Année politique Suisse 1999 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
print
SRG
Im Frühjahr lancierte die SRG ihr neues Label SRG SSR idée suisse mit einer grossen PR-Offensive. Idée suisse stand laut SRG-Generaldirektor Armin Walpen für den Service public, mit welchem die SRG die schweizerische Wirklichkeit in all ihren Facetten abbilden soll. Gewissermassen als Schweizerisches Unikat wurde idée suisse in elf Punkten umschrieben, die von der Berücksichtigung und Integration der vier Sprachregionen, über die Gewährleistung der technischen Empfangbarkeit des Angebots, zur Kulturförderung, bis hin zu unternehmerischem Denken und wirtschaftlichem Handeln reichten. Der Spagat zwischen staatlichem Auftrag und kommerzieller Vermarktung der eigenen Produkte sollte für die SRG zum prägenden Element des Berichtsjahres werden [34]. An einer Tagung der Gruppe „agir pour demain“ fragten Journalistinnen, Wissenschafter, Behördenvertreter sowie Repräsentantinnen der Telekommunikations-, PR- und Werbebranche nach der Bedeutung des Service-Public-Auftrags, der bisweilen als Reflexionsfläche für allerlei Begehrlichkeiten und Befürchtungen missbraucht zu werden drohte. Umstritten war die Position der SRG als privilegierter öffentlicher Veranstalter und die Abgrenzung zwischen den privaten und dem öffentlich-rechtlichen Anbieter; die Idee des Service public wurde aber an sich nicht in Frage gestellt [35].
Der Regionalisierungs-Druck auf die SRG setzte sich im Berichtsjahr fort. Das Schweizer Radio DRS plante zusätzliche regionale Sendungen – ein Ausbau, der vorerst ab Mai in der Innerschweiz im Rahmen einer Pilotphase getestet wurde. Damit sollte die Abwanderung der Hörerschaft zu den privaten Lokalstationen gestoppt werden [36]. Mit dem neuen Jugendsender Virus und einer Neuausrichtung von DRS 3 versuchte Schweizer Radio DRS, den Ansprüchen des jüngeren Zielpublikums besser gerecht zu werden. Der Wandel beim dritten DRS-Kanal brachte eine Kürzung des Musikrepertoires im Tagesprogramm von 4600 auf 2000 Titel mit sich, was bei Teilen des Publikums wie auch bei langjährigen DRS 3-Mitarbeitenden Empörung auslöste. Virus, dessen Musikprogramm sich gar nur noch auf 500 Titel stützte, ging Ende Jahr als „echtes Radio von Jugendlichen für Jugendliche“ über Kabel, Satellit, Internet und DAB – mangels verfügbarer Frequenzen aber nicht über UKW – auf Sendung [37].
Virus setzte den Anfang für die Einführung von Digital Audio Broadcasting (DAB) in der Schweiz. Der Bundesrat hatte der SRG die Konzession zum Aufbau eines DAB-Netzes anfangs Jahr erteilt. Bis 2001 plante die SRG eine schrittweise Versorgung mit DAB-Programmen zuerst in den Ballungszentren, dann entlang der Verkehrsachsen Nord-Süd und Ost-West. DAB versprach unter anderem eine bessere Empfangsqualität und Vereinfachungen bei der Sendersuche, benötigte aber noch teure Empfangsgeräte. Wenig erfreut über die Monopolstellung der SRG im Gerangel um die raren neuen Frequenzen zeigten sich die Privatradios, deren Gesuch für ein digitales Programm beim Bundesrat kein Gehör gefunden hatte. In seiner Antwort auf die Frage von Nationalrat Müller (fdp, ZH), in welcher auf die einseitig monopolistischen Züge der Konzessionserteilung zu Lasten der Lokal- und Privatradios hingewiesen wurde, betonte der Bundesrat, die SRG werde im Interesse der Öffentlichkeit wie auch im Interesse der privaten Veranstalter zur Erstellung eines landesweiten DAB-Netzes verpflichtet. Als nationale Veranstalterin müsse die SRG bei der Einführung dieser neuen Technologie eine Leaderfunktion übernehmen [38].
Der SRG-Zentralausschuss stimmte der Umwandlung des TV-Produktionszentrums in eine selbständige Aktiengesellschaft ab 1.1.2000 zu. Die neue TV Productioncenter Zürich AG (TPC) mit 600 Angestellten sollte vorerst im Besitz der SRG bleiben. Mittelfristig war eine Beteiligung Dritter von maximal 30% des Aktienkapitals vorgesehen, das von der SRG mit zehn Mio Fr. ausgestattet wurde. Schwere Bedenken gegen diesen Entscheid meldete das Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) an und forderte, die Zulässigkeit einer Privatisierung sei in (konzessions)rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht abzuklären [39].
Als Postulat überwies der Ständerat eine Motion Reimann (svp, AG), welche die Aufnahme der SRG in den Wirkungsbereich der Eidgenössischen Finanzkontrolle gefordert hatte, um die Finanzaufsicht über die SRG zu überprüfen und insbesondere die Verwendung der Empfangsgebühren einer öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Der Bundesrat hielt Zweifel am guten Funktionieren der Finanzaufsicht über das Unternehmen für unbegründet und verwies auf die bereits bestehende Rechenschaftspflicht der SRG gegenüber diversen Gremien [40].
