Année politique Suisse 1999 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
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Weltwirtschaft
Die schneller als erwartet eintretende Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise in Ostasien wirkte sich, zusammen mit dem unverändert anhaltenden Boom in den USA, positiv auf den Konjunkturverlauf in den westlichen Industriestaaten aus. In den meisten dieser Länder belebten sich die Exporte und auch die Investitionstätigkeit. Das reale Bruttoinlandprodukt der OECD-Staaten nahm im Mittel um 2,8% zu (1998: 2,4%). Über diesem Durchschnitt lagen die Wachstumsraten in den USA, wo zum dritten aufeinanderfolgenden Mal die reale Wachstumsrate die 4%-Marke überstieg. Japan verzeichnete nach dem Rückgang im Vorjahr wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum, das sich allerdings zu einem guten Teil auf staatliche Förderungsprogramme stützte. Im EU-Raum fiel die reale wirtschaftliche Wachstumsrate infolge einer Abschwächung im ersten Halbjahr mit 2,1% etwas tiefer aus als 1998 (2,7%). In den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten und in Russland schwächte sich das Wachstum wieder ab. Auslöser dafür war primär die verschärfte Finanzpolitik, welche nach den Finanz- und Währungskrisen des Vorjahres erforderlich geworden war. Immerhin gelang es damit auch, die starke Inflation abzubremsen. Die lateinamerikanischen Länder verspürten weiterhin die Auswirkungen der sinkenden Rohstoffpreise sowie der Erschütterungen der eigenen Finanz- und Währungssysteme und entwickelten sich unterschiedlich.
Die Inflationsrate nahm, vor allem wegen der Preiserhöhungen für Erdöl, gegen Jahresende wieder etwas zu. Im Jahresmittel lag sie allerdings in den EU-Staaten mit durchschnittlich 1,2% tiefer als im Vorjahr; in den USA fiel sie mit 2,2% etwas höher aus. Die Beschäftigungslage verbesserte sich in den meisten Industriestaaten; eine wichtige Ausnahme bildete Japan, wo der Stellenabbau infolge von Restrukturierungsmassnahmen anhielt. Die Arbeitslosigkeit sank in den USA mit einer Quote von 4,0% auf den tiefsten Stand seit 1970. In der EU bildete sie sich auf durchschnittlich 9,2% zurück [2].
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Schweiz
Die schweizerische Konjunktur erholte sich rasch von der im zweiten Halbjahr 1998 infolge der Ostasienkrise eingetretenen Abschwächung. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm, gemäss ersten Schätzungen, wegen der bis ins erste Halbjahr anhaltenden Wachstumsverlangsamung mit 1,7% etwas weniger stark zu als im Vorjahr (2,1%). Die Exporte vermochten wieder wichtige Wachstumsimpulse auszulösen. Die Ausrüstungsinvestitionen expandierten etwas schwächer als 1998, hingegen nahmen die Bauinvestitionen, die im Vorjahr noch stagniert hatten, erstmals seit vier Jahren wieder zu. Der private Konsum blieb mit einer Wachstumsrate von 2,2% weiterhin eine wichtige Konjunkturstütze. Keine positiven Impulse gingen hingegen von den im Zeichen von Haushaltsanierungen stehenden staatlichen Ausgaben aus. Die reale Wachstumsrate der Güterexporte erreichte mit 4,4% nahezu den Vorjahresstand. Stark expandierten namentlich die Ausfuhren in den ostasiatischen Raum und in die USA. Bei den Güterimporten reduzierte sich die reale Wachstumsrate von 9,4% auf 5,3%. Die Handelsbilanz schloss nach dem Defizit im Vorjahr wieder mit einem Überschuss (0,7 Mia Fr.) ab. Der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz erhöhte sich nach ersten Schätzungen auf 21,3 Mia Fr. Da namentlich auch die Kapitaleinkommen aus dem Ausland stark anwuchsen, ergab sich eine kräftige Steigerung des Ertragsbilanzüberschusses. Dieser stieg gemäss ersten Schätzungen von 34,6 Mia auf 43,9 Mia Fr. [3].
