Année politique Suisse 2000 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Raumplanung
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Grundzüge der Raumordnung Schweiz
Erneut befassten sich die Räte mit dem Problem der Innenstadtförderung. Von der Stadtplanung erwünschte Konzentrationen von Bauten wie Industrie- und Gewerbegebäude werden durch Umweltschutznormen oft verunmöglicht. Die Vertreter der Wirtschaft im Parlament sind deshalb an einer Sonderregelung der Grenzwerte für Städte und Ballungszentren interessiert, insbesondere an einer Herabsetzung der Lärmschutz- und Luftreinhaltebestimmungen. Der Ständerat hatte im Vorjahr eine Motion Büttiker (fdp, SO) mit diesem Anliegen an den Nationalrat überwiesen. Die Mehrheit der UREK des Nationalrats empfahl nun diesen Vorstoss zur Ablehnung. Die Grüne Teuscher (BE) erklärte, dass die Kommissionsmehrheit eine Anpassung der Grenzwerte verhindern wolle. Hegetschweiler (fdp, ZH) entgegnete im Namen einer Kommissionsminderheit, gerade in gut erschlossenen Räumen könne eine Ansiedelung verkehrsintensiver Nutzungen durchaus sinnvoll sein. Bundesrat Leuenberger gab zu bedenken, dass es sich hierbei nach Auffassung des Bundesrates um ein Problem des Vollzugs handle und dass deshalb keine gesetzlichen Anpassungen notwendig seien. Mit der Eingliederung des Bundesamtes für Raumplanung [2] ins UVEK, welchem auch das Buwal angegliedert ist, sei eine bessere Koordination gewährleistet. Gegen Bundesrat und Kommissionsmehrheit beschloss der Rat mit 78 zu 66 Stimmen die Überweisung der Motion. Grundsätzlich anerkannte die Kommission aber das Problem der teilweisen Widersprüchlichkeit zwischen Raumplanungs- und Umweltschutzrecht. Sie reichte daher eine eigene Motion zur umweltgerechten Innenstadtförderung ein. Wegen der durch Bau- und Umweltauflagen auferlegten Einschränkungen seien viele Industriebetriebe an nicht geeignete Standorte wie den Grüngürtel ausgewichen. Diese Entwicklung müsse in Zukunft unterbunden werden. Die Motion war in beiden Räten erfolgreich [3].
Nachdem der Ständerat in der vergangenen Wintersession ein Postulat Hofmann (svp, ZH) angenommen hatte, welches den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zu den raumordnungspolitischen Auswirkungen der bilateralen Verträge mit der EU auf die Grenzkantone vorzulegen, hat nun auch der Nationalrat ein gleichlautendes Postulat Ratti (cvp, TI) gutgeheissen. Der Bericht wird bis Mitte 2002 erwartet [4].
Nationalrätin Nabholz (fdp, ZH) verlangte in einer Motion die Schaffung eines raumplanerischen Vollzugsförderprogramms zur Einschränkung des hohen Bodenverbrauchs. Die aktuelle Siedlungsausdehnung von 3150 ha jährlich widerspreche den Planungsgrundsätzen des neuen Raumplanungsgesetzes [5]. Zur Förderung der ortsübergreifenden Standortplanung seien zusätzliche Anstrengungen und eine neue Strategie erforderlich. Nach dem Vorbild der deutschen Bauleitplanung schlug Nabholz gestaffelt freigegebene, vom Siedlungskern radialförmig ausgehende Bauzonen vor. Mit dem Einverständnis des Bundesrats wurde die Motion überwiesen [6].
Der Zürcher SVP-Nationalrat Fehr hatte im vergangenen Jahr eine parlamentarische Initiative zur Aufhebung des Verbandsbeschwerderechts im Bau- und Planungsbereich eingereicht. Nach Fehrs Auffassung ist das Verbandsbeschwerderecht veraltet und erweist sich immer mehr als Hemmschuh für Wirtschaft und Gewerbe. Mit den geltenden Bestimmungen könnten Umweltschutzorganisationen öffentliche und private Bauvorhaben mit Beschwerden bis vor das Bundesgericht blockieren, wodurch dem Wirtschaftsstandort Schweiz grosser Schaden erwachse. Als Beispiele nannte der Initiant Grossprojekte wie den Flughafen Zürich-Kloten oder die Westumfahrung der Stadt Zürich. Mit einer Kommissionsminderheit unterstützte Nationalrat Bosshard (ZH) den Vorstoss. Der Aargauer SVP-Nationalrat Siegrist und die Waadtländerin Ménétrey-Savary (gp) beantragten hingegen im Namen der Kommissionsmehrheit, der Initiative keine Folge zu geben. Es könne nicht von einem Willkür- oder Erpressungsinstrument gesprochen werden. Das Verbandsbeschwerderecht ermögliche vielmehr eine ausgewogene Vertretung unterschiedlicher Interessen. Verzögerungen entstünden zudem vor allem durch die überlasteten Behörden und nicht durch das Verbandsbeschwerderecht. Mit 102 zu 69 Stimmen lehnte der Rat die Initiative ab [7].
Im Oktober unterbreitete der Bundesrat dem Parlament seinen dritten Bericht über die Massnahmen des Bundes zur Raumordnungspolitik. Er zog darin Bilanz über die bisherigen Massnahmen und setzte für das Realisierungsprogramm 2000-2003 neue Prioritäten. In erster Linie will er seine Raumordnungspolitik kohärenter auf das Konzept der Nachhaltigkeit ausrichten. Folgende fünf Aktionsfelder mit insgesamt 31 Massnahmen wurden definiert: Mehr Kohärenz im raumwirksamen Handeln des Bundes, Nachhaltige Entwicklung der Volkswirtschaft, Festigung des Städtesystems Schweiz, Förderung des ländlichen Raumes und Einbindung in die europäische Raumordnung [8].
 
[2] Neue Bezeichnung: Bundesamt für Raumentwicklung.2
[3] Mo. Büttiker: AB NR, 2000, S. 448; AB SR, 2000, S. 716 f.; SPJ 1999, S. 208. Mo. UVEK-NR: AB NR, 2000, S. 797 f; TA, 27.10.00; NZZ, 31.10.00.3
[4] AB NR, 2000, S. 451. Vgl. SPJ 1999, S. 209.4
[5] Nach Berechnung des BRP hat die Siedlungsfläche in der Schweiz zwischen 1979 und 1997 einen Quadratmeter pro Sekunde zugenommen (NZZ, 1.2.00).5
[6] AB NR, 2000, S. 1601.6
[7] AB NR, 2000, S. 825 ff.7
[8] BBl, 2000, S. 5292 ff.8