Année politique Suisse 1999 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Grundschulen
Im Rahmen der kantonalen Reformbewegungen setzte sich der bereits eingeschlagene gemeinsame Trend Richtung „autonomere Schulen“, Informatisierung des Unterrichts und Integration des Englischen fort. Weiterverfolgt wurde auch die Idee der Fächergruppenlehrkräfte sowie das nicht unumstrittene Projekt, den Kindergarten durch eine Basisstufe zu ersetzen. Finanzierungsprobleme und die Suche nach Sparmöglichkeiten betrafen erneut alle Kantone.
Der von der Studiengruppe der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) ausgearbeitete Vorschlag einer
„Basisstufe“ führte in den Kantonen und Regionen zu einem Überdenken der Zielsetzungen und Strukturen der Vorschulstufe und der ersten Primarschuljahre. Das Konzept der Studiengruppe sieht eine Grundstufe mit einem Eintritt wie im Kindergarten zwischen 4,3 und 5,3 Jahren, einem Übertritt in die Unterstufe der Primarschule mit frühestens 6,3 bis spätestens 9,3 vor. Die Grundstufe ist damit ein Jahr länger als der Kindergarten, kann aber in zwei, drei oder auch vier Jahren durchlaufen werden; sie sieht Blockzeiten vor, stellt im Gegensatz zum Kindergarten ein Obligatorium für die Kinder dar und untersteht kantonaler Kompetenz. Als Ziel der Grundstufe wurden insbesondere die Förderung der Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder in allen Persönlichkeitsbereichen, die Akzeptanz individueller Lernunterschiede und spezieller Bedürfnisse vom Eintritt ins öffentliche Bildungssystem an betont. In altersgemischten Gruppen soll den Kindern sowohl soziale Sicherheit als auch Anregung und Orientierung bezüglich ihrer Interessen, ihrer Motivation und ihren Fähigkeiten geboten werden. Für Provokation sorgte die Vorlage eines
Zürcher Konzepts für eine Grundstufe, die zwar in weiten Teilen dem Vorschlag der EDK-Studiengruppe folgte, aber statt der 1. und 2. Klasse nur die 1. Klasse in die Grundstufe einbezog. Befürchtet wurde, dass ohne Zusammenführung der beiden Klassen nicht etwas sinnvolles Neues geschaffen, sondern vielmehr ein Auseinanderbrechen zweier Kulturen bzw. eine Überbetonung der kognitiven Leistung und eine Vernachlässigung der basalen Förderung der Kinder eingeleitet werde
[6].
Viel Aufmerksamkeit wurde im Berichtsjahr dem Vorschulangebot nach dem
Tessiner Modell geschenkt. Im Kanton Tessin verbringen nach 150-jähriger Tradition mehr als die Hälfte aller Dreijährigen ihren Tag in der „scuola dell’infanzia“. So früh gehen die Kinder in keinem anderen Schweizer Kanton in den Kindergarten. Für eine Gebühr von 60 Fr. pro Monat werden sie auch über Mittag – einschliesslich Mittagessen und Mittagsruhe – betreut, was den Müttern ein unkompliziertes Ausüben eines Berufes ohne hohe Kinderbetreuungskosten erlaubt. Die „Arbeitsgemeinschaft Frauen 2001“ (Argef) und Deutschschweizer Medienschaffende informierten über das Modell, für welches der Kanton 1997 84,5 Mio Fr. ausgegeben hatte, und priesen es als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Geschlechterparität
[7].
Unter dem Namen „
Regos“ verabschiedete das Aargauer Parlament in erster Lesung eine Vorlage zur Regionalisierung der Oberstufen
[8]. In einer Volksabstimmung befürwortete die
Luzerner Stimmbevölkerung das neue Volksschulgesetz als Bestandteil der Totalrevision des Erziehungsgesetzes und hiess damit einen Systemwechsel im Finanzierungsmodell der Volksschule hin zu einer Ausrichtung von
Pro-Kopf-Beiträgen gut
[9]. Auch das
Urner Parlament beriet ein neues Schulgesetz. Die von der Regierung präsentierte Vorlage sah insbesondere die Einführung des freiwilligen 10. Schuljahres vor
[10]. Im Kanton
Zürich genehmigte die Stimmbevölkerung in Volksabstimmungen das Gesetz über die Wahl der Lehrpersonen und das neue Lehrerpersonalgesetz mit über 80% Ja-Stimmen
[11].
[6]
EDK Jahresbericht 1999, März 2000, S. 8;
NZZ, 23.9.99.6
[7] Presse vom 18.11.99;
BaZ, 19.11.99;
NZZ, 27.11.99.7
[8]
AZ, 15.6. und 18.8.99.8
[9]
NLZ, 13.9.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 375 f.9
[10]
NLZ, 21.1. und 4.2.99. 10
[11]
NZZ, 14.6. und 29.11.99. 11
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