Année politique Suisse 1999 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Berufsbildung
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Lehrstellen
Als Zweitrat genehmigte der Ständerat einstimmig den Lehrstellenbeschluss II (LSB), der auf eine parlamentarische Initiative Strahm (sp, BE) zurückging, welche von der nationalrätlichen WBK gutgeheissen und der grossen Kammer zur Annahme empfohlen worden war. Der LSB soll den im August 2000 auslaufenden ersten Lehrstellenbeschluss von 1997 ablösen. Zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen in anspruchsvollen Berufsfeldern wie dem High-Tech- oder Dienstleistungsbereich und für die Integration von Jugendlichen mit schulischen oder anderen Schwierigkeiten sah der LSB je 40 Mio Fr. vor; für die Motivation junger Frauen, in zukunftsträchtige „Männerberufe“ einzusteigen, sowie diverse Begleitmassnahmen waren im weiteren je 10 Mio Fr. eingeplant. Als Erstrat hatte die grosse Kammer entgegen dem Antrag des Bundesrats, vorerst nur 75 Mio Fr. für drei Jahre einzusetzen, der grosszügigeren Variante seiner WBK zugestimmt und den LSB schliesslich mit einem Kostendach von 100 Mio Fr. für vier Jahre beschlossen [32]. Die parlamentarische Initiative Strahm (sp, BE) zur Schaffung eines Anreizsystems für Lehrstellen wurde in der Folge auf Antrag der WBK als erfüllt abgeschrieben [33].
Das BBT präsentierte Mitte des Berichtsjahres die aktuellen Projekte zur Förderung der Berufslehre und gab zudem den Auftakt zur dritten nationalen Lehrstellenkampagne. Diese soll die „Türöffnungsfunktion“ der Berufslehre in Richtung Berufsmittelschulen und Fachhochschulen betonen und dabei insbesondere Mädchen ansprechen [34]. Im Herbst schätzte das BBT die Lage auf dem Lehrstellenmarkt besser ein als 1998. Von den verfügbaren Lehrstellen waren im August noch sieben Prozent nicht besetzt gewesen. 1999 standen gesamthaft 75 500 Lehrstellen im Angebot, 4000 mehr als im Vorjahr und 8500 mehr als 1997 [35].
Ende Oktober wurde die Lehrstellen-Initiative der Gewerkschaftsjugend und anderer Jugend-Organisationen „für ein ausreichendes Berufsbildungsangebot“ mit 113 032 gültigen Unterschriften eingereicht. Die Volksinitiative will allen Jugendlichen das Absolvieren einer Lehre ermöglichen. Dazu soll der Bund einen Fonds einrichten, der von jenen Unternehmungen gespiesen wird, welche keine oder zu wenig Lehrstellen anbieten [36]. Auf kantonaler Ebene waren diverse Lehrstelleninitiativen am laufen – mit dem Ziel, Anreize zur Einrichtung von Lehrstellen in Unternehmen zu schaffen: Die Jungliberalen des Kantons Solothurn lancierten eine entsprechende Gesetzesinitiative; im Kanton Basel-Stadt begann die FDP mit der Unterschriftensammlung, und im Kanton Zürich kam die Volksinitiative der FDP für eine Lehrstellengutschrift zustande. Hingegen verwarf die Aargauer Stimmbevölkerung die Volksinitiative „Lehre statt Leere“ mit über 60 Prozent der Stimmen per Volksabstimmung [37].
Laut einer an der Telenetcom-Messe im Mai vorgestellten Studie waren in der Schweiz 10 000 bis 40 000 Informatikerstellen unbesetzt  [38]. Den 800 Personen, welche jährlich eine entsprechende Ausbildung abschliessen, stünde eine Nachfrage nach 7000 bis 9000 Fachkräften pro Jahr entgegen. Andere Studien gingen von 12 000 bis 20 000 jährlich fehlenden Fachkräften aus. Angesichts dieses Mangels und des raschen Wachstums der Branche stiegen zahlreiche Telekommunikations-Unternehmen in die Lehrlingsausbildung ein, und entsprechende Lehrgänge schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Hochschulen versuchten – vorerst sehr unkoordiniert – nachzuziehen [39]. Diskussionslos überwies der Nationalrat im Einvernehmen mit dem Bundesrat ein Postulat Theiler (fdp, LU) betreffend einer Ausbildungsoffensive im Informatikbereich. Eine gemeinsam mit interessierten Wirtschaftszweigen angestrengte Offensive soll das grosse Manko an Informatikspezialisten rasch wettmachen und auch Arbeitslose in Umschulungsprogramme einbeziehen [40].
 
[32] BBl, 1999, S. 3087 ff. (Bericht der WBK); BBl, 1999, S. 3111 f. (Stellungnahme BR); Amtl. Bull. StR, 1999, S. 462 ff., 586 und 596; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 427 ff.; BBl, 1999, S. 5115 ff., 5192 und 9780 f.; NZZ, 19.3.99; Presse vom 9.3., 19.3. und 9.6.99. Vgl. SPJ 1997, S. 309 f. und 1998, S. 306. 32
[33] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 436 f. 33
[34] Presse vom 3.7.99. Vgl. SPJ 1998, S. 306. 34
[35] NZZ, 29.10.99. 35
[36] BBl, 1999, S. 9135 f.; NZZ, 21.10.99; Presse vom 27.10. und 11.11.99. Vgl. SPJ 1998, S. 306. Vgl. hierzu auch die Antwort des BR auf die Anfrage Weber (sp, AG) betreffend Massnahmen zur Generierung von Lehrstellen durch den Bund (Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2333 f.). Zur Diskussion über finanzielle Entschädigungen an Betriebe, die Lehrlinge ausbilden bzw. zur Trittbrettfahrer-Problematik vgl. Bund 23.8.99. Zum Aufbau von Ausbildungsverbünden, in denen mehrere Firmen gemeinsam Lehrlinge ausbilden, vgl. BaZ, 28.8.99. 36
[37] BaZ, 30.2. und 18.3.99 (BS); SZ, 10.7.99 (SO); NZZ, 26.3. und 2.7.99 (ZH); AZ, 29.11.99. Vgl. SPJ 1998, S. 371 und 377 (AG). 37
[38] Betreffend Informatik-Ausbildungsprogramme in der obligatorischen Schulzeit sowie Schule und Internet siehe oben, Grundschulen. 38
[39] NZZ, 18.5.99; SHZ, 19.5.99; SGT, 5.7. und 18.12.99; NLZ, 12.7.99; LT, 20.7.99. Zur finanziellen Unterstützung von Forschungsprogrammen an Hoch- und Fachhochschulen durch private Telekommunikationsfirmen vgl. NZZ, 27.4.99, und zu den verschiedenen Angeboten im Bereich der Informatik-Ausbildung siehe NZZ, 21.9.99. Vgl. auch die Antwort des BR auf die Vorstösse Strahm (sp, BE) betreffend Mangel an ausgebildetem Informatikpersonal und Schaffung zusätzlicher Informatiklehrstellen beim Bund (Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1393 ff.; Amtl. Bull. NR, 1999, Beilage, S. 169 f.; TA, 19.8.99). 39
[40] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1328. 40