Année politique Suisse 1999 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
 
Fachhochschulen
Im Rahmen der Sammelbotschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2000-2003 stimmte die Bundesversammlung der Teilrevision des Fachhochschulgesetzes sowie der Bereitstellung von 847 Mio Fr. für die Finanzierung der Fachhochschulen in den Jahren 2000-2003 oppositionslos zu. Die Gesetzesrevision soll den Prozess des Aufbaus von sieben Fachhochschulen (FHS) mit klaren, qualitativ ausgerichteten Vorgaben unterstützen [72].
An einem vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) und dem Fachhochschulrat der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren organisierten Kongress wurde Bilanz über die Erfüllung der Vorgaben zur Konzentration der sieben FHS (Bern, Zürich, Ostschweiz, Nordwestschweiz, Zentralschweiz, Westschweiz, italienische Schweiz) gezogen. Positiv fiel das Fazit angesichts der über 260 Projektgesuche in angewandter Forschung und Entwicklung sowie der Dynamik im Aufbau von Kompetenz-Netzwerken vorab im Technikbereich aus. BBT-Direktor Hans Sieber gab aber auch seinen Befürchtungen Ausdruck, die Reformen könnten angesichts der ungenügenden Kooperation zwischen FHS und Universitäten bereits an den Schulhaus- oder Kantonsgrenzen auflaufen. Er beklagte zudem, dass noch nicht alle FHS in ihre strategischen Führungsorgane profilierte Wirtschaftsführer aufgenommen hätten, wie dies im Sinne eines Know-how-Transfers zur Wirtschaft vom Bundesrat gewünscht worden war. Das ehrgeizige Unterfangen, mit dem die Landesregierung 28 Ingenieurschulen, 21 höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschulen sowie neun Schulen für Gestaltung (mit 174 Studiengängen) zu Fusions-, Konzentrations- und Koordinationsanstrengungen angehalten hatte, löste regionalpolitische Grabenkämpfe um die Schulstandorte aus. Am ersten nationalen Treffen der Fachhochschul-Dozierenden im September ging Bundesrat Couchepin auf die Spannungen zwischen Bund und regionalen Trägerschaften der FHS ein: Wenn der Bund von der Vision „Fachhochschule Schweiz“ ausgehe und die Region als „ausgedehnten Wirtschaftsraum“ verstehe, verwendeten die Trägerschaften den Begriff oft zur Verteidigung kleiner Schulen mit bloss lokaler Ausstrahlung. Auch wenn die angestrebte Konzentration von Studiengängen und Mitteln im Einzelfall einschneidend und schmerzhaft sein könne, gewähre doch nur dieser Weg die Entstehung leistungsstarker Ausbildungs- und Forschungsschwerpunkte. Bis zum Ablauf der Aufbauphase bzw. der Frist zur Umsetzung der Auflagen im Jahre 2003 schienen also noch etliche Anpassungen nötig. Der Bundesrat stellte dem Parlament einen Zwischenbericht für Herbst 2000 in Aussicht [73].
Mit Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung erhielt der Bund eine neu umschriebene Förderkompetenz für alle Fachhochschulen. Bei der Anschlussgesetzgebung ging es also darum, die bisher kantonal geregelten Bereiche der Sozialen Arbeit, der Musik, der Kunst und der Gesundheit in das Regelwerk des Bundes zu integrieren. In diesem Sinne nahm der Bundesrat eine von beiden Kammern diskussionslos überwiesene Motion der nationalrätlichen WBK entgegen. Sie verlangt, dass eine Revision des Fachhochschulgesetzes die FHS im gesamten beruflichen Bereich regeln soll [74]. Die grosse Kammer überwies zudem ein Postulat ihrer WBK, das im Rahmen der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung an den Fachhochschulen Möglichkeiten einer Kompetenzübertragung weg von den Kantonen an den Nationalfonds oder an die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) geklärt haben möchte. Der Vorstoss fragt zudem nach dem Umfang der notwendigen finanziellen Mittel, damit Forschungsprojekte im FHS-Bereich denjenigen Projekten in nichts nachstehen, die in vom Bund betreuten Bereichen angesiedelt sind [75].
In den Kantonen schritt der Ausbau der kantonalen Fachhochschul-Studiengänge voran. Einige Studiengänge bisheriger höherer Fachschulen für Soziale Arbeit wurden in die Fachhochschulen Zentralschweiz und Ostschweiz einbezogen und ergänzten damit die bereits bestehenden Angebote. Vier ehemalige Konservatorien wurden zu Musikhochschulen (Musikhochschule und Schola Cantorum Basiliensis, Hochschule Musik und Theater der Zürcher FHS, Musikhochschule Luzern und Hochschule für Musik und Theater Bern/Biel); die Studiengänge Angewandte Linguistik wurden in die Zürcher Hochschule Winterthur und die Hochschule für Angewandte Psychologie Zürich in die Zürcher Fachhochschule integriert [76].
Der interkantonalen Fachhochschulvereinbarung waren bis zum Jahresende 22 Kantone und das Fürstentum Liechtenstein beigetreten, so dass das Regelwerk in Kraft treten konnte. Hingegen waren bis Ende des Berichtsjahres erst 14 Beitritte zur interkantonalen Fachschulvereinbarung zu verzeichnen. Die Ratifizierung und Ingangsetzung der Rahmenvereinbarung stellte mehreren Kantonen Probleme aufgrund der schwierig absehbaren finanziellen Folgen [77].
