Année politique Suisse 1999 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
Forschung
Im Rahmen der Sammelbotschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2000-2003 stimmte die Bundesversammlung der
Änderung des Bundesgesetzes über die Forschung (
Forschungsgesetz: FG) zu, welche die rechtlichen Voraussetzungen schaffen soll für die Umsetzung der in der Botschaft formulierten Leitideen einer Forschungspolitik des Bundes ab dem Jahr 2000: Sicherung und Stärkung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Technologiestandortes Schweiz sowie Erwerb neuer Kenntnisse für Staat und Gesellschaft mittels einer neuen Partnerschaft zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft
[81].
Ebenfalls im Rahmen der Sammelbotschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Technologie stimmte die Bundesversammlung folgenden Krediten zu:
– 1514,4 Mio Fr. für die Institutionen der Forschungsförderung in den Jahren 2000-2003
[82].
– 197,9 Mio Fr. für Forschungsstätten und Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit gemäss Artikel 6 und 16 des Forschungsgesetzes für die Jahre 2000-2003
[83].
– 67 Mio Fr. für die Finanzierung der Übergangsmassnahmen zur Beteiligung der Schweiz an den Bildungs-, Berufsbildungs- und Jugendprogrammen der EU und über die Finanzierung der Beteiligung an Aktionen der multilateralen wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Bildungsbereich in den Jahren 2000-2003
[84].
– 459 Mio Fr. für die Finanzierung der projektweisen Beteiligung der Schweiz an den Programmen der EU im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration in den Jahren 2000-2003 und über die Finanzierung der Zusammenarbeit im Bereich COST
[85].
– 320 Mio Fr. für die Finanzierung der Tätigkeit der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) im nationalen und internationalen Rahmen (EUREKA, IMS) in den Jahren 2000-2003
[86].
Zur
Verstetigung von Ausgaben für Bildung, Forschung, Wissens- und Technologietransfer überwies der Nationalrat eine Motion seiner WBK als Postulat. Der Vorstoss richtete sich gegen die verhängnisvolle Tendenz einer Stop-and-go-Politik bei den staatlich geförderten Forschungs- und Technologieaktivitäten
[87].
Durch das
bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der EU im Bereich der Forschung wurde der Schweizer Wissenschaft eine beinahe gleichberechtigte Teilnahme an den europäischen Rahmenprogrammen ermöglicht. Das noch bis 2002 laufende
5. Rahmenprogramm der EU umfasst ein Budget von rund 24 Mia Fr. Mit dem Inkrafttreten des EU-Abkommens wird die Schweiz jährlich 205 Mio Fr. in den EU-Forschungsfonds einzahlen müssen. Dafür erhält sie Zugang zu allen Forschungsergebnissen sowie Zutritt zum Programmausschuss und anderen Gremien: Die
Planung des 6. Rahmenprogramms kann sie also mitgestalten, als Nicht-EU-Mitglied jedoch am Schluss nicht darüber abstimmen. Als wichtigste Verbesserung wird es für die Schweizer Forscherinnen und Forscher dank den bilateralen Verträgen möglich, sich nicht nur an Projekten zu beteiligen, sondern diese auch zu lancieren und zu leiten. Bei den wissenschaftlichen und industriellen Organisationen, den Parteien und Wirtschaftsverbänden war das Abkommen unbestritten und wurde von der Bundesversammlung oppositionslos angenommen
[88]. Vom Parlament bewilligt wurde auch ein Kredit von 432 Mio Fr. für die Finanzierung der
Vollbeteiligung der Schweiz an den Programmen der EU im Bereich der Forschung, der technologischen Entwicklung und der Demonstration (einschliesslich EURATOM) in den Jahren 2001 und 2002
[89].
Frankreich, Deutschland und die Schweiz intensivierten ihre
trinationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Neurowissenschaften. Mit der Gründung von „
Neurex“ verfügen ab Dezember tausend Neuroforschende in fast hundert Labors über ein offizielles Netzwerk, das als Plattform die Kooperation und den Informationsaustausch zwischen den Forschungsstätten in Basel, Strassburg, Stuttgart und Freiburg i. Br. fördern soll
[90].
Der Nationalrat wollte das Ziel der
nachhaltigen Entwicklung in der Forschung ernstnehmen und überwies eine Motion Suter (fdp, BE) in Postulatsform, welche die Ergänzung oder Änderung des Forschungsgesetzes sowie aller übrigen Bundesrechtsnormen verlangte hatte, damit die wissenschaftliche Forschung auf eine nachhaltige Entwicklung – namentlich im Energiebereich zur Förderung der erneuerbaren Energien – als weiterer Schwerpunkt ausgerichtet wird
[91]. Im weiteren überwies die grosse Kammer ein Postulat Haering (sp, ZH), das die vermehrte Förderung von Forschung und Ausbildung über
gewaltfreie Konfliktbewältigung anregt
[92].
Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament eine Botschaft über das Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zum
Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere [93]. Ihm Rahmen seiner Antwort auf den 1994 von der ständerätlichen GPK verfassten Bericht „Vollzugsprobleme im Tierschutz“ stellte er zudem eine grössere
Revision des Tierschutzgesetzes in Aussicht
[94].
Die über ein Jahr andauernde Krise um Führung und Zukunft am
Centro Svizzero di Calcolo Scientifico (
CSCS) in
Manno bei Lugano schien im Herbst des Berichtsjahres überwunden werden zu können. Der ETH-Rat beschloss zuhanden der mit der Verwaltung des Zentrums beauftragten ETH Zürich Richtlinien für die künftige Entwicklung des Hochleistungsrechenzentrums. Dank der Einrichtung einer Professur für Computerwissenschaften soll die wissenschaftliche Führung gestärkt und mit einer neuen Verwaltungsstruktur die Professionalisierung des CSCS vorangetrieben sowie eine Partnerschaft mit den Benützern des Zentrums und dessen internationale Vernetzung angestrebt werden
[95].
Der Bundesrat genehmigte zwei Abkommen im Rahmen des
europäischen Fusionsforschungsprogramms. Das eine betrifft den Beitritt zum Abkommen über die Fusionsentwicklung (European Fusion Development Agreement), das andere die Verlängerung des Assoziationsvertrags mit EURATOM bis Ende 2000
[96]. Im weiteren beschloss die Regierung, in den nächsten vier Jahren 16 ausseruniversitäre Forschungsstätten von nationalem Interesse mit insgesamt 35 Mio Fr. zu unterstützen
[97].
Zur Ablösung der bestehenden Schwerpunktprogramme betraute der Bundesrat den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) mit der Durchführung von neuen „
Nationalen Forschungsschwerpunkten“ (
NFS). Ab Januar 2001 sollen rund drei Mio Fr. pro Schwerpunkt eingesetzt und damit die Spitzenforschung, die Zusammenführung von Schlüsselelementen der nationalen Wissenschafts- und Technologieförderung sowie die Entwicklung von Partnerschaften zwischen Wissenschaft und ausserakademischen Kreisen des privaten Sektors gefördert werden. Bis zum Ablauf der Eingabefrist Ende März waren etwa 230 Projektvorschläge von Forschenden beim Nationalfonds eingegangen
[98].
Zur künstlichen Fortpflanzung und zur Xenotransplantation siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik); zu gentechnisch veränderten Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln siehe oben, Teil I, 4c (Produits alimentaires).
Das im Rahmen des Abstimmungskampfes zur „Gen-Schutz-Initiative“ vom Bundesrat 1998 in einem ersten Entwurf vorgelegte
Gen-Lex-Programm steckte weiterhin in langwierigen Prozessen der verwaltungsinternen Feinabstimmung. Die bundesrätliche Botschaft – zuerst auf Herbst 1998 erwartet, dann auf Frühling 1999 verschoben – lag Ende des Berichtsjahres immer noch nicht vor, und die Regierung verschob ihren Entscheid auf das Jahr 2000. Hingegen hatte der Bundesrat im Sommer drei Verordnungen erlassen, mit welchen die Gentechnik in der Schweiz in Anlehnung an die EU-Richtlinien stärker reglementiert und kontrolliert bzw. mehr Sicherheit im Umgang mit gentechnisch veränderten und krankheitserregenden Organismen erreicht werden soll. Die Freisetzungsverordnung (FrSV) und die Erschliessungsverordnung (ESV) stehen für den Schutz von Mensch und Umwelt, die Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Gefährdung durch Mikroorganismen (SAMV) regelt die spezifischen Sicherheitsmassnahmen für Menschen, die am Arbeitsplatz in Kontakt mit gentechnisch veränderten Organismen treten. Unter den drei auf den 1. November 1999 in Kraft gesetzten Verordnungen war die Freisetzungsverordnung von besonderer Bedeutung, hatte doch das Buwal mit der Verweigerung entsprechender Bewilligungen und einer Befürwortung der Idee eines
Freisetzungsmoratoriums im Hinblick auf die Gen-Lex-Vorlage für Aufsehen und Kritik gesorgt. Ungeregelt blieb die Haftung für Schäden, die aus gentechnischen Arbeiten für Mensch und Umwelt entstehen. Das Haftungsrecht soll erst im Rahmen der Gen-Lex überarbeitet werden
[99].
Als Zweitrat überwies die grosse Kammer mit 82 zu 54 Stimmen die im Nachgang zur Abstimmung über die „Gen-Schutz-Initiative“ eingereichte Motion Leumann (fdp, LU), welche eine
Anpassung des Patentgesetzes an das EU-Recht verlangt. Die Motion der FDP-Fraktion, deren Text sich mit dem Vorstoss Leumann deckte, wurde zurückgezogen. Im Hinblick auf dessen Beratung im Nationalrat hatten sich die fünf Hilfswerke Swissaid/Fastenopfer/Brot für alle/Helvetas/Caritas gegen eine entsprechende Revision des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente ausgesprochen und vor den Tücken der EU-Richtlinie gewarnt. Mit der Einführung von Patenten auf Lebewesen seien unter anderem negative Konsequenzen für die globale Ernährungssicherheit sowie Abhängigkeiten der Bauern von Agrarkonzernen zu befürchten
[100]. Eine Motion der grünen Fraktion, die vom Bundesrat die Vorlage von Alternativen zur umstrittenen Patentierung von Lebewesen verlangt hatte, wurde vom Nationalrat mit 74 zu 61 Stimmen abgewiesen
[101].
