Année politique Suisse 2000 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Wettbewerb
Im Herbst gab der Bundesrat den Vorentwurf für eine Teilrevision des Kartellgesetzes in die Vernehmlassung. Dabei hielt er fest, dass sich die 1996 vorgenommen Änderungen bewährt hätten. Störendes Manko sei jedoch, dass unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen nicht wie in der EU oder den USA direkt sanktioniert werden können (je nach erzielten Monopolgewinnen mit Bussen in Millionenhöhe), sondern erst dann, wenn einer entsprechenden Anordnung der Wettbewerbskommission (Weko) keine Folge geleistet wird. Damit können die Wettbewerbsbehörden nicht präventiv wirken. Diese Lücke solle mit der vorgeschlagenen Revision geschlossen werden. Im weiteren beantragte die Regierung, die Weko zu einem kleineren und ausschliesslich aus unabhängigen Experten gebildeten Gremium umzubauen. Die Reaktionen waren überwiegend negativ. Sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerorganisationen protestierten gegen den geplanten Hinauswurf aus der zu verkleinernden Weko. Die direkten Sanktionen wurden insbesondere vom Gewerbeverband und von der SVP abgelehnt. Aber auch der Gewerkschaftsbund sprach sich aus der Befürchtung, dass damit die Weko überfordert wäre, dagegen aus [24]. Das Anliegen einer verschärften Sanktionierung von Wettbewerbsbeschränkungen bildete auch den Inhalt einer vom Nationalrat diskussionslos überwiesenen Motion Jans (sp, ZG); der Ständerat stimmte ihr ebenfalls zu. Bereits zu Jahresbeginn hatte sich die Weko für die im Vernehmlassungsentwurf enthaltenen Neuerungen stark gemacht [25].
Einerseits aus prinzipiellen Überlegungen, andererseits weil er eine Doppelspurigkeit mit den Revisionsbestrebungen des Bundesrats vermeiden wollte, gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Amman (ldu, AG) für ein Kartellverbot keine Folge [26].
Das Bundesgericht hatte Ende 1999 ein für die Wettbewerbspolitik wichtiges Urteil in bezug auf Parallelimporte gefällt (Fall Kodak). Es verbot derartige Parallelimporte für Produkte mit noch laufendem Patentschutz. Falls dieses Verbot zu Monopolpreisen führen sollte, müsste die Weko intervenieren. Bei der Beratung des neuen Heilmittelgesetzes beschloss der Nationalrat gegen den Widerstand des Bundesrates, der SVP und der FDP die Zulassung von Parallelimporten, falls diese Medikamente im Herkunftsland nicht stark subventioniert werden. Nachdem die kleine Kammer diese Liberalisierung abgelehnt hatte, krebste der Nationalrat zurück; Parallelimporte sind demnach auch im Heilmittelbereich lediglich für nicht patentgeschützte Produkte zulässig. Die WAK des Nationalrats reichte im Sommer eine Motion ein, welche via Revision des Kartellgesetzes die Weko ermächtigen will, gegen die Verhinderung von Parallelimporte einzuschreiten, sofern das Importgut aus einem Land mit ähnlichen Zulassungsbedingungen stammt [27].
Im Juni legte der Bundesrat seine Botschaft für ein neues Bundesgesetz über das Reisendengewerbe vor. Damit sollen die bisherigen kantonalen Regelungen vereinheitlicht und für die Ausübenden dieses Gewerbes (Marktfahrende, Schausteller und Zirkusse, Hausierer etc.) in der ganzen Schweiz Freizügigkeit eingeführt werden. Bisher hatten die kantonal unterschiedlichen Vorschriften über Berufsausübung und die teilweise hohen Zulassungsgebühren wettbewerbshemmend gewirkt. Für Reisende, welche ihre Dienste an der Haustüre anbieten, möchte der Bundesrat aus Konsumentenschutzgründen weiterhin eine Bewilligung vorschreiben. Die Ständeratskommission hätte diese Bewilligungspflicht zwar gerne gestrichen, verzichtete aber auf einen entsprechenden Antrag, da sonst in der Schweiz niedergelassene Reisende bei ihrer Tätigkeit im Ausland, das eine solche Bewilligung in der Regel vorschreibt, benachteiligt worden wären. Der Ständerat verabschiedete das Gesetz in der Wintersession ohne Gegenstimme [28].
Nach einer Evaluation der Auswirkungen des 1994 vom Parlament verabschiedeten Binnenmarktgesetzes kam die GPK-NR zum Schluss, dass von diesem Rahmengesetz nur wenig Impulse ausgegangen seien und die Kantone bisher wenig Eifer bei der Schaffung und Durchsetzung eines vollständigen Binnenmarktes gezeigt hätten. Ihrer Ansicht nach könnte der Vollzug verbessert werden, wenn den Konsumentenorganisationen ein autonomes Beschwerderecht bei Widerhandlungen gegen das Binnenmarktgesetz eingeräumt würde. Der Nationalrat überwies ein entsprechendes Postulat seiner GPK diskussionslos [29].