Die EDK erliess zum Zweck der Vereinheitlichung der Anerkennung kantonaler Fachhochschuldiplome „Profile“ für die nicht vom Bund geregelten Bereiche Musik, Theater, Angewandte Psychologie, Angewandte Linguistik sowie Gestaltung und Kunst. Die Profile umschrieben die Ziele und wichtigsten Strukturelemente dieser Bildungsgänge [78].
Das EVD erteilte der Westschweizer FHS (HES-SO) im Rahmen des FHS-Konkordats eine provisorische Bewilligung bis 1.1.2003. Bis zu diesem Datum muss die HES-SO die nötigen Restrukturierungsmassnahmen zur Konzentration ihrer 16 Standorte ergreifen. Ende Jahr zog das strategische Komitee der HES-SO eine erfreuliche Bilanz hinsichtlich wachsender Studierendenzahlen und blühender Aktivitäten im Bereich der angewandten Forschung [79].
Die Regierungen der Kantone Aargau und Solothurn unterzeichneten Ende Jahr eine Absichtserklärung zur Schaffung einer gemeinsamen, auf den Raum Aarau-Olten konzentrierten FHS der Bereiche Technik, Wirtschaft, Gestaltung, Gesundheit und Soziale Arbeit. In seinem Genehmigungsentscheid von 1998 hatte der Bund die Fachhochschulprojekte Aargau, Solothurn und beider Basel zu einer Fachhochschule zusammengefasst und die vier Kantone zu einer sinnvollen Form der interkantonalen Zusammenarbeit im FH-Verbund Nordwestschweiz (FHNWCH) mit gemeinsamer Trägerschaft verpflichtet. Die Kantone Aargau und Solothurn eröffneten eine Vernehmlassung zu den Grundsätzen der geplanten Kooperation, die in einem von den Kantonsparlamenten zu genehmigenden Trägerschaftsvertrag münden sollte. Hingegen blieb eine weitergehende Zusammenarbeit mit den beiden Basler Kantonen noch offen. Denn trotz gut 30 gemeinsam umgesetzten bzw. angelaufenen Projekten der FHNWCH, dank welchen die Einhaltung der Vorgaben des Bundes gesichert schien, bestanden auf politischer Ebene unterschiedliche Vorstellungen einer gemeinsamen Trägerschaft. Dabei nahmen Basel-Land und Basel-Stadt gegenüber dem offensiven Vorpreschen des Kantons Aargau eine eher bremsende Haltung ein. Mit Enttäuschung war in Basel zur Kenntnis genommen worden, dass der Bundesrat das Gesuch um Anerkennung des Hauptstudiengangs für Angewandte Informatik an der FHS beider Basel (FHBB) abgelehnt hatte. Demgegenüber stimmten die Basler Kantonsparlamente für eine Erweiterung der FHBB um den Bereich Gestaltung, womit sie erneut den Aargau mit seinen Fusionsvorschlägen abblitzen liessen. Regionale Empfindlichkeiten und das Vorantreiben je eigener Prestigeprojekte boten das ganze Jahr über Anlass zu emotional geführten Diskussionen. Die SP-Kantonalparteien aller vier Kantone setzten sich für eine Stärkung der Zusammenarbeit ein und verlangten mittels Vorstössen eine gemeinsame Pädagogische FHS [80].
 
[72] Amtl. Bull. StR, 1999, S. 352 und 995; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1751 und 2313; , 1999, S. 8702 f. (Gesetz); , 1999, S. 8859 (Kredit). Zur Sammelbotschaft (BBl, 1999, S. 297 ff.) vgl. oben, Hochschulen. 72
[73] NZZ, 15.3. und 18.9.99; Presse vom 10.11.99; Bund, 15.11.99. Vgl. SPJ 1998, S. 312 f. Siehe hierzu auch das Interview mit BR Couchepin, in welchem dieser eine Bilanz auf halbem Weg zum Aufbau der sieben FHS zieht (NZZ, 27.10.99). 73
[74] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1749; Amtl. Bull. StR, 1999, S. 828. EDK Jahresbericht 1999, März 2000, S. 12. 74
[75] Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1750 f. 75
[76] EDK Jahresbericht 1999, März 2000, S. 12. 76
[77] EDK Jahresbericht 1999, März 2000, S. 7. 77
[78] Presse vom 15.6.99. Vgl. auch die Diskussion zum Vorstoss Onken (sp, TG) betreffend die Anerkennung von Architekturdiplomen der Schweizerischen Fachhochschulen (Amtl. Bull. StR, 1999, S. 353 f., 736 ff.). 78
[79] LT, 19.4.99; Presse vom 4.12.99. Vgl. SPJ 1998, S. 313. 79
[80] NZZ, 23.3. und 26.6.99; Presse vom 19.5. und 18.12.99; BaZ, 22.5., 25.6., 17.7. und 8.12.99; Presse vom 22.7.99. Vgl. SPJ 1998, S. 312 f. Zu Beginn des Berichtsjahres hatte die Solothurner Regierung eine Vorlage für die Konzentration der eigenen Fachhochschule am Standort Olten zur Überarbeitung zurückgezogen (SZ, 27.1. und 28.1.99; NZZ, 9.12.99; Presse vom 12.5. und 12.7.99). Zur Antwort des BR auf den Vorstoss Heim (cvp, SO) zur Standortfrage im Kanton Solothurn vgl. Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1410 f. 80