Année politique Suisse 1999 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Indirekte Steuern
In seiner Frühjahressession befasste sich der Nationalrat erneut mit den Differenzen zum Ständerat beim Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSt); rund 40 waren noch übriggeblieben. Strahm (sp, BE) wandte sich im Namen einer Kommissionsminderheit gegen die Steuerausnahme für die Zollfreigebiete Samnaun und Sampuoir (GR). Jans (sp, ZG) forderte, dass die beiden Talschaften wenigstens die Steuerausfälle vollständig kompensieren sollten, falls an der Befreiung festgehalten würde. Das Plenum folgte dem Mehrheitsantrag seiner WAK und hiess den Ständeratsentscheid gut. Zudem folgte der Rat einem Antrag von Baumberger (cvp, ZH), wonach die periodische Indexierung der im Gesetz genannten Frankenbeträge bereits dann anzupassen ist, wenn der Landesindex 15% statt 30% ansteigt. In Bezug auf die Humanmedizin forderten Gysin (sp, BS), Raggenbass (cvp, TG), Vallender (fdp, AR), Wiederkehr (ldu, ZH) sowie die Grüne Fraktion mit Erfolg, die Naturärzte bei der Besteuerung den Schulmedizinern gleichzustellen und sie von der MWSt zu befreien. Rechsteiner (sp, BS) setzte sich vergeblich gegen eine Steuerbefreiung privater Alters- und Pflegeheime zur Wehr. Die vom Ständerat beschlossene Steuerbefreiung der im Rahmen gemeinnütziger Jugendaustauschorganisationen durchgeführten Kultur- und Bildungsförderung fand auch im Nationalrat Zustimmung.
Kühne (cvp, SG) und Speck (svp, AG) forderten sodann mit einer Kommissionsminderheit, dass die
Vermietung und Verpachtung von Sportanlagen zur Förderung des Breitensports von der MWSt befreit werde. Der Rat folgte dem Antrag mit 92 zu 45 Stimmen. Ein von Gros (lp, GE) vorgetragener Minderheitsantrag zur Steuerbefreiung internationaler Flüge wurde dagegen abgewiesen. Bundesrat Villiger führte an, dass grundsätzlich alle Transportleistungen versteuert werden sollten. Da jedoch die EU die
internationalen Flüge nicht besteuert, sei es für die Schweiz unmöglich, die Besteuerung im Alleingang vorzunehmen. Der Bundesrat begrüsste deshalb die ständerätliche Version, welche die Entscheidung über eine Besteuerung von Transportdienstleistungen dem Bundesrat überlassen will. In der Abstimmung wies das Plenum den Antrag Gros zurück und schloss sich der kleinen Kammer an. Schliesslich verlangte Columberg (cvp, GR), dass gemäss dem Entscheid im Ständerat auf die Besteuerung der Kurtaxe verzichtet werden solle. Bundesrat Villiger stellte indes klar, dass nicht die Kurtaxe an sich besteuert werde, sondern nur touristische Leistungen, die aus den Einkünften der Kurtaxe bezahlt werden. Das Plenum folgte dem Bundesrat und der Kommissionsmehrheit und hielt damit die Differenz zum Ständerat aufrecht
[23].
Im weiteren wies der Rat den Antrag Zwygart (evp, BE) zurück, der verlangt hatte, Beiträge der öffentlichen Hand an Ausbildungsstätten von anerkannten Berufen oder
Fachhochschulen und Universitäten als Subventionen zu betrachten und somit von der MWSt zu befreien. Mit 90 zu 86 Stimmen akzeptierte der Rat hingegen den von der Kommissionsminderheit vorgeschlagenen
Sondersatz für die Hotellerie bis Ende 2003. Damit wurde der Sondersatz von 3,5% entsprechend dem Ständeratsbeschluss um zwei Jahre erstreckt. Bezzola (fdp, GR) wies darauf hin, dass auch die ausländischen Konkurrenten im Tourismus einen solchen Sondersatz kennen. Ob dieser Frage verlief der Graben mitten durch die bürgerlichen Fraktionen. Die Kommissionsmehrheit begründete die Streichung mit dem Argument, die MWSt sei der falsche Ort für eine Strukturpolitik im Tourismus. Entgegen den Warnungen von Bundesrat Villiger vor Steuerausfällen in der Höhe von 40 Mio Fr. stimmte das Plenum dem Minderheitsantrag Widrig (cvp, SG) und damit dem vollen Vorsteuerabzug für Kultur- und Sportverbände zu. Entgegen anderslautender Anträge votierte das Plenum ausserdem gemäss Ständeratsbeschluss für die Grenzwerte von 3 Mio Fr. steuerbarem Umsatz und 60 000 Fr. effektiver Steuerlast bei der Saldosteuer
[24].
Obwohl die ständerätliche WAK die Differenzen zum Nationalrat in der Aprilsession abbauen wollte, hielt die kleine Kammer an zahlreichen Beschlüssen fest. So stützte sich das Plenum bei der
Besteuerung von Heilbehandlungen weiterhin auf die kantonale Zulassung der Gesundheitspersonen ab. Auch hielt es mit 17 zu 17 Stimmen bei Stichentscheid des Präsidenten am Steuersatz von 4,6% für Sportverbände fest. Hingegen folgte der Ständerat in der Gruppenbesteuerung dem Beschluss des Nationalrates. Auch bei der Steuerbefreiungsliste für das
Fundraising gemeinnütziger Organisationen kam er dem Nationalratsbeschluss ein Stück weit entgegen
[25].
Die letzten Differenzen mussten in der
Einigungskonferenz gelöst werden. Beide Räte stimmten in der Sommersession der Steuerbefreiung aller Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin zu, wobei der Bundesrat die Details festlegen muss. Behandlungen, die der Schönheit oder dem Wohlbefinden dienen, unterliegen allerdings der MWSt. Auch bei der Steuerbefreiung der Kur- und Verkehrsvereine setzte sich der Ständerat durch. Hingegen folgte die Einigungskonferenzen bei den Kultur- und Sportvereinen, die freiwillig für eine Unterstellungen unter die MWSt optieren, dem Steuersatz des Nationalrates von 2,3%
[26].
[23]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 313 ff.; Presse vom 16.3.99. Siehe
SPJ
1997, S. 151 f. und
1998, S. 148 f. 23
[24]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 337 ff., 348 ff. und 814 ff.;
NZZ, 17.3. und 1.6.99. 24
[25]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 355 ff. und 408 ff.;
NZZ, 23.4. und 3.6.99. 25
[26]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1107 f. und 1603;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 539 f. und 714;
BBl, 1999, S. 7479 ff. Zu den wichtigsten Neuerungen bei der MWSt unter dem Aspekt der EU-Kompatibilität vgl.
NZZ, 30.12.99. 26
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