Année politique Suisse 2000 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit / Kollektive Arbeitsbeziehungen
print
Gesamtarbeitsverträge
Die Begleitmassnahmen zum bilateralen Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr sehen im Fall von missbräuchlicher Unterschreitung der ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen dreigliedrige Kommissionen (Sozialpartner plus Behörden) zu deren Feststellung vor. Da damit eine gesetzliche Grundlage für derartige Gespräche geschaffen wurde, stimmte auch der Nationalrat der Ratifizierung des Abkommens Nr. 144 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu, welches tripartite Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen festschreibt [31].
Das Bundesgericht fällte ein Grundsatzurteil, welches seine seit 1938 praktizierte Jurisdiktion im Bereich der Gültigkeit von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) umstiess. Demnach kann ein Arbeitgeber, der einem GAV beigetreten ist, diesen nicht individuell kündigen, wenn ihm die darin enthaltenen Vorschriften nicht mehr passen. Das Bundesgericht befand, ein befristeter GAV bleibe bis zu seinem Auslaufen für alle Beteiligten verbindlich. Aus einem unbeschränkt gültigen GAV könne der Arbeitgeber gemäss OR zwar austreten, aber erst nach mindestens einem Jahr Mitgliedschaft und mit sechsmonatiger Vorankündigung [32].
Bei der SBB wurde der erste GAV für die neu nach OR angestellten Mitarbeitenden abgeschlossen. Er tritt am 1.1.2001 für drei Jahre in Kraft. Der GAV garantiert den Arbeitnehmenden, dass während seiner Dauer kein Arbeitsplatzabbau aus strukturellen Gründen erfolgen wird; er führt die 39-Stunden-Woche und eine Leistungslohnkomponente ein. Die gewerkschaftlich organisierten Angestellten stimmten dem GAV mit rund 94% deutlich zu [33].
 
[31] AB NR, 2000, S. 136 und 462; AB SR, 2000, S. 228. Siehe SPJ 1999, S.236.31
[32] 24h, 11.10.00.32
[33] 24h, 17.6.00.33