Année politique Suisse 2000 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
print
Organ- und Blutspenden
In der Vernehmlassung sprachen sich die Teilnehmer mehrheitlich für das vorgeschlagene Transplantationsgesetz aus, insbesondere die SP und die CVP. Einzelne Kantone, die Ärzteschaft und die „Swisstransplant“, die Organisation, die seit Jahren die Organspende koordiniert, meldeten aber Bedenken gegenüber der vom Bundesrat vorgesehenen zentralen Zuteilung der Organe an. Ihrer Ansicht nach, die von der FDP gestützt wurde, sollte nicht die medizinische Dringlichkeit der Transplantation als Kriterium gelten, sondern eine von den behandelnden Ärzten vorgenommene Abwägung zwischen Risiken und Chancen. Zudem kritisierten sie, der Gesetzesvorschlag gehe mit seinen verfahrenstechnischen Vorschriften zu sehr in Details, greife der medizinischen Forschung vor und verbaue damit den Fortschritt [49].
Im November fällte der Bundesrat erste Entscheide in Bezug auf das Gesetz. Von den zwei zur Diskussion gestellten Zustimmungsmodellen für die Entnahme von Organen Verstorbener entschied er sich für die Variante der erweiterten Zustimmungslösung, bei der entweder die verstorbene Person zu Lebzeiten oder deren Angehörige nach dem Tod ausdrücklich der Organentnahme zustimmen müssen. Zu den Fragen der zentralen Zuteilung der Organe, der Verwendung von embryonalen oder fötalen Geweben und Zellen sowie zur Xenotransplantation wollte sich der Bundesrat hingegen noch nicht abschliessend äussern [50].
Wegen der ethisch heiklen Problematik, die sich aus dem Umstand ergibt, dass Organe von zwar hirntoten, ansonsten aber noch lebenden Personen zu Transplantationszwecken entnommen werden, wurde erstmals vor einer neuen Gesetzgebung ein Bürgerpanel gebildet. Das vom Zentrum für Technologiefolgeabschätzung einberufene Publiforum (eine heterogen zusammengesetzte Laiengruppe aus 28 Teilnehmenden) beschäftigte sich in mehrtägigen intensiven Debatten mit dem Thema und brachte seine Schlussfolgerungen den für die Vorberatung des Gesetzes vorgesehenen parlamentarischen Kommissionen zur Kenntnis. Die Forumsteilnehmer stimmten den Plänen des Bundesrates mehrheitlich zu, verlangten aber eine eingehende psychologische Unterstützung der Angehörigen und der Organempfänger. Um insbesondere die Angehörigen zu entlasten, schlug das Panel langfristig die Einführung der strengen Zustimmungsregelung vor (zwingende Zustimmung des Betroffenen selber). Bei der Xenotransplantation verlangte das Forum zwar kein Moratorium, aber die intensive Förderung anderer Ansätze [51].
 
[49] Presse vom 31.3.00; NLZ, 26.8.00. Eine im Auftrag des Centre patronal erstellte Studie rechnete vor, dass die Zentralisierung beim Bund wegen des hohen Verwaltungsaufwands die Kosten einer Transplantation um durchschnittlich 18 000 Fr. verteuern würde (Jean-Philippe Chenaux, Transplantation d’organes: sauver des vies, Lausanne 2000).49
[50] Presse vom 23.11.00. In Beantwortung einer Interpellation Rychen (svp, BE) bekräftigte der BR seine Intention, die Zahl der in der Schweiz existierenden Transplantationszentren wegen der hohen Kosten und aus Gründen der Qualitätssicherung reduzieren zu wollen (AB NR, 2000, S. 453).50
[51] Presse vom 28.11.00.51