Année politique Suisse 1999 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b.
Das Wahljahr bot
verschiedene
Schaukämpfe um das Thema Steuern. Die FDP lancierte eine Steuerstopp-Initiative, die CVP präsentierte ihr Steuerreform-Konzept und die SVP forderte die Senkung der direkten Bundessteuer um 10% bis 2001 bei gleichzeitiger Reduktion der Bundesausgaben
[1].
Eine Motion Schmid (svp, BE) forderte die
Verlagerung von maximal 20% des Ertrages
der direkten Bundessteuer auf die Mehrwertsteuer (MWSt). Dabei sollte die MWSt um maximal 1,5% ansteigen, die am steilsten verlaufenden Progressionsstufen gemildert werden, die Soziallasten eine bessere Berücksichtigung finden sowie die Belastung der Ehepaare gegenüber den Konkubinatspaaren ausgeglichen und der absolute Effekt des Finanzausgleichs beibehalten werden. Widrig (cvp, SG) unterstützte die Motion, der er eine mittelstandsfreundliche Tarifstruktur zuschrieb. Auch Cavadini (fdp, TI) sprach sich für eine Annahme aus, weil seiner Ansicht nach in der Schweiz immer noch eine zu hohe Belastung durch direkte Steuern herrsche. Jans (sp, ZG) wehrte sich gegen eine Überweisung; die Motion sei ein Surrogat zur Initiative für eine Abschaffung der direkten Bundessteuer. Eine Zurücknahme der direkten Bundessteuer würde ausserdem vor allem oberen Einkommensschichten dienen. Die unteren Steuerklassen würden dagegen durch erhöhte indirekte Steuern zur Kasse gebeten. Für Bundesrat Villiger war die Motion mit ihren klaren Vorgaben zu bindend, er hätte sie deshalb gerne als Postulat überweisen lassen. Gegen den bundesrätlichen Antrag wurde die Motion mit 75 zu 67 gutgeheissen. Im
Ständerat wurde die Motion während der Herbstsession ebenfalls gutgeheissen. Der Passus über die Milderung der steilsten Progressionsstufen aber herausgelöst und nur als Postulat überwiesen. Nach Auffassung der WAK-StR hätte dieser Passus vor allem zu Steuerermässigungen bei hohen Einkommen geführt. Eine parlamentarische Initiative der WAK-StR mit demselben Ziel wurde auf Antrag der Kommission selbst abgeschrieben
[2].
Die Freisinnigen lancierten eine Volksinitiative für einen Steuerstopp, welche die Fiskalquote (als Anteil der Steuereinnahmen am Bruttoinlandprodukt) einschränken will und zu diesem Zweck die Einführung eines Steuermoratoriums auf sieben Jahre vorsieht. Die FDP befürchtete, dass in Zukunft zu viele einzelne Steuerprojekte an die Urne kommen, deren Auswirkungen auf das Steuersystem insgesamt nicht genügend berücksichtigt würden. Früher als angekündigt wurde die Initiative am Parteitag im August lanciert
[3].
Der Nationalrat überwies in seiner Sommersession ein Postulat Vallender (fdp, AR) zur
Gesamtbelastung der Bürger und Unternehmungen durch Steuern und Abgaben. Der Bundesrat wird gebeten, in einem Bericht neben den Bundessteuern auch die kantonalen und Gemeindesteuern zu berücksichtigen. In der Begründung des Postulats wurde vorgebracht, dass heute zuverlässige Angaben über die Gesamtbelastung für private Personen und für Unternehmen fehlten. Gerade bei der Anwendung des Verursacherprinzips drohe eine weitere Zunahme der Belastung. In der gleichen Sitzung überwies der Rat ein ähnlich lautendes Postulat der FDP-Fraktion. Der Bundesrat soll bis Ende Jahr in einem Bericht darlegen, wie und nach welchem Zeitplan er die Vielzahl an fiskalischen Projekten behandeln will, in welchen neue Steuern und Abgaben verlangt oder eine Erhöhung derselben verfolgt würden. Ausserdem soll der Bundesrat offen legen, welche Konsequenzen er in Bezug auf die steuerliche Konkurrenzfähigkeit der Schweiz gegenüber dem Ausland, auf das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze erwarte, und welche Möglichkeiten zur
Vereinfachung des Steuersystems er in Betracht ziehe. In der Begründung führte die Fraktion an, dass die Fiskalquote in der Schweiz in der Zeit von 1985 bis 1997 von 30,8% auf 34,6% angestiegen ist, während andere Staaten wie die Niederlande, Grossbritannien oder die USA ihre Fiskalquote senken konnten. In derselben Session wurde im Ständerat ein gleichlautendes Postulat Schiesser (fdp, GL) ebenfalls überwiesen
[4]. Der Nationalrat überwies ein Postulat Schaller (ldu, ZH), welches den Bundesrat ebenfalls beauftragt, einen
Bericht über die Gesamtwirkung des Steuer-, Abgaben- und Gebührensystems vorzulegen
[5].