Der Bundesrat war bereit, eine Motion Kuhn (gp, AG) in Postulatsform entgegenzunehmen, welche im Rahmen der Gen-Lex-Vorlage eine Ergänzung des Umweltschutzgesetzes mit dem
Vorsorgeprinzip und dem Grundsatz des
Nutzens für die Gesellschaft fordert. Da der Freisinnige Randegger (BS) den Vorstoss bekämpfte, wurde der Entscheid verschoben
[102].
Florianne Koechlin, Biologin und Basler Gentechnik-Kritikerin, wurde vom Bundesrat als zwölftes Mitglied in die Ethik-Kommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich gewählt. Koechlin hatte 1998 aus Protest auf einen Einsitz in die Kommission verzichtet
[103]. Angesichts des regelrechten
Booms von Ethikkommissionen in den Bereichen Bioethik, Gentechnik und Medizin wurde der Ruf nach Schaffung einer einzigen nationalen Ethikkommission laut. In einer Motion forderte Ständerat Plattner (sp, BS) die Zusammenfassung der bestehenden Ethikkommissionen des Bundes zu einem nationalen Gremium oder aber zumindest die Fusion einzelner Kommissionen mit überlappenden Kompetenzen. Die kleine Kammer überwies den Vorstoss in Postulatsform
[104].
[81]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 343 f.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1773 ff. und 2313; , 1999, S. 8704 f.;
NZZ, 24.9.99. Zur Sammelbotschaft (
BBl, 1999, S. 297 ff.) vgl. oben, Hochschulen. 81
[82]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 344 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1776 ff.;, 1999, S. 8850 f. 82
[83]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 346 f.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1781 ff.; , 1999, S. 8859. 83
[84]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 350 f.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1808 f.; , 1999, S. 8848 f. 84
[85]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 347 f.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1783 f.; , 1999, S. 8846 f. 85
[86]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 351 f.;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1749 f.; , 1999, S. 8843. Zum Beschluss der Minister der EUREKA-Mitgliedstaaten, diese Forschungsinitiative mittels vermehrter Einbindung der Industrie und intensiviertem politischen Engagement der Mitgliedländer zu stärken vgl.
Bund, 1.7.99. 86
[87]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 143 f. 87
[88]
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 645;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1579 f.; , 1999, S. 6489 ff.;
Bund, 14.4.00;
BaZ, 22.4.00;
SHZ, 5.5.99;
AZ, 9.8.99;
TA, 6.9.99;
SGT, 13.9.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 314 f. Zur Botschaft über die Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU (
BBl, 1999, S. 6128) vgl. oben, Teil I, 2 (Europe: UE). 88
[89], 1999, S. 8856;
Amtl. Bull. StR, 1999, S. 645;
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1580. 89
[90]
BaZ, 14.12.99;
NZZ, 18.12.99. 90
[91]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 472 f. 91
[92]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 2671. 92
[93], 1999, S. 4895 ff. 93
[94], 1999, S. 9484 ff. 94
[95] Presse vom 1.3.99;
TA, 27.2.99;
LT, 15.7.99;
NZZ, 29.7., 23.9., 5.11. und 8.12.99,
BaZ, 21.9.99;
SGT, 18.10.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 314. 95
[98]
TA, 13.4.99;
LT, 21.5.99. 98
[99] Presse vom 29.4. und vom 26.8.99;
SHZ, 20.10.99;
TA, 8.11.99;
AZ, 24.12.99. Zur Freisetzungs- und Erschliessungsverordnung vgl. oben, Teil I, 6d (Législation sur la protection de l’environnement). Zur Diskussion über ein zehnjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche mit Gen-Mais vgl. oben, Teil I, 4c (Produits alimentaires). Vgl.
SPJ 1998, S. 315 ff. 99
[100], 1999, S. 656 und 657 f.; Presse vom 7.4.99. Vgl.
SPJ 1998, S. 317 f. 100
[101], 1999, S. 658 ff. Vgl.
SPJ 1998, S. 316. 101
[102]
Amtl. Bull. NR, 1999, S. 1313 ff. 102
[103] Presse vom 16.3.99; vgl.
SPJ 1998, S. 318 f. 103
[104]
Amtl. Bull. StR, S. 181ff.;
NZZ, 6.2.99. Vgl. auch
TA-Magazin, Nr. 51, Dezember 1999, S. 26 ff. Für die Einrichtung einer Ethik-Professur an einer noch zu bestimmenden Fakultät stellte der Basler Anne-Frank-Fonds der Universität Basel 1,2 Mio Fr. zur Verfügung (
NZZ, 27.3.99). 104
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