Année politique Suisse 2000 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Indirekte Steuern
1998 wurde die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs durch einen zweckgebundenen Mehrwertsteuerzuschlag (FinöV-Volksinitiative) vom Volk gutgeheissen. Mit Annahme der neuen Bundesverfassung erhielt der Bundesrat ausserdem die Kompetenz, die MWSt zugunsten des Alptransit anzuheben. Im vergangenen Dezember hatte er entschieden, die neuen Mehrwertsteuersätze auf Anfang Jahr einzuführen. Dagegen opponierte Lustenberger (cvp, LU). Bei kleinen Unternehmen führe diese schrittweise Anpassung der MWSt zu grossen Mehrkosten. Mit einer Motion verlangte er, dass die Abrechnung des MWSt deshalb nicht vierteljährlich sondern wahlweise nur jährlich erfolgen soll. Um Steuerausfällen vorzubeugen, schlug der Motionär die Einführung von Akontozahlungen auf Basis der Vorjahressteuern vor. Der Rat überwies die Motion mit 100 zu 62 Stimmen 39 BaZ, 14.6.00; AB NR, 2000, S. 1523 f. Ähnliche Anliegen vertraten auch eine EA Triponez (fdp, BE) und eine Ip. Spoerry (fdp, ZH). Sie befürchteten bei einer schrittweisen Einführung der neuen Mehrwertsteuerprozente ungerechtfertigt hohe Anpassungskosten für die Wirtschaft, insbesondere im tiefpreisigen Detailhandel (AB SR, 2000, S. 468 ff.; AB NR, 2000, II, Beilagen, S. 491 ff.).39.
Beide Räte gaben einer Standesinitiative des Kantons Zürich, die den öffentlichen Verkehr unter einen reduzierten Steuersatz stellen und ihm den vollen Vorsteuerabzug gewähren wollte, keine Folge. Die vorberatende Kommission des Ständerates wollte im Bereich des Service public keine Sonderregeln einführen und verwies auf die Beratung zum neuen MWStG, in welcher dasselbe Anliegen bereits abgelehnt worden war. Bahngewerkschafter Leuenberger (sp, SO) unterstützte dagegen die Initiative. Die Förderung des öffentlichen Verkehrs entspreche einem hohen verkehrspolitischen Ziel und die Besteuerung von Subventionen sei überhaupt ein Unsinn. Mit dem Hinweis auf die EU, deren Staaten alle einen Sondersatz für den ÖV kennen, unterstützte auch Spoerry (fdp, ZH) das Begehren. Der Rat lehnte die Standesinitiative aber mit 19 zu 14 Stimmen ab. Im Nationalrat stellte sich die Kommissionsmehrheit dem Anliegen ebenfalls entgegen. Kaufmann (svp, ZH) und Favre (fdp, VD) störten sich an der Wettbewerbsverzerrung gegenüber dem privaten Verkehr. Eine Förderung auf dem Subventionsweg sei eher zu begrüssen. Mit 84 zu 72 Stimmen wurde der Standesinitiative keine Folge gegeben 40 AB SR, 2000, S. 461 ff.; AB NR, 2000, S. 1085 ff.40.
Der Nationalrat leistete hingegen einer Parlamentarischen Initiative Triponez (fdp, BE) zur MWSt-Befreiung von Dienstleistungen der AHV- und Familienausgleichskassen diskussionslos Folge. Die Initiative richtete sich gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung, die dazu übergegangen war, in den übertragenen Aufgaben ein Mandatsverhältnis zu sehen und MWSt für nicht hoheitliche Aufgaben rückwirkend bis zur Verjährungsgrenze einzuführen 41 BBl, 2001, S. 1472 ff. und 1479 ff. (BR); AB NR, 2000, S. 1085.41.
Als Postulat überwiesen wurde eine Motion Kunz (svp, LU) mit dem Ziel, diejenigen Landwirtschaftsbetriebe, welche nicht MWSt-pflichtig sind, bei produktionsgebundenen Investitionen von der MWSt zu befreien 42 AB NR, 2000, S. 1522 f.42.
Der Genfer Spielmann (pda) störte sich daran, dass über das Internet durchgeführte Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer kaum erfasst werden können. Er verlangte vom Bundesrat, den elektronischen Geschäftsverkehr steuerlich stärker zu belasten. Der Bundesrat entgegnete, er wolle dem virtuellen Handel gegenwärtig keine neuen Steuern auferlegen, behalte sich dieses Recht allerdings längerfristig zur Sicherstellung der Staatseinnahmen vor. Ausserdem würden durch ein vorschnelles Eingreifen jahrelange internationale Harmonisierungsbemühungen in Steuerfragen zunichte gemacht. Die Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft werde aber die Verwaltung in dieser Frage beraten. Der Rat überwies die Motion als Postulat 43 AB NR, 2000, S. 1143 f.43.
Der Schweizerische Kaufmännische Verband SKV und der Schweizerische Gewerbeverband wehrten sich im Berichtsjahr gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung, die die Durchführung von Berufsprüfungen neuerdings als Dienstleistung besteuert. Laut Tschäppät (sp, BE), Präsident des SKV, will der SKV eine entsprechende Steuerrechnung über 1,5 Mio Fr. bis vor das Bundesgericht bekämpfen. Eine Besteuerung des Bildungsbereichs sei im Gesetz nicht vorgesehen 44 Presse vom 14.10.00.44.
Die Initiative gegen eine unfaire Mehrwertsteuer im Sport und Sozialbereich, die im Jahre 1996 lanciert worden war, wurde vom Initiativkomitee während des Berichtsjahres zurückgezogen, nachdem ihre Forderungen mit dem neuen MWStG im Vorjahr zum Teil erfüllt worden waren 45 BBl, 2000, S. 1591. Siehe SPJ 1997, S. 151 und 1999, S. 158.45.
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