Année politique Suisse 2000 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen / Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV)
print
12. AHV-Revision
Um die notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen für die Arbeiten an der 12. AHV-Revision zu erhalten, beantragte der Bundesrat dem Parlament die Mittel für ein mehrjähriges Forschungsprogramm zur längerfristigen Sicherung der Altersvorsorge. Prioritär behandelt werden darin die Flexibilisierung des Altersrücktritts, die Partizipation insbesondere der Frauen und der älteren Arbeitnehmenden am Arbeitsmarkt sowie der längerfristige Finanzierungsbedarf der AHV und mögliche Finanzierungsquellen. Geringere Priorität räumte der Bundesrat Fragen nach der Absicherung nicht-traditioneller Erwerbs- und Familienbiographien, der Bedeutung der Aus- und Weiterbildung für die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer sowie nach in- und ausländischen Erfahrungen mit vorzeitiger Teilpensionierung ein. Nicht weiter verfolgen wollte er das Thema der Langzeitpflege, das nur punktuell mit der Alterssicherung als solcher in Beziehung steht, und zu dem heute die Daten weitgehend fehlen [35].
Die Vertreter der bürgerlichen Parteien im Nationalrat, die mehrmals lautstark besseres Grundlagenmaterial zur Vorbereitung wichtiger sozialpolitischer Entscheide verlangt hatten, wehrten sich, weil „die AHV-relevanten Zahlen seit den IDA-FiSo-Berichten bekannt sind“ (Bangerter, fdp, BE) gegen die im Hinblick auf das Forschungsprogramm vom Bundesrat im Budget 2001 beantragten Kredite für das BFS und das BSV. Bundesrat Villiger anerkannte, dass mit IDA-FiSo 1 und 2 einiges gemacht worden sei, verwies aber darauf, dass es hier nicht nur um die Finanzierung der AHV gehe, sondern um weitere Erkenntnisse vor allem in Bezug auf den Umgang mit einer alternden Gesellschaft. Beim BFS setzte sich ein Antrag der Präsidentin der nationalrätlichen SGK Dormann (cvp, LU) vorderhand durch, den vom Bundesrat verlangten Kredit nicht zu kürzen. Sie verwies darauf, dass die SGK zu Beginn ihrer Beratung der 11. AHV-Revision einstimmig eine Motion verabschiedet habe, die den Bundesrat beauftragen will, eine Versichertenstatistik aufzubauen, die mittel- und langfristig Auskunft über die soziale Absicherung der Bevölkerung bzw. über die Bedarfslage und die sozialen Risiken in der Schweiz gibt. Nach wie vor fehlten statistische Grundlagen zur Altersvorsorge der aktiven Bevölkerung nach Branche, Alter, Familienform und Lebenssituation, ebenso flächendeckende Angaben zur Einkommenssituation der Rentnerinnen und Rentner. Das Parlament könne nicht immer wieder die Bereitstellung von Datenmaterial verlangen, wenn es nicht bereit sei, dem BFS die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Ihr Antrag setzte sich mit 100 zu 71 Stimmen gegen den Kürzungsantrag der Finanzkommission durch. Hingegen obsiegte die Kommissionsmehrheit mit ihrem Kürzungsantrag beim Kredit des BSV für Dienstleistungen Dritter im Bereich der Forschung mit 99 zu 68 Stimmen [36].
Im Ständerat fand dann ein Entscheid mit umgekehrten Vorzeichen statt. Weil Bundesrat Villiger nun die Ansicht vertrat, das BFS könne auch mit einem auf mehrere Jahre verteilten Kredit seine Aufgaben – wenn wohl auch verzögert – wahrnehmen, stimmte die kleine Kammer der Kürzung zu. Beim BSV beschloss sie aber, dem ursprünglichen Antrag des Bundesrates zu folgen, da es nicht nur um Forschungen zur AHV, sondern auch zur IV, wo die starke Zunahme der Rentner einen Erklärungsbedarf ausweise, sowie zur Krankenversicherung gehe [37]. Beim Kredit des BFS stimmte der Nationalrat stillschweigend dem Ständerat zu, bei jenem des BSV mit 88 zu 58 Stimmen [38].
 
[35] Presse vom 13.4. und 5.12.00. Für mehr Details zum Forschungsprogramm siehe CHSS, 2000, S. 316 f. sowie die Homepage des BSV: www.bsv.admin.ch. Da die Eckdaten des Forschungsprogramms und dessen Ausrichtung auf den Zeithorizont 2025 in der Herbstsession bereits bekannt waren, wurde eine Motion der SVP-Fraktion, die ein Konzept zur Sicherung der Altersvorsorge über das Jahr 2010 hinaus verlangte, nur als Postulat überwiesen (AB NR, 2000, S. 1192). 35
[36] AB NR, 2000, S. 1256 ff. Motion SGK: Geschäft 00.3421. 36
[37] AB SR, 2000, S. 829 f. 37
[38] AB NR, 2000, S. 1407 ff. 38