Eine Motion der Liberalen Fraktion, die
bei jeder weiteren Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes eine
gleichzeitige Reduktion der direkten Steuern forderte, wurde vom Nationalrat mit 95 zu 48 Stimmen als Postulat überwiesen. Das Ziel der Vorlage ist es, das Verhältnis zwischen direkter und indirekter Besteuerung (CH: 1:4) auf das europäische Niveau (1:3 oder 1:2) zu bringen. Die SP-Fraktion hatte sich gegen die Überweisung gewehrt, weil eine Veränderung des Verhältnisses vor allem den oberen Einkommensschichten zugute kommen würde
[6].
Das Parlament behandelte in seiner Herbstsession eine Reihe von Vorstössen, die auf ein
Splitting bei der Familienbesteuerung zielten. Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrätin Vallender (fdp, AR), dass für das Einkommen von Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer in Zukunft der Steuersatz des halben steuerbaren Einkommens angewendet wird. In ihren Augen ist es nicht gerechtfertigt, dass mit der Heirat eine kostspielige steuerliche Mehrbelastung verbunden ist. Goll (sp, ZH) wandte sich mit einer Minderheit der WAK-NR gegen das Begehren mit der Begründung, Einverdienerehepaare mit hohem Einkommen würden dadurch gegenüber Alleinstehenden und Konkubinatspaaren bevorzugt. Für die WAK-Mehrheit empfahlen Cavadini (fdp, TI) und Widrig (cvp, SG), der Initiative Folge zu geben. Mit 70 zu 59 Stimmen folgte das Plenum diesem Antrag
[7]. Im
Ständerat forderte Simmen (cvp, SO) mit einer erfolgreichen Motion die Erhöhung der Kinderabzüge sowie Abzüge für die Kinderbetreuung durch Dritte bei der direkten Bundessteuer. Ebenfalls angenommen wurde ein Postulat Spoerry (fdp, ZH), welches den Bundesrat einlud, bei der Weiterbearbeitung der Vorschläge zur Familienbesteuerung durch die Expertenkommission Locher auch eine Senkung der direkten Bundessteuer bei gleichzeitiger Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes ins Auge zu fassen
[8].
Eine Motion der SP-Fraktion, welche die
Besteuerung von natürlichen und juristischen Personen
vom Wohnsitz in den Kanton des Arbeitsorts verlagern wollte, wurde vom Nationalrat auch als Postulat mit 75 zu 51 Stimmen abgelehnt. Die SP wies in ihrer Begründung darauf hin, dass die Zentrumslasten zentraler Orte durch diese Verlagerung ausgeglichen werden könnten. Eine angemessene Rückerstattung an den Wohnsitzkanton wurde dabei in Aussicht gestellt. Ruey (lp, VD) und Bundesrat Villiger waren jedoch der Meinung, dass das
Problem der Zentrumslasten nicht durch eine Verlagerung der Besteuerung sondern durch den Finanzausgleich angegangen werden sollte. Diese Thematik war im Berichtsjahr vor allem in der Westschweiz aktuell geworden. Das Bundesgericht hatte im Oktober dem Kanton Genf untersagt, bei Pendlern aus der Waadt Steuern einzufordern. Der Kanton Genf hatte im November 1998 einzelnen gut verdienenden Pendlern schriftlich eine Steuerpflicht in Aussicht gestellt, nachdem der Kanton Waadt es mehrmals abgelehnt hatte, sich an den Zentrumslasten des Stadtkantons Genf zu beteiligen. Das Bundesgericht verwies in seinem Urteil auf das Verbot einer Doppelbesteuerung
[9].