Angesichts der von der SRG gewünschten Gebührenerhöhung von 9,8% und der Meinung des Preisüberwachers, 4% seien genug, entschied sich der Bundesrat für einen Kompromiss und gestand der SRG eine Gebührenerhöhung von 5,3% (60 Mio Fr.) ab dem Jahr 2000 zu. Höhere Gebühren hatte die SRG mit steigenden Programmkosten und insbesondere mit den teuren Übertragungsrechten für Sportveranstaltungen begründet [41].
Die SRG schrieb ein positives Unternehmensergebnis und konnte nach dem 98er Defizit von 23,6 Mio Fr. im Berichtsjahr ein Plus von 4,3 Mio Fr. ausweisen. Den erfreulichen Abschluss führten die SRG-Verantwortlichen auf eine Stabilisierung der Personalaufwendungen und eine markante Senkung der Programm- und Produktionsausgaben zurück. Zudem waren höhere kommerzielle Erträge zu verzeichnen: Die Werbeerlöse stiegen um 34,4 Mio Fr. und die Sponsoringerträge um 5,8 Mio Fr., womit leichte Einbussen bei den Empfangsgebühren (996,3 Mio Fr.) wettgemacht werden konnten [42].
Der SRG-Zentralratsausschuss genehmigte Ende Jahr die Plattform zu einem neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der SRG. Nach zähem Ringen hatten der Plattform auch die Branchenkonferenz des SSM sowie die PräsidentInnenkonferenz des Verbandes Schweizer Radio- und Televisionsangestellter (VSRTA) zugestimmt. In gegenseitigem Einvernehmen wurde der bestehende Vertrag vorerst um sechs Monate verlängert. Das Inkrafttreten des neuen GAV wurde auf den 1. Januar 2001 angesetzt [43].
Die SRG schloss auf Ende Jahr ihr Studio im liechtensteinischen Vaduz. Zudem stoppte Radio DRS im Rahmen seines Ostschweizer Regionaljournals die besondere Behandlung des Fürstentums. Damit reagierte die SRG auf die Einstellung der Zahlungen von 250 000 Fr., mit denen Liechtenstein die SRG-Leistungen bis 1997 jährlich abgegolten hatte [44].
Wegen der Ausstrahlung von Alkoholwerbung während der Fussball-WM 1998 büsste das BAKOM die SRG mit 5000 Fr. und der Herausgabe des Werbegewinns in der Höhe von 550 000 Fr. Im weiteren hiess die UBI eine Beschwerde gegen Radio DRS gut, in welcher die Nennung von ACS und TCS im Rahmen von Informationen über den Strassenverkehr vor der FinöV-Abstimmung beanstandet worden war. Die Erwähnung der Automobilverbände verstiess gegen das Radio- und Fernsehgesetz bzw. gegen das Verbot politischer Werbung, da sie im Vorfeld einer eidgenössischen Abstimmung erfolgt war, zu welcher die Verbände klar Stellung bezogen hatten [45].
 
[34] Presse vom 13.2. und 27.3.99; SoZ, 28.3.99. Vgl. auch die Debatte betreffend idée suisse, Service public und Positionierung der SRG in der künftigen Medienlandschaft Schweiz (Link, Nr. 5, Mai 1999, S. 10 f.; Ww, 22.4.99, NZZ, 7.5., 27.8. und 5.11.99). Zu den Anfängen des Projekts idée suisse siehe auch SPJ 1997, S. 339 und 1998, S. 338.34
[35] BaZ, 13.11.99; TA, 15.11.99; Bund, 18.11.99.35
[36] Presse vom 12.5.99. Betreffend Akzentuierung der regionalen Information in den SRG-Programmen vgl. SPJ 1998, S. 339.36
[37] LT, 17.9.99; BaZ, 21.10.99; NZZ, 23.10. und 19.11.99; Bund, 26.11.99.37
[38] BBl, 1999, S. 2784 f.; Amtl. Bull. NR, 1999, S. 165; Presse vom 18.2.99; NLZ, 27.2.99; Bund, 16.10.99; NZZ, 22.10.99; vgl. SPJ 1998, S. 342.38
[39] NZZ, 26.8.99; Presse vom 15.9.99.39
[40] Amtl. Bull. SR, 1999, S. 557 ff.; AZ, 20.3.99; Bund, 27.5. und 17.6.99.40
[41] Presse vom 26.2. und 29.4.99; NZZ, 19.3., 7.4. und 9.4.99; 24 h, 1.4.99; vgl. SPJ 1998, S. 340. Vgl. auch die Antworten des BR auf die Anfrage von NR Alexander Baumann (svp, TG) sowie die Interpellation von NR Christen (fdp, VD) betreffend die Notwendigkeit einer Gebührenerhöhung bzw. die Berücksichtigung der regionalen Veranstalter in diesem Zusammenhang (Amtl. Bull. NR, 1999, S. 576 und S. 2247 f.).41
[42] Presse vom 22.3.00.42
[43] Bund, 18.9.99; Medienmitteilung der Unternehmenskommunikation SRG SSR vom 14.12.99.43
[44] SGT, 24.11.99; NZZ, 25.11.99.44
[45] Presse vom 5.5. (FinöV) und 20.11.99 (Alkohol).45