Année politique Suisse 1999 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Finanzausgleich
Mitte April präsentierte Bundesrat Villiger den Schlussbericht zum Neuen Finanzausgleich (NFA), der von einer gemischten Arbeitsgruppe des Bundes und der Kantone ausgearbeitet worden war. Als wichtigstes Ziel der Finanzreform nannte der Bericht die Entwirrung des Dickichts in den hoch kompliziert gewordenen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen. Die Finanzströme sollen vereinfacht, transparent und steuerbar umgestaltet werden; falsche Anreize im Subventionswesen sollen aufgehoben werden. Im Rahmen der Aufgabenentflechtung nach dem Subsidiaritätsprinzip gehen 15 Bereiche vollumfänglich (beispielsweise Sonderschulen und Berufsberatung) und 17 teilweise (beispielsweise Zivilschutz und Denkmalpflege) in die Verantwortung der Kantone über. Für weitere sechs Aufgabenbereiche soll nur noch der Bund verantwortlich sein (beispielsweise Nationalstrassenbau, Ausrüstung der Armee und individuelle AHV- und IV-Leistungen). Einige Aufgaben sollen von den Kantonen zwingend gemeinsam mit einem Lastenausgleich erfüllt werden (z.B. Agglomerationsverkehr). Gerade kleinere Kantone könnten in der interkantonalen Zusammenarbeit, beispielsweise in der Denkmalpflege, gegenüber dem Alleingang Kosten sparen. Andererseits soll damit auch die Beteiligung aller nutzniessenden Kantone an den Zentrumslasten gesichert werden. Schliesslich soll auch ein Ressourcenausgleich zwischen finanzstarken und -schwachen Kantonen eingeführt werden. Die gesamte Neuordnung soll unter dem Strich kostenneutral sein. Es werden aber Effizienzgewinne von gut 2 Mia Fr. erwartet.
In ersten Reaktionen stellten sich die Regierungsparteien hinter die Pläne des Bundesrates. Allerdings vermisste die SP die von ihr bereits mehrmals geforderte materielle Steuerharmonisierung. Der SBG beklagte sich über die Kantonalisierung der Wohnbauförderung und der kollektiven Leistungen der AHV/IV sowie der Berufsbildung. Der Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr (Litra) befürchtete eine Verschiebung der Finanzierungsanteile beim Regionalverkehr zulasten der Kantone und beklagte den faktischen Rückzug des Bundesrates aus dem öffentlichen Agglomerationsverkehr [43].
Im Rahmen der Vernehmlassung liefen verschiedene Sozialorganisationen gegen den NFA Sturm. Pro Infirmis, Pro Senectute, Spitex und Behindertenorganisationen befürchteten einen Rückgang der Subventionen dort, wo neu die Kantone anstelle des Bundes zuständig sind. Beim Ablauf der Vernehmlassungsfrist Ende November forderten zahlreiche Organisationen eine Fristverlängerung. Die kantonalen Finanzdirektoren hatten mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung ihre Zustimmung zum Bericht des Bundesrates beschlossen. Der Kanton Zug meldete in bezug auf den Ressourcenausgleich und insbesondere im soziodemographischen Belastungsausgleich Opposition an und Neuenburg wollte das Projekt in der vorliegenden Form überhaupt nicht akzeptieren. Die Sozialdemokraten lehnten alle Massnahmen, insbesondere bei der Neuschaffung kantonaler Kompetenzen, ab, die zu einem Leistungsabbau führen könnten. Umweltverbände warnten vor der geplanten Kantonalisierung von Aufgaben im Umweltbereich [44].
Die paritätische Arbeitsgemeinschaft Kantone-Städte-Agglomerationen (AG KSA) führte seit dem vergangenen Jahr einen Dialog, auf den im Berichtsjahr zahlreiche Massnahmenvorschläge folgten. In einem Bericht wies sie darauf hin, dass sich die Schuldenlast der fünf grössten Städte zwischen 1991 und 1996 um 38% erhöht hatte. Sie forderte, dass Vertreter der grossen Städte in allen kantonalen Direktorenkonferenzen Einsitz nehmen sollten, wo städtische Aufgaben und Zuständigkeiten beraten werden. Zudem erhoffen sich die Sozialvorstände von 37 Städten von Bund und Kantonen eine stärkere Berücksichtigung ihrer sozialpolitischen Lage im Lastenausgleich [45].
Zu zwei Vorstössen zur besseren Berücksichtigung der Städte beim NFA siehe oben, Teil I, 1d (Beziehungen zwischen Bund und Kantonen).
 
[43] Presse vom 16.4.99. 43
[44] NZZ, 13.8.99; TA, 17.9.99; BaZ, 8.11.99; Presse vom 2.12.99 und 18.12.99.44
[45] BZ, 3.7.99; Presse vom 18.12.99. 45