Nationalrat Strahm (sp, BE) verlangte mit einer parlamentarischen Initiative eine
materielle
Harmonisierung der direkten Steuern und eventuell auch der Erbschafts- und Schenkungssteuern zwischen den Kantonen. Seiner Ansicht nach zerstört die Steuerkluft zwischen den Ständen den nationalen Zusammenhalt. Auch der Neue Finanzausgleich (siehe unten) werde die wachsenden Disparitäten nicht ausgleichen können. Mit der Globalisierung der Wirtschaft und der Konzentration in Holding- und Sitzgesellschaften würden diese Disparitäten weiterhin anwachsen. Cavadini (fdp, TI) und Schmid (svp, BE) bekämpften die Initiative im Namen der Kommissionsmehrheit. Sie wollten die Steuerautonomie der Kantone nicht beschneiden und befürchteten von der Umsetzung der Initiative allgemein höhere Steuern. Der Steuerwettbewerb trägt ihrer Meinung nach zu sparsameren Haushalten bei. Mit 85 zu 56 Stimmen folgte das Plenum dem Mehrheitsantrag und wies die Initiative zurück
[10]. Mit den gleichen Argumenten lehnte der Nationalrat auch eine praktisch identische Motion der SP-Fraktion ab
[11].
Zur Besteuerung von Wohneigentum siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).
Die Idee einer allgemeinen
Steueramnestie hatte im Ständerat vor zwei Jahren keine Mehrheit gefunden. Dessen Rechtskommission schritt anschliessend an die Ausarbeitung einer Vorlage, die eine individuelle Steueramnestie nach dem
Prinzip der straflosen Selbstanzeige verfolgt. Die Kommission übergab ihren Entwurf im Berichtsjahr dem Bundesrat zur Vernehmlassung. Der Steuererklärung soll zukünftig eine Spalte zur Deklarierung bisher verschwiegener Einkommen und Vermögen beigefügt werden. Private würden bei Selbstanzeige von einer Strafverfolgung verschont, müssten allerdings die Nachsteuern inkl. Verzugszinsen begleichen. Unternehmen hingegen bliebe ein gerichtliches Verfahren nicht erspart. Trotz den Einwänden kantonaler Finanzdirektoren hielt die Kommissionsmehrheit an ihrer Position fest, Erben nicht für die
Steuerhinterziehung des Erblassers zu bestrafen
[12]. Dieses Anliegen lag auch der Motion Pelli (fdp, TI) zugrunde, die gefordert hatte, bei Vorlage eines vollständigen Inventars der Erbmasse auf Nachsteuer und Busse zu verzichten. Der Nationalrat überwies die Motion als Postulat
[13].
In einer Motion forderte Nationalrat Grobet (-, GE), Steuerhinterziehungen über einer Deliktsumme von 10 000 Fr. strafrechtlich zu ahnden. Aus der Sicht des Motionärs sind die gesetzlichen Möglichkeiten, Steuerhinterziehung zu bestrafen, im Vergleich zu anderen europäischen Staaten ungenügend. Zudem hätte die
Steuerhinterziehung in der Schweiz gerade in den Krisenjahren der Rezession ein unannehmbares Mass erreicht. Mit der Verwirklichung dieser Motion, wären ausländische Gelder, die auf Schweizer Banken dem Fiskus im Herkunftsland entzogen würden, nicht länger durch das Bankgeheimnis gedeckt. Der Bundesrat erklärte in seiner Stellungnahme, dass Steuerhinterziehung nach geltendem Recht bereits eine Geldstrafe in der Höhe des vierfachen hinterzogenen Betrages zur Folge haben könne und zudem bei Urkundenfälschung eine nochmalige Bestrafung wegen Steuerbetrugs vorgesehen sei. Die Umsetzung der Motion würde bedeuten, dass bei Hinterziehungen über 10 000 Fr. Einkommen oder Gewinn eine zweite Gefängnisstrafe laut Strafgesetzbuch ausgesprochen werden könnte. Die Hinterziehung würde demnach einmal von der Steuerbehörde mit Busse bestraft, zusätzlich vom Strafrichter mit einer Freiheitsstrafe. Sollte dies der Fall sein, dürfte ein klarer Fall von Doppelbestrafung vorliegen. Die Motion wurde vom Nationalrat in der Wintersession in Form eines Postulats überwiesen
[14]. Hingegen wurde eine
Motion der SP-Fraktion, die eine Steuerhinterziehung nicht mehr als Übertretung sondern als Vergehen bestrafen wollte, auf Antrag des Bundesrates mit 80 gegen 59 Stimmen abgelehnt
[15].