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Konsumentenschutz
Als Zweitrat behandelte die kleine Kammer in der Herbstsession die Revision des Konsumkreditgesetzes. Um den Wesensunterschieden zwischen Kredit- und Leasingverträgen gerecht zu werden, fasste der Ständerat letztere in eigene spezifische Rechtsbestimmungen. Materiell schuf er einige wesentliche Differenzen zum Nationalrat. Er verzichtete auf die obligatorische solidarische Haftung von Ehepaaren – und damit auch auf die Vorschrift, dass beide Partner einen Kreditvertrag unterzeichnen müssen. Er strich ferner das siebentägige Widerrufsrecht für Käufe, die mit Kunden- oder Kreditkarten mit Kreditoptionen beglichen werden. Mit relativ knappem Mehr strich er auch die vom Nationalrat aufgenommene Höchstgrenze für den Kreditzins (15%) wieder und gab die Kompetenz zur Fixierung einer Obergrenze, wie ursprünglich vom Bundesrat vorgeschlagen, wieder an diesen zurück. Gegen den Widerstand der SP-Vertreter bekräftigte er hingegen den Beschluss des Nationalrats, dass restriktivere kantonale Vorschriften nicht mehr zulässig sein sollen. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Ständerat die Revision mit 24 zu 5 (linken) Stimmen. In der Differenzbereinigung hielt der Nationalrat an der von der SP und der CVP verlangten schriftlichen Zustimmung beider Ehepartner zu einem Kreditvertrag fest. Allein und entsprechend erfolglos blieb die SP hingegen mit ihrem Begehren, eine Solidarhaftung von Paaren zu verbieten. Beim zulässigen Höchstzinssatz beharrte der Nationalrat äusserst knapp (84:83) auf der von der Linken vorgeschlagenen Festlegung durch das Parlament. Allerdings wurde auf eine fixe Grenze verzichtet und ein Satz von maximal 10% über dem durchschnittlichen Zins für Spareinlagen ins Gesetz aufgenommen [30].
Der Nationalrat überwies eine 1998 noch bekämpfte Motion Vollmer (sp, BE) für eine Anpassung der schweizerischen Konsumentenschutzgesetzgebung an das höhere EU-Niveau diskussionslos als Postulat [31].
Eine vom Nationalrat in Postulatsform überwiesene Motion Durrer (cvp, OW) für ein Konzept der rechtlichen Regulierung des Handels im Internet (E-Commerce) sowie eine Interpellation Ehrler (cvp, AG) zu diesem Thema gaben dem Bundesrat Gelegenheit, über seine mit der 1996 erfolgten Einsetzung einer Arbeitsgruppe aufgenommene Vorarbeit zu informieren. Seiner Meinung nach sollen sich die zu ergreifenden Massnahmen an den Prinzipien des Vorrangs der Selbstregulierung der Wirtschaft und der Kompatibilität mit internationalen, insbesondere europäischen Entwicklungen orientieren. Mit der Verabschiedung einer Verordnung über die elektronische Zertifizierung machte der Bundesrat einen ersten Schritt zur rechtlichen Absicherung und damit auch der Förderung des elektronischen Geschäftsverkehrs [32]. Der Bundesrat erklärte sich ferner mit der Annahme einer vom Nationalrat überwiesenen Motion Sommaruga (sp, BE) bereit, gesetzliche Massnahmen gegen unerwünschte Massenwerbeversendungen via E-Mail (sog. Spamming) vorzuschlagen [33].
 
[24] Presse vom 19.9.00; NZZ, 23.12. (SGV) und 30.12.00 (weitere Reaktionen). Vgl. auch NZZ, 2.12.00.24
[25] AB NR, 2000, S. 449; AB SR, 2000, S. 637 f. Weko: Presse vom 9.2.00.25
[26] AB NR, 2000, S. 433.26
[27] Urteil: NZZ, 26.2.00; vgl. auch die Stellung des BR dazu in AB NR, 2000, I, Beilagen, S. 440 f. Motion WAK: Geschäft Nr. 00.3412; NZZ, 4.7.00. Zum Heilmittelgesetz siehe unten, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik). Vgl. auch Franz Jaeger in NZZ, 4.3.00.27
[28] BBl, 2000, S. 4186 ff.; AB SR, 2000, S. 934 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 102 f.28
[29] BBl, 2000, S. 6027 ff. (vgl. auch Lit. Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle); AB NR, 2000, S. 1603 (Postulat); Bund und NZZ, 1.7.00. Vgl SPJ 1999, S. 101 f. Zum Freizügigkeitsgesetz für Anwälte siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).29
[30] AB SR, 2000, S. 564 ff.; AB NR, 2000, S. 1441 ff. und 1559 ff. Vgl. SPJ 1999, S. 128 f.30
[31] AB NR, 2000, S. 150. Vgl. SPJ 1998, S. 116.31
[32] AB NR, 2000, S. 842 und 850 (Beilagen II, S. 337 ff. und 567 ff. und allgemeiner S. 630 ff.). Zur Problematik der Besteuerung siehe AB NR, 2000, S. 1143 f. (als Postulat überwiesene Motion Spielmann, pda, GE). Zur rechtlichen Anerkennung der digitalen Unterschrift siehe oben, Teil I, 1b (Zivilrecht).Vgl. SPJ 1999, S. 129.32
[33] AB NR, 2000, S. 1196.33