Année politique Suisse 2000 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
 
Arbeitswelt
Wie eine neue deutsche Studie zu den Arbeitskosten in der Industrie im internationalen Vergleich zeigte, ist der Arbeitsplatz Schweiz teuer, aber effizient. Eine Stunde Arbeit (inklusive alle Nebenlohnelemente) kostet den Arbeitgeber in der Schweiz durchschnittlich 36.20 Fr. Nur in Dänemark (36.40 Fr.), Norwegen (37.90 Fr.) und Westdeutschland (40.30 Fr.) ist die Arbeitsstunde noch teurer. Die Belastung mit Lohnnebenkosten (53% des Durchschnittsstundenlohnes) liegt hingegen unter dem internationalen Durchschnitt. In Italien beispielsweise betragen diese Zusatzkosten 100%, und auch in Westdeutschland und Japan bewegen sie sich deutlich über Schweizer Niveau. Den hohen Arbeitskosten in der Schweizer Industrie steht eine starke Produktivität gegenüber. Hinter Norwegen, aber noch vor den USA, Japan und Dänemark, liegt die Schweiz hier auf Rang zwei. 146 400 Fr. erarbeitete ein Schweizer Industriearbeiter 1999 – gegenüber 141 900 Fr. in den USA, 141 500 Fr. in Japan, 127 500 Fr. in Dänemark und 113 000 Fr. in Deutschland [2].
Stress am Arbeitsplatz kommt die Schweiz teuer zu stehen. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich laut einer Studie des Seco auf jährlich rund 4,2 Mia Fr. (1,2% des BIP). Sie setzen sich zusammen aus 1,4 Mia Fr. für medizinische Versorgung, 348 Mio Fr. für Selbstmedikation und 2,4 Mia Fr. für Fehlzeiten und Produktionsausfälle. Der Vergleich mit Studien von 1984 und 1991 ergab, dass die Anzahl der Personen mit stressbedingten Symptomen seither zugenommen hat; 83% der Befragten gaben an, sich am Arbeitsplatz und im Privatleben gestresst zu fühlen (Frauen mehr als Männer), doch waren 70% der Ansicht, damit ohne gesundheitliche Beeinträchtigung umgehen zu können [3].
Im Rahmen der Legislaturplanung reichte die Kommission des Nationalrates eine Richtlinienmotion ein, die dem Bundesrat den Auftrag erteilen wollte, dem Parlament Massnahmen zu unterbreiten, die durch das Aufkommen der „neuen Wirtschaft“, insbesondere durch die rapide Zunahme der Telearbeit, für den Schutz der Arbeitnehmenden nötig sind. Angesichts der beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen sah sich der Bundesrat zwar ausserstande, dem relativ weit gefassten Anliegen der Motion erste Priorität einzuräumen, versprach aber, die Entwicklung weiter aufmerksam zu beobachten. Um sich den erforderlichen Handlungsspielraum zu erhalten, beantragte er erfolgreich Umwandlung in ein Postulat. Eine weitere Richtlinienmotion, welcher der Bundesrat seine Zustimmung gab, beauftragte ihn, die Ahndung der Schwarzarbeit auzubauen. Diese Motion wurde vom Ständerat ebenfalls angenommen [4].
Letzterem Begehren, das schon mehrmals vom Parlament sowie von den Sozialpartnern an ihn heran getragen worden war, kam der Bundesrat Ende August entgegen, indem er ein Massnahmenpaket zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in die Vernehmlassung gab. Neben administrativen Erleichterungen für Dienstleistungen im Haushalt und deutlich schärferen Sanktionen für Arbeitgeber, die Schwarzarbeiter beschäftigen (Gefängnisstrafen und Bussen bis 1 Mio Fr.), sieht das Projekt einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Behörden, eine neue, strafrechtlich fassbarere Definition der Scheinselbständigkeit sowie eine Verstärkung der Kontrollkompetenzen der paritätischen resp. der tripartiten Kommissionen vor. Während sich die Gewerkschaften auf der einen Seite, der SGV und der Baumeisterverband (als Vertreter jener Branchen, in denen die meiste Schwarzarbeit geleistet wird) auf der anderen Seite hinter die Vorschläge des Bundesrates stellten, legte sich der Arbeitgeberverband quer. Er wollte nur Kontrollen durch die Kantone und die paritätischen Kommissionen zulassen [5].
Im Rahmen der Legislaturplanung 1999-2003 wollte die vorberatende Kommission des Nationalrates den Bundesrat mit einer Richtlinienmotion beauftragen, dem Parlament einen umfassenden Bericht über das in der Schweiz in den unterschiedlichsten Bereichen erbrachte freiwillige und ehrenamtliche Engagement zu unterbreiten. Der Bundesrat anerkannte die Bedeutung der Freiwilligenarbeit und verwies auf bereits publizierte Studien des BFS sowie auf die erwarteten Ergebnisse der Volkszählung 2000, in der erstmals eine Frage nach dem Umfang der Hausarbeit und den ehrenamtlichen Tätigkeiten gestellt wurde. Auf seinen Antrag wurde die Motion lediglich als Postulat angenommen [6]. Ebenfalls nur als Postulat überwiesen wurde eine Motion Goll (sp, ZH), die vom Bundesrat verlangte, dem BFS die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine Zeitbudgeterhebung zur Evaluation des Zeitaufwandes für unbezahlte Arbeit durchzuführen [7].
 
[2] BZ, 11.10.00.2
[3] Presse vom 13.9.00.3
[4] AB NR, 2000, S. 753 ff.; AB SR, 2000, S. 653. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Eymann (lp, BS) in AB NR, 2000, S. 693.4
[5] Gemäss Schätzungen werden zurzeit in der Schweiz rund 35 Mia Fr. (ca. 9% des BIP) schwarz verdient (SHZ, 12.7.00; TA, 19.7.00; Presse vom 31.8.00). Für erste Erfolge bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Romandie siehe NZZ, 9.2.00. Eine Übersicht über das Ausmasses der Schwarzarbeit in 21 OECD-Ländern zeigte, dass die Schweiz im internationalen Vergleich relativ wenig von Schattenwirtschaft betroffen ist (NZZ, 25.11.00). Zu den paritätischen resp. tripartiten Kommissionen vgl. SPJ 1999, S. 238 ff.5
[6] AB NR, 2000, S. 803 ff. Siehe SPJ 1999, S. 231. Das Jahr 2001 wurde von der UNO zum Internationalen Jahr der Freiwilligenarbeit erklärt: CHSS, 2000, S. 174 f.; SHZ, 22.11.00; Presse vom 6.12.00. Gemäss Arbeitskräfteerhebung 2000 des BFS sind 41% der in der Schweiz lebenden Personen ehrenamtlich tätig, Männer mehrheitlich in Vereinen, Frauen eher im sozialen Bereich.6
[7] AB NR, 2000, S. 448.7