Zum Bundesbeschluss über die Risikokapitalanlagen siehe oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
Eine Motion Eberhard (cvp, SZ) forderte die
Steuerbefreiung für Kapitalgewinne bei Betriebsaufgaben oder -übernahmen in Landwirtschaft und Gewerbe, solange diese zur Finanzierung der beruflichen Vorsorge verwendet werden. Damit soll der Strukturwandel in diesen Bereichen abgefedert werden. Der Bundesrat wollte in seiner Stellungnahme lediglich im Falle einer Betriebsaufgabe mit gleichzeitigem Übertritt in den Ruhestand und fehlender beruflicher Vorsorge ein Steuerprivileg prüfen lassen. Im Einverständnis mit dem Motionär wurde der Vorstoss auf Antrag des Bundesrates als Postulat überwiesen
[16].
Eine Motion der WAK-NR zur
steuerlichen Vereinheitlichung von selbständiger und unselbständiger Erwerbsarbeit sowie zu deren Gleichbehandlung im Sozialversicherungs-Abgaberecht wurde von beiden Räten auf Antrag des Bundesrates überwiesen. Dieser wurde mit der Ausarbeitung eines Berichtes mit Anträgen beauftragt. Begriffe und Status der Erwerbsarbeit sollen für alle Abgabearten einheitlich und kohärent geregelt und der Tendenz zu Mischformen Rechnung getragen werden
[17].
Raggenbass (cvp, TG) zog seine parlamentarische Initiative, mit der er
einheitliche Regeln bei der zeitlichen Bemessung von Steuern einführen wollte, zurück. Laut Initiant könne in vielen Kantonen aufgrund der zu unterschiedlichen Zeitpunkten bemessenen Gemeinde- und Kantonssteuern eine Steuerlücke durch Wohnsitzverlegung ausgenutzt werden. Die WAK-NR hatte das Anliegen in einer Motion übernommen und diese erfolgreich im Rat durchgebracht. Überdies hatten in der Zwischenzeit 23 von 26 Kantonen die
einjährige Veranlagung mit Gegenwartsbemessung eingeführt, womit die Dringlichkeit der Initiative nicht mehr gegeben war
[18].
[1]
BZ, 23.8.99; Presse vom 24.8., 25.8. und 30.8.99. Steuerstopp-Initiative: siehe unten (Andere Steuerfragen). Wahlkampf: siehe oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen, Wahlkampfthemen).1
[2]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 825 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 875 f. (Mo.) und 876 ff. (pa.Iv.);
Bund, 5.10.99.2
[3]
BZ, 9.2.99;
SGT und
NZZ, 10.2.99;
BZ und
NZZ, 5.5.99;
TA, 4.8.99; Presse vom 30.8.99.3
[4]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1325 f.;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 393 f.4
[5]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2202 f.5
[6]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2593 f.6
[7]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1959 ff.;
NZZ, 5.10.99.7
[8]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 874 f. (Po.) und 879 ff. (Mo.). Das Postulat Spoerry zielte auf die Berücksichtigung einer pa.Iv. der WAK-StR zu dieser Thematik aus dem Jahre 1995, welche gleichentags vom StR als erfüllt abgeschrieben wurde (
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 876 ff.).8
[9]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2544 f.;
AZ und
24h, 28.10.99.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1129 ff.;
Bund und
BaZ, 16.6.99. Im November wies der Vorstand der kantonalen Finanzdirektoren eine Aufforderung BR Villigers zurück, dem BR Vorschläge zu einer Harmonisierung der Erbschafts- und Schenkungssteuern zu unterbreiten (
SHZ, 10.11.99). Der bundesrätliche Versuch, die Erbschaftssteuern zu harmonisieren wurde schliesslich Ende November durch die Abschaffung derselben im Kanton Zürich zusätzlich in Frage gestellt. 10
[11]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2547 ff. 11
[12]
TA, 11.1.99;
NZZ, 12.1.99;
SPJ
1997, S. 145 f. 12
[13]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 367 f. 13
[14]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2552 f. 14
[15]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2546 f. 15
[16]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 372 f. 16
[17]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 358 f.;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 365 f. 17
[18]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 501 ff. (Mo.) und 978 ff. (pa.Iv.). 18
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