen Sitzes. Weniger klar war die Nachfolge von Pietro Martinelli (sp), der sich auf Wunsch seiner Partei nach zwölf Jahren nicht mehr zur Wahl stellte. Die beiden Vertreter der FDP, die Finanzdirektorin Marina Masoni und Erziehungsdirektor Giuseppe Buffi schienen ungefährdet, obwohl man letzterem nach 13 Jahren Amtszeit verschiedene Male den Rücktritt nahe gelegt hatte. Die Lega stützte sich im Wahlkampf ganz auf die Popularität ihres Baudirektors Marco Borradori. Das sozialistische Lager schwächen und damit dem bürgerlichen Lager zu besseren Wahlchancen verhelfen konnte letztlich noch die durch den ehemaligen SP-Parteipräsidenten und Regierungsrat Rossano Bervini neugegründete Liberal-sozialistische Partei. Die SP hatte ausserdem Listenverbindungen mit der PdA oder den Grünen abgelehnt, währenddem die Lega mit der neugegründeten SVP eine solche eingegangen war.
Die Wahlen
bestätigten die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung. Mit der Wahl der Sozialdemokratin Patrizia Pesenti verdoppelte sich die Frauenvertretung in der Exekutive. Dabei galt die Locarneser Jugendrichterin Pesenti als Aussenseiterin auf der SP-Liste. Sie wird dem liberalen Flügel der SP zugerechnet. Der als Favorit gehandelte Noseda vertrat dagegen den von den Tessiner Sozialdemokraten angestrebten linken Kurs. Ein wider Erwarten gutes Ergebnis erzielte die Lega, die durch verschiedene hängige Strafverfahren angekratzt schien. Stimmenverluste verzeichnete hingegen die CVP, die damit den Krebsgang von 1995 fortsetzte. Sie blieb jedoch zweitstärkste Partei und konnte Alex Pedrazzini durch Luigi Pedrazzini ersetzen. Keine Chance hatte die SVP, die auf einen Stimmenanteil von 2% kam.
Gescheitert ist auch
das Comeback von Rossano Bervini. Der frühere SP-Staatsrat erreichte mit seiner neu gegründeten Liberal-sozialistischen Partei nicht einmal den Wähleranteil der SVP
[69].
An den Regierungsratswahlen im Kanton Zürich konnten die gemeinsam auf einer Liste angetretenen
Bürgerlichen Mitte April ihre
Fünfervertretung erfolgreich verteidigen. Die zwei restlichen Sitze gingen an die SP und die Grünen, welche zusammen mit der EVP angetreten waren. Rita Fuhrer (svp) schwang mit 179 388 Stimmen oben aus und hatte mit Ausnahme der Stadt in allen Bezirken die Nase deutlich vorn. SP-Justizdirektor Markus Notter erreichte den zweiten und der neu antretende Christian Huber (svp), Präsident des Zürcher Geschworenengerichts, den dritten Platz auf dem Podest. Huber kandidierte für den Sitz des zurücktretenden Hans Hofmann (svp). Auch die FDP konnte ihre beiden Vakanzen, die durch die Rücktritte von Eric Honegger und Ernst Homberger entstanden waren, problemlos neu besetzen: Ruedi Jeker und Dorothee Fierz erreichten die Ränge drei und vier, noch vor der grünen Gesundheitsdirektorin Verena Diener – die auf die Unterstützung des Gewerkschaftsbundes verzichten musste – und Bildungsdirektor Ernst Buschor (cvp). Buschors Resultat wurde von Wahlbeobachtern mit den Widerständen gegen seine Reformen im Bildungswesen erklärt; vor vier Jahren hatte er das zweitbeste Resultat erreicht. Gegen seine Wiederwahl hatte sich ein überparteiliches Komitee gebildet, welches sich zu einem grossen Teil aus Mitgliedern von Schulaufsichtskommissionen der Stadt Zürich zusammensetzte. Mitte März doppelten Volksschullehrkräfte nach und verschickten in einem Rundbrief mit dem Titel „Jetzt gilts Ernst“ eine Abrufempfehlung an ihre Lehrerkolleginnen und -kollegen. Nicht gewählt wurden die SP-Kantonsrätin Dorothee Jaun und das ehemalige Exekutivmitglied der Stadt Zürich Ruedi Aeschbacher (evp). Deutlich abgeschlagen landeten FP-Nationalrat Michael Dreher, der ehemalige freisinnige Kantonsrat Hans-Jacob Heitz (lp) sowie Roy Stauber von der Humanistischen Partei. Die
Bisherigen blieben auf ihren Posten. Den Neuen wurden die vakanten Direktionen zugeteilt: Huber die Finanzen, Jeker die Volkswirtschaft und Fierz die Bauten
[70].
[64] Zu den detaillierten Regierungszusammensetzungen siehe Tabelle im Anhang. 64
[65] Vgl. Tabelle im Anhang. Vgl. auch
SPJ
1998, S. 63. 65
[66] Wahlen vom 7.2.99:
NZZ, 8.2.99. Zu den Ersatzwahlen 1998 vgl.
SPJ
1998, S. 63 f. 66
[67] Wahlen vom 21.3.99: Presse vom 22.3.99. Wahlkampf:
BaZ, 4.1., 23.1., 27.2., 5.2., 9.2., 12.2., 13.2., 4.3., 5.3., 12.3. und 16.3.99;
SGT, 19.3.99;
Bund, 20.3.99. 67
[68] 1. Wahlgang vom 18.4.99: Presse vom 19.4.99. 2. Wahlgang vom 30.5.99: Presse vom 31.5.99:
NZZ, 3.6.99;
NLZ, 11.6.99. Wahlkampf:
NLZ, 1.2.-29.5.99;
TA, 14.4.99;
NZZ, 23.4. und 18.5.99;
SGT, 26.5.99. 68
[69] 1. Wahlgang vom 18.4.99: Presse vom 19.4.99. Wahlkampf:
BaZ, 18.2.99;
NZZ, 26.3.99;
TA, WoZ und
Bund, 15.4.99. Zu einzelnen Kandidierenden und Listen: Wahlkampfserie in
CdT, 31.3.-17.4.99. 69
[70] Wahlen vom 18.4.99: Presse vom 19.4. und 20.4.99. Wahlkampf:
TA und
NZZ von Januar bis April. 70
Copyright 2014 by Année politique suisse