Die Entspannung der Lage auf dem Arbeitsmarkt setzte sich im Berichtsjahr fort, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm im Jahresmittel um 1,1% zu. Für dieses Wachstum war wie bereits in den Vorjahren die Nachfrage nach Arbeitskräften im Dienstleistungsbereich (+1,4%) verantwortlich, während im 2. Sektor immerhin kein weiterer Rückgang zu verzeichnen war. Im Baugewerbe setzte sich die Erholung fort und die Zahl der Beschäftigten nahm erneut leicht zu (0,6%). Gemäss der jeweils im zweiten Quartal durchgeführten Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) war die Steigerungsrate bei den Teilzeitangestellten erneut ausgeprägt, die Zahl der Vollzeitbeschäftigten war hingegen zum Messzeitpunkt etwas kleiner als ein Jahr zuvor. Die Erwerbsquote hat sich laut SAKE in den letzten zehn Jahren bei den Männer leicht reduziert (von 91,1% auf 89,6%) und war bei den Frauen, namentlich infolge der wachsenden Bedeutung der Teilzeitarbeit, kräftig angewachsen (von 70,6% auf 74,5%). Bei beiden Geschlechtern lag sie über dem Mittelwert der EU. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen reduzierte sich kontinuierlich von 125 883 im Januar auf 91 041 im Dezember (nicht saisonbereinigte Werte). In dieser Zahl sind allerdings die in Weiterbildungs- und Arbeitsprogrammen integrierten Arbeitslosen nicht enthalten. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ging im Jahresmittel auf 2,7% zurück, im Dezember betrug sie noch 2,5% (Dezember 1998: 3,2%). Diese Quote war in allen Landesteilen rückläufig, lag aber in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin mit 4,0% resp. 4,4% immer noch deutlich über derjenigen der Deutschschweiz (2,2%). Der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen betrug im Jahresmittel 48% und blieb damit gegenüber 1998 unverändert. Die für internationale Vergleiche konzipierte SAKE des Bundesamtes für Statistik wies im 2. Quartal 1999 eine Arbeitslosenquote von 3,1% aus (1998: 3,6%) [4].
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung nahm 1999 im Jahresmittel um 0,8% zu. Gemäss einer Schätzung des BfS waren 0,3 Prozentpunkte dieser Steigerung auf die auf Jahresbeginn erfolgte Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 6,5% auf 7,5% zurückzuführen. Der Preisindex der Produzenten- und Importpreise war im Berichtsjahr erneut für beide Kategorien rückläufig (-1,0% resp. -2,2%) [5].
Der Ständerat überwies einstimmig eine Motion Cottier (cvp, FR), welche verlangt, dass in Zukunft der Konsumentenpreisindex für verschiedene soziale Gruppen wie Alleinerziehende, Pensionierte etc. separat erhoben wird, um den unterschiedlichen Verbrauchsstrukturen dieser Haushalte Rechnung zu tragen. Damit stellte sich der Rat hinter das Bundesamt für Statistik, das in der für das Jahr 2000 geplanten Revision des Indexes eine entsprechende Aufteilung vorsieht und sich dabei auf einen Expertenbericht abstützen kann [6].
 
[2] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 7 ff. Siehe auch Kommission für Konjunkturfragen, Die Wirtschaftslage. Bericht vom 2. März 2000, Bern (seco) 2000.2
[3] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 20 ff. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur).3
[4] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 22 ff.; Die Volkswirtschaft, 1999/2000 (statistischer Anhang), S. 22-26; NZZ, 20.10.99 (SAKE). Siehe dazu auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).4
[5] SNB, Geschäftsbericht, 92/1999, S. 25.5
[6] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 184 ff.; Presse vom 7.5.99; Lit. Brachinger e.a. Vgl. dazu auch SPJ 1998, S. 113.6