Année politique Suisse 2000 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
Im August hatten die Delegierten über Statutenänderungen zu befinden: Zur Debatte stand eine neue Führungsstruktur. Das Präsidium wurde von zehn auf sieben Mitglieder reduziert, zusammengesetzt aus je mindestens drei Männer und drei Frauen. Gleichzeitig einigte man sich auf eine angemessene Vertretung aller vier Landesteile. Ebenso wurde der Parteivorstand von 100 auf 70 Mitglieder reduziert. Einmal jährlich soll ein Parteitag im Stile eines „Politik-Happenings“ stattfinden [35].
CVP-Frauen-Präsidentin Brigitte Hauser-Süess gab Anfangs Februar ihre Demission bekannt. Auch ihr Amt als Grossrätin im Kanton Wallis stellte sie zur Verfügung, nachdem sie als Pressesprecherin ins BFF nach Bern berufen worden war [36].
In seiner Ansprache zum Nationalfeiertag vertrat Durrer die These vom Ende der Konkordanz. In kaum einem anderen Land würden Parteien mit mittlerweile derart unterschiedlichen Grundüberzeugungen (insbesondere in der Steuer-, Sicherheits- und Integrationspolitik) eine Regierung bilden. An die Stelle des offenen Dialogs sei ein aggressiver Politstil getreten. Durrer propagierte eine von Legislatur zu Legislatur neu zu bestimmende Regierungszusammensetzung, die aufgrund eines Basiskonsensus in zentralen Fragen gebildet werden müsste. Bei der Ersatzwahl für den SVP-Bundesrat Ogi vom Dezember zeigte allerdings die CVP-Fraktion kein Interesse an den Plänen der SP, die SVP aus der Regierung zu werfen [37].
Die CVP-Delegierten sprachen sich Ende März einstimmig für die bilateralen Verträge mit der EU aus. Bei der Parolenfassung für die Volksabstimmungen vom September verhielt sich die CVP als einzige Bundesratspartei regierungstreu und befürwortete sowohl die Energielenkungsabgabe als auch die Förderabgabe [38].
Als der Ständerat im September die Fristenregelung ohne Beratungspflicht dem CVP-Vorschlag vorzogen hatte, drohte CVP-Präsident Durrer mit einem Referendum. Der Ständerat hatte die Straflosigkeit von 14 auf 12 Wochen reduziert und schwangere Frauen zu einer schriftlichen Erklärung ihre Notlage verpflichtet. Gegen ein Referendum setzten sich allerdings die CVP-Frauen zur Wehr. Nationalrätin Dormann (LU) erklärte, man wolle bei einer Abstimmung lieber auf der Seite der ständerätlichen Variante stehen, als im Lager der Abtreibungsgegner [39].
Bei den kantonalen Parlamentswahlen konnte die CVP ihren bereits länger andauernden Erosionsprozess nicht stoppen. Besonders schmerzhaft war die Einbusse von acht Mandaten und der absoluten Mehrheit in Uri, einer Stammlande der Partei. Verlusten von einem oder zwei Sitzen in St. Gallen, Graubünden, Schaffhausen und Schwyz standen ebensolche Zugewinne in Basel und im Thurgau gegenüber. Bei den Regierungsratswahlen in St. Gallen hatte die Partei dagegen ein Mandat von der SP und im Aargau und in Basel-Stadt eines von der FDP geerbt.
 
[35] Presse vom 21.8.00. 35
[36] NZZ, 2.2.00. 36
[37] BaZ, 3.8.00. Vgl. auch Lit. Durrer. 37
[38] Presse vom 27.3. (EU) und 21.8.00 (Energie). 38
[39] SGT, 23.9.00. Zur Position der CVP in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs vgl. SGT, 14.6.00 und TA, 15.6.